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Politik

HRW: "Die Menschen tauchen unter"

16. Juli 2019

Auch wenn in den USA die Razzien bisher nicht in dem Umfang stattgefunden haben wie angekündigt, haben viele Einwanderer Angst und verstecken sich. Im DW-Interview warnt Grace Meng von HRW vor Menschenrechtsverletzungen.

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USA Agenten der US Einwanderungs- und Zollbehörde ICE
Bild: picture-alliance/ZumaPress

Deutsche Welle: Wie umfangreich waren die groß angekündigten Razzien der Einwanderungs- und Zollbehörde ICE, die am Sonntag stattfinden sollten?

Grace Meng: Es gab Berichte, dass Polizisten an die Türen von Leuten geklopft haben, aber die Betroffenen  ihre Türen nicht aufgemacht haben, weil die Polizisten keine Haftbefehle hatten. Es gab auch Gerüchte über ICE-Aktionen in U-Bahn-Zügen in New York City; die erwiesen sich aber als falsch. Es scheint also so, als hätten die Razzien - zumindest am Wochenende - nicht wie befürchtet stattgefunden.

Das Ganze hatte aber trotzdem eine große Wirkung. Die Menschen hatten Angst und haben viele Dinge bleiben gelassen, die sie sonst getan hätten. Und das ist wirklich nur ein Tag von vielen, der zeigt, wie es ist, als Einwanderer unter Trump zu leben.

Warum, glauben Sie, haben die großangelegten Razzien nicht stattgefunden?

Die Regierungsvertreter, die den Medien gesagt hatten, dass die Razzien am Sonntag stattfinden würden, haben auch gesagt, dass sie im Laufe der Woche stattfinden können. Wir können also noch nicht davon ausgehen, dass sie abgesagt wurden. Berichten zufolge meinten Beamte, sie hätten das Überraschungsmoment verloren, weil die Razzien im Vorfeld angekündigt waren. Vielleicht haben sie sich also entschieden, doch nicht am Sonntag anzufangen, weil sie damit rechnen, dass sich viele Menschen verstecken würden.

Was erwarten Sie für den Rest der Woche?

Ich gehe davon aus, dass die Menschen, die sich versteckt haben, auch weiterhin untergetaucht bleiben, dass mehr Menschen ihre Kinder nicht zur Schule oder zum Arzt bringen, dass sie ihre Aktivitäten außerhalb des Hauses auf ein Minimum beschränken.

USA Grace Meng
Grace Meng ist stellvertretende Direktorin des US-Programms bei Human Rights WatchBild: Human Rights Watch

Sicherlich ist die Intensität der Angst, die die Menschen im Moment empfinden, eine direkte Folge der angekündigten Razzien - aber nicht die grundsätzliche Angst, die Entscheidung, nicht die Polizei zu rufen, wenn sie Opfer eines Verbrechens geworden sind, oder keine medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen; diese Entscheidungen haben die Einwanderer nicht erst diese Woche, sondern schon vor langer Zeit getroffen, weil sie Angst davor haben, abgeschoben zu werden.

Was halten Sie von diesen Razzien?

Wir sind zutiefst besorgt über die immensen Menschenrechtsverletzungen, die mit den angekündigten Razzien einhergehen würden. Wenn Tausende von Familien verhaftet werden, dann erwarten wir eine Vielzahl solcher Verstöße: mehr Familientrennungen, mehr Familienhaft. Wir erwarten, dass Menschen zu leiden haben, und das, nachdem sie schon durch einen Prozess vor dem Einwanderungsgericht gehen mussten, der ihnen oft keine faire Anhörung bietet.

Und wir würden, wie schon gesagt, sehen, wie Betroffene unverzichtbare, wichtige Dienstleistungen nicht in Anspruch nehmen, auch für ihre Kinder nicht, die US-Bürger sind. Das Recht auf Bildung ist ein absolutes Grundrecht, das für alle Kinder gilt, unabhängig von ihrem Status. Eltern haben sich entschieden, ihre Kinder nicht zur Schule zu schicken. Das ist in der Vergangenheit passiert und es wird auch in Zukunft passieren. Das hat starke Folgen für die Kinder.

Auf Patrouille mit US-Grenzbeamten

US-Präsident Donald Trump will nicht nur Tausende Einwanderer abschieben, er will auch sicherstellen, dass von vorneherein weniger Menschen in die USA kommen. Eine neue Asylverordnung besagt, dass Migranten, die über ein anderes Land in die USA gekommen sind, in den USA kein Asyl mehr beantragen können. Das würde heißen, dass man entweder aus Mexiko oder Kanada kommen oder direkt in die USA fliegen müsste, um Asyl beantragen zu können. Was halten Sie davon?

Wir sind zutiefst besorgt über die Missbräuche, die wir erwarten, wenn sich (die mexikanischen Behörden) darauf konzentrieren, Migranten aus Mittelamerika an der Weiterreise in die USA zu hindern. Die USA sind nach ihren eigenen Gesetzen und nach internationalem Recht dazu verpflichtet, Asylbewerber aufzunehmen und sicherzustellen, dass sie eine faire Anhörung bekommen. Die Länder in der Region, durch die die Migranten oft reisen, können Asylbewerbern nicht unbedingt ausreichenden Schutz bieten. Die USA dürfen Asylbewerber nicht in andere Länder abdrängen. Es entbindet sie nicht von ihrer internationalen Verantwortung, diese Menschen zu schützen.

Ich habe Menschen getroffen, die aus ihren Ländern geflohen sind, weil sie Dolmetscher für das US-Militär waren und durch Mittelamerika und Mexiko gereist sind, (um in den USA Asyl zu beantragen). Wenn sie vor Verfolgung fliehen, bekommen sie oft kein Visum, um auf direktem Weg an ihr Ziel zu kommen. Es ist ein weiterer Versuch, mit dem die Trump-Administration versucht, Menschen davon abzuhalten, ihr Recht auf Asyl geltend zu machen.

Grace Meng ist stellvertretende Direktorin des US-Programms von Human Rights Watch und forscht zum Thema Menschenrechte, mit besonderem Fokus auf die Rechte von Einwanderern in den USA.

Das Interview führte Carla Bleiker

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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