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Führt die Pille zum Selbstmord?

Sophia Wagner
4. Februar 2019

Auf Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur soll Selbstmordgefahr in die Warnhinweise für die Pille aufgenommen werden. Was ist dran an der Verbindung zwischen hormoneller Verhütung und mentaler Gesundheit?

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Antibabypille
Bild: picture-alliance/BSIP

Ich habe in meinem Leben nur einmal die Antibabypille genommen. Mit Anfang 20, für etwa drei Monate. Während dieser Zeit bin ich bei den unnötigsten Situationen in Tränen ausgebrochen. Bus verpasst: Weltuntergang. Aber persönliche Anekdoten, das sollte man betonen, sind keine Wissenschaft und vielleicht war ich als junge Studentin einfach insgesamt gestresst und deshalb näher am Wasser gebaut.

Aber es gibt sie, die wissenschaftlichen Studien, die eine Verbindung zwischen Depressionen und hormoneller Verhütung gezeigt haben. Eine Arbeit, die hier viel Aufmerksamkeit bekommen hat, ist aus Dänemark, aus dem Jahr 2016. Darin geht es um den Zusammenhang zwischen hormoneller Verhütung und Depressionen. Die Gesundheitsdaten von über einer Millionen Däninnen zwischen 15 und 34 wurden über einen Zeitraum von insgesamt 13 Jahren verfolgt. Die Auswertung der Daten hat gezeigt, dass Frauen, die eine Kombi-Pille (Östrogen und Progesteron) nehmen mit einer 23 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit Antidepressiva nehmen als Frauen, die nicht hormonell Verhüten. Mit Minipille (nur Progesteron) war die Wahrscheinlichkeit sogar um 34 Prozent höher. Teenager waren dabei nochmal anfälliger von der Pille negativ in ihrer Stimmung beeinflusst zu werden. 

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Die Studie auf die alle gewartet haben

Ich weiß noch wie ich die Studie damals gelesen habe und dachte: Endlich! Endlich gibt es die groß angelegte Studie, die uns zeigt, dass wir keine verrückten Heulbojen sind, sondern dass die Pille wirklich einen negativen Einfluss auf die Gefühle haben kann!

Das man eine so groß angelegte Studie überhaupt machen konnte liegt daran, dass in Dänemark jeder eine elektronische Patientenakte hat. Die Wissenschaftler konnten so auf die Gesundheitsdaten aller Däninnen zugreifen. Natürlich anonymisiert. Trotzdem muss man im Kopf behalten, dass die Daten nicht zeigen, dass die Pille für die Depressionen oder andere psychischen Probleme verantwortlich ist. Sie zeigt nur, dass die Einnahme von hormoneller Verhütung und Antidepressiva gehäuft zusammen auftreten. 

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DW Grafik zu Depression
Frauen, die die Pille nehmen haben ein höheres Riskio an Depressionen zu leiden, als Frauen die nicht hormonell verhüten. Bild: DW

Im Herbst 2018 hat die gleiche Arbeitsgruppe eine weitere Studie vorgelegt. Diesmal ging es um den Zusammenhang zwischen hormoneller Verhütung und Selbstmord. In diese Studie waren knapp eine halbe Millionen Däninnen eingeschlossen, deren Gesundheitsdaten im Schnitt für 8,5 Jahre nachverfolgt wurden. In die Gruppe wurden alle Frauen aufgenommen, die im Zeitraum zwischen 1996 und 2013 15 Jahre alt wurden und davor keine hormonelle Verhütung genutzt hatten.

Das Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit für einen Selbstmord ist bei Pillen-Anwenderinnen etwa dreimal so hoch, wie bei Frauen, die keine hormonelle Verhütung nutzten. Und die Wahrscheinlichkeit eines (erstmaligen) Selbstmordversuches ist mit Pille doppelt so hoch wie ohne. Ähnlich wie bei der Studie zu Depressionen und der Pille waren auch hier Teenager besonders gefährdet. 

Eine weitere Übereinstimmung zwischen den Studien ist, dass das die Alternativen, die Frauen oft vorgeschlagen werden, wenn sie mit der Pille Probleme haben, sogar noch stärkere Effekte auf die mentale Gesundheit haben. Dazu gehören zum Beispiel Hormon-Spiralen, der Ring oder Hormon-Pflaster.

Es gibt keine lokale Wirkung

Auch als ich mit Anfang 20 nach Alternativen zur Pille gesucht habe hat mein Frauenarzt mir eine Spirale vorgeschlagen. Weil diese lokaler wirken würden.

Wenn man mal genauer darüber nachdenkt kann das aber gar nicht stimmen. Denn die Abläufe des Zyklus und die gesamte Hormonregulation werden vom Gehirn aus gesteuert. Außerdem werden Hormone über den Blutkreislauf transportiert und wenn ein Organ gut durchblutet ist, dann ja wohl die Gebärmutter. So gelangen die Hormone von dort eben doch in den ganzen Körper, wenn auch in geringeren Dosen. 

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Eine Frau klebt sich ein Hormonpflaster auf den Arm.
Das Risko für Depressionen oder einen Selbstmordversuch ist mit nicht-oralen hormonellen Verhütungsmitteln höher.Bild: picture-alliance/dpa/A. S.

Das Problem mit der Pille und mentaler Gesundheit ist, dass jede Frau anders reagiert. Das liegt an der Genetik. Während manche Frauen auf Hormone extrem empfindlich reagieren, hat die Mehrzahl mit der Pille nie ein Problem. Das zeigt zum Beispiel eine Studie aus dem Jahr 2002 in der 94 Prozent von über 3500 Teilnehmerinnen angaben, mit der Pille zufrieden oder sehr zufrieden zu sein.

Und dafür sprechen im Grunde auch die dänischen Studien. Ja, es stimmt, das Risiko für Depressionen und Selbstmord ist höher, wenn man hormonell verhütet. Insgesamt ist das Risiko aber dennoch sehr gering. So zeigen etwa die Daten der Studie von 2016, dass von 10.000 Frauen, die nicht die Pille nehmen, durchschnittlich 30 mit Depressionen diagnostiziert werden. Bei Frauen, die die Pille nehmen sind es im Schnitt 45 von 10.000. 

Jede Frau reagiert anders

Ich habe mich nach meiner Erfahrung in den frühen Zwanzigern gegen die hormonelle und für die natürliche Verhütung entschieden. Die hat allerdings auch so ihre Risiken, vor allem in Punkto Sicherheit. Aber immerhin weine ich seit dem nicht mehr an Bushaltestellen. Im Endeffekt muss jede Frau selber wissen, was für sie richtig ist. Wer sich mit der Pille oder anderen hormonellen Verhütungsmitteln nicht wohl fühlt, sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen und medizinischen Rat einholen.

Neben Depressionen und Selbstmordversuchen wird die Pille auch noch mit anderen Risiken in Verbindung gebracht. Dazu zählt etwa eine erhöhte Thrombosegefahr, eine erhöhtes Risiko für spezielle Krebsarten und eine verminderte Libido. 

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