Homosexualität in Afrika immer noch ein Tabu
3. Juni 2022Die staatliche Verfolgung von Schwulen und Lesben ist in Afrika oftmals brutal: In manchen Ländern müssen Homosexuelle immer noch um ihr Leben fürchten. Zur Bedrohung durch die Todesstrafe oder durch lange Haftstrafen kommen drastische Einschränkungen der Meinungsäußerung und Diskriminierungen. Letzteres wird an einem jüngsten Ereignis auf einem Fußballfeld in Frankreich deutlich.
Hassreden in den sozialen Medien
Seit der Weigerung des senegalesischen Nationalspielers Idrissa Gana Gueye, Fußballspieler von Paris Saint-Germain, bei einem Ligaspiel in Frankreich Mitte Mai ein Regenbogentrikot als Symbol zu tragen für mehr Toleranz und Unterstützung der Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans und Menschen, die sich als queer identifizieren, hat die Rhetorik gegen LGBTQ in den sozialen Medien im Senegal zugenommen.
In Frankreich wird Gueye kritisiert, aber im Senegal hat er viel Unterstützung für sein Verhalten bekommen, sogar von Präsident Macky Sall: "Ich unterstütze Idrissa Gueye. Seine religiösen Überzeugungen müssen respektiert werden", ließ Sall verlauten.
In dem westafrikanischen Land sind 95 Prozent der Bevölkerung Muslime und so genannte "unnatürliche Handlungen" mit einer Person des gleichen Geschlechts werden per Gesetz mit ein bis fünf Jahren Gefängnis bestraft. Mitglieder der LGBTQ-Gemeinschaft berichten, dass Angriffe und homophobe Vorfälle in den vergangenen Jahren zugenommen haben und dass viele Menschen aus dem Land fliehen.
Auch in Kamerun nehme die Gewalt auf LGBTQ-Menschen zu, sagt die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Dahinter steckt laut Lewis Mudge, HRW-Direktor für Zentralafrika, dass Kamerun immer noch gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stellt. Dieses Gesetz schaffe eine Atmosphäre, in der LGBTQ-Menschen angegriffen werden können, sagt Mudge im DW-Interview. "Es ist schwierig für viele Kameruner, aber auch Menschen in anderen afrikanischen Ländern, Homosexualität zu akzeptieren," so Mudge. "Sie werden überfallen, sogar von ihren Nachbarn." Die Polizei stehe nicht zum Schutz auf ihrer Seite.
Wo ist Homosexualität in Afrika offiziell erlaubt?
In den vergangenen zehn Jahren haben fünf Länder in Afrika Homosexualität legalisiert: Angola erlaubt gleichgeschlechtliche Beziehungen erst seit Februar 2021. Der Oberste Gerichtshof Botsuanas hat 2019 in einem bahnbrechenden Moment für das Land sowohl männliche als auch weibliche gleichgeschlechtliche Beziehungen entkriminalisiert. Bis dahin galt ein Gesetz, das 1965 in Kraft getreten war - also als das Land noch unter britischer Herrschaft stand.
Mosambik strich im Jahr 2015 eine Klausel aus der Kolonialzeit aus seinem Strafgesetzbuch, die gleichgeschlechtliche Beziehungen verbot und als "Laster gegen die Natur" ansah. Auch Lesotho und die Seychellen zählen laut einer globalen Übersicht der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, and Intersex Association (ILGA) aus dem Jahr 2020 ebenfalls zu den Vorreitern in Sachen Akzeptanz.
Gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind nach Angaben von ILGA nur in 22 der 54 afrikanischen Länder legal. In einigen Ländern werden sie mit Gefängnis bestraft, in drei sogar mit dem Tod: Mauretanien, Somalia und in Teilen Nigerias.
Lebenslange Haft ist die Höchststrafe in Tansania, Uganda und Sambia, während in Gambia, Kenia und Malawi Gefängnisstrafen von bis zu 14 Jahren möglich sind, so ILGA. In Sambia bekräftigte Präsident Hakainde Hichilema gerade erneut bei einem Gottesdienst, dass seine Regierung sich nicht für die Rechte von Homosexuellen im Land einsetzen werde.
In Ruanda werden gleichgeschlechtliche Beziehungen zwar nicht kriminalisiert, aber Mitglieder der schwulen Gemeinschaft kritisieren, die Regierung schütze sie nicht genug vor Stigmatisierung und Gewalt durch Sicherheitsorgane. Das bestätigt die in Kigali ansässige Gesundheits- und Menschenrechtsorganisation Health Development Initiative (HDI).
Stigmatisierung und Diskriminierung bekämpfen
HDI-Direktor Aflodis Kagaba hatte dazu eine Studie beauftragt: "Niemanden zurückzulassen bedeutet, Stigmatisierung und Diskriminierung zu bekämpfen", sagt Kagaba im DW-Interview. "Wir müssen dafür sorgen, dass alle Ungerechtigkeiten beseitigt werden, die dazu führen, dass sich einige von uns in unserer Gesellschaft nicht willkommen fühlen oder verurteilt werden."
Wenn Institutionen Frauen unterstützen, sollten sie auch Lesben und Transfrauen berücksichtigen, fordert eine ruandische Aktivistin im DW-Interview. "Wir wollen Möglichkeiten sehen, wie sie ihren sozialen oder wirtschaftlichen Status verbessern können, im privaten oder öffentlichen Bereich, ohne auf die Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung zu achten, denn wir sind mehr als das."
Vorurteile zeigten sich auch in Schulen, am Arbeitsplatz oder in der Gesundheitsvorsorge, sagt Jean Claude Cedric, ein LBGTQ-Aktivist aus Ruanda zur DW: "Die Mitarbeiter in Gesundheitszentren weigern sich offen, uns zu behandeln. Das zwingt viele Menschen in unserer Gemeinschaft dazu, diese Einrichtungen nicht mehr zu besuchen. Unsere Regierung muss Gesetze erlassen, die unser Leben verbessern und diejenigen in der Gemeinschaft bekämpfen, die uns schikanieren."
Vorbild Südafrika
Viele Verfolgte suchen außerhalb ihres Heimatlandes Zuflucht, vor allem im liberalen Südafrika. Zwar sind auch dort Gewalt und soziale Diskriminierung gnoch weit verbreitet, aber der Staat beteiligt sich daran nicht. Die Rechte der sexuellen Minderheiten sind in der südafrikanischen Verfassung festgeschrieben und einklagbar.
Südafrika ist in Afrika in dieser Hinsicht ein Vorbild. Und in dem kleinen Königreich Eswatini fand 2018 eine erste "Gay Parade" statt - eine Veranstaltung, die im benachbarten Südafrika schon seit Jahren im öffentlichen Terminkalender steht. 2006 hat Südafrika als erstes afrikanisches Land die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert. Die Verfassung soll auch vor Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung schützen. Aber: In der Realität werden auch hier noch die Menschen oft verfolgt und fallen Hassverbrechen zum Opfer.
Mitarbeit: Nasra Bishumba (Ruanda)
Korrektur am [03.06.2022]: In einer früheren Version dieses Artikels gab es eine Diskrepanz zwischen den im Text genannten Ländern und der Infografik. Dies wurde korrigiert. Die Redaktion bittet den Fehler zu entschuldigen.