"Homeland"-Dreh in Berlin: streng geheim!
18. Juli 2015Es ist zum Verrücktwerden: Nach 87 Mails, einer ausgiebigen Twitter-Recherche und unzähligen Anrufen darf ich immer noch nicht ans Filmset von Homeland. Seit Juni wird die fünfte Staffel der Serie in Berlin gedreht. Es ist das erste Mal, dass die komplette Staffel einer US-Serie in Deutschland produziert wird - eine Auszeichnung für Berlin als Filmstadt. Homeland hat schon einen Golden Globe und einen Emmy Award abgeräumt. Claire Danes spielt die Hauptrolle: die CIA-Agentin Carrie Mathison, die sich bei ihren Vorgesetzten durch ihre unkonventionellen Ermittlungsmethoden oft unbeliebt macht. Sie jagt Terroristen, die es auf die USA abgesehen haben. Mit ihr würde ich gerne sprechen. Doch auch da: Fehlanzeige. Meine Interviewanfrage wird abgelehnt.
Als Journalistin lebe ich von Informationen. Normalerweise macht mir die Aufbereitung der Informationen mehr Arbeit als die eigentliche Recherche. Nicht so bei Homeland. Gestatten: Daniela Späth, Homeland-Beauftragte der DW.
Geheimes Casting in Berlin
Als erstes richte ich einen Homeland-Google-Alert ein. Sobald in den Medien, die von Google durchsucht werden, das Stichwort "Homeland" aufkreuzt, werde ich per E-Mail mit entsprechendem Link benachrichtigt. Mein Handy macht mich mit einem schrillen Ton darauf aufmerksam: Pling!
Ich erfahre durch einen kurzen Artikel in einer kleinen Lokalzeitung über das Homeland-Casting im Berliner Stadtteil Kreuzberg: Rund 1000 Komparsen werden gesucht. Die zuständige Casting-Agentur "Filmgesichter" hält sich auf meine telefonische Anfrage hin bedeckt. Offiziell sei es kein Homeland-Casting. Tatsächlich: Auf der Internetseite steht, es würden Komparsen "für eine internationale Produktion" gesucht. "Bei solchen Castings ist es üblich, dass nicht vorab der Titel der Produktion genannt wird", versichtert mir Timo Gößler, Dozent an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. So wolle man vermeiden, dass sich nur Fans bewerben. Gesucht würden schließlich Komparsen, die zu den Rollen passen. Verstehe. Ich fahre zum Casting-Termin und spreche mit Teilnehmern. Insgeheim hat sich natürlich längst herumgesprochen, dass es sich um die US-Serie dreht.
Doch wo wird Homeland gedreht? Das Studio Babelsberg, das die Serie produziert, gibt keine Auskunft. Mein Handy macht wieder Pling. Eine Berliner Zeitung schreibt: "Gedreht wird in Berlin an Originalschauplätzen, in Brandenburg und in den Babelsberger Studios". Das ergibt zusammen 30.551,84 Quadratkilometer Fläche, die in Frage kämen, ergibt meine Wikipedia-Recherche. Kurz: Ich suche die Nadel im Homeland-Haufen. Ich tröste mich mit einer Folge der Serie. CIA-Agentin Carrie Mathison fällt doch auch immer etwas ein!
Ich durchforste Twitter nach dem Hashtag "Homeland": Nutzer @Christianmutter tweetet: "In Steglitz wird #Homeland gedreht. Requisite, damit es ein wenig mehr nach Berlin aussieht: viele Aufkleber." Aufgeregt tippe ich in mein Smartphone: "Weißt du, ob die Dreharbeiten auch morgen noch andauern?" Auch Tage später: keine Antwort. Mit einer Mischung aus Scham und Frust lösche ich meinen Tweet wieder. Es soll ja nicht jeder wissen, wie verzweifelt ich bin. Ich scheine zu spät am Tatort zu sein. Fast wie Carrie, die den Terroristen zwar dicht auf den Fersen, aber dann doch oft eine Spur zu langsam ist.
Die Abschottungs-Methode der Homeland-Produzenten sei eine Mischung aus Marketing-Strategie und Angst vor Spoilern, erklärt mir Timo Gößler. "Die Produzenten wollen vermeiden, dass zu viele Hinweise über den konkreten Inhalt der fünften Staffel über die sozialen Netzwerke in Windeseile nach außen dringen könnten." Fans könnten so nicht mehr überrascht werden, das gefährde den Erfolg der Serie. Und: "Durch die Mythenbildung um die Serie entsteht ein Höchstmaß an Vorfreude und Spannung. Genau das wollen die Produzenten erreichen", so Gößler.
In allen Staffeln stünden grundsätzlich vor allem tagespolitische Ereignisse im Fokus. "Es kann immer passieren, dass während der Produktion die Story von der Wirklichkeit eingeholt wird und deshalb die Drehbücher spontan noch einmal umgeschrieben werden müssen", sagt Gößler. Ein weiterer Grund, weshalb so wenig Inhalt wie möglich nach außen dringen soll.
Jeder Hinweis wird ernst genommen
Ich bin ein halbes Jahr alleine durch Mittelamerika gereist und habe in Südafrika einen Raubüberfall überlebt - da werde ich es doch mit einer Serie aus den USA in Berlin aufnehmen können! Und siehe da: In der Redaktion bekomme ich einen Tipp von einer Kollegin, die mich auf "namenlose Filmarbeiten, für die am Freitag die Carmerstraße in Charlottenburg gesperrt wird" hinweist. Normalerweise wäre die Mail gleich im Papierkorb gelandet. Denn in Berlin wird ständig irgendwo irgendwas gedreht. Doch meine Verzweiflung ist zu groß. Ich nehme jeden noch so kleinen Hinweis wahr. Eben wie Carrie, die von allen für ihre ausgefallenen Ideen für verrückt erklärt wird - außer von Saul Berensen, ihrem Boss, Chef der CIA, der ihr fast immer den Rücken stärkt.
Namenlose Filmarbeiten entpuppen sich als "Homeland"-Dreh
Ich inspiziere die Cramerstraße: ein ruhiges Wohnviertel. Verdächtig: An den Seiten parken mehrere Lkw mit der Aufschrift "Catering" und an der Hauswand gegenüber steht ein riesiger Scheinwerfer. Wird hier für Homeland gedreht? Ich setze mich auf die Bordsteinkante, esse ein Eis und warte. Lange passiert nichts.
Plötzlich bin ich hellwach: Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie Mandy Patinkin, der Carries Boss Saul Berenson spielt, das Haus mit dem Scheinwerfer davor betritt. Es ist eine Sache von wenigen Sekunden. Zu kurz, um ein Foto zu schießen, aber lange genug, um ihn zu erkennen.
Auf Tuchfühlung mit Claire Danes
Bald taucht auch Claire Danes auf. Sie ist vielleicht zehn Meter von mir entfernt. Doch als ich den Finger zum Auslöser meiner Kamera bewege, stellt sich ein Aufpasser des Filmteams hinter mich. Ich drücke trotzdem ab. Und bekomme einen bösen Blick und eine Verwarnung. Von dem Dreh selbst bekomme ich leider nichts mit. Es wird hauptsächlich im Haus gefilmt. Die einzige Szene, die ich beobachten kann, ist die, in der Claire Danes aus der Tür geht, kurz stehen bleibt und weitergeht. Das wird ein paar Mal wiederholt. Nach dem Dreh düst Claire Danes in einem verdunkelten SUV ab.
So schnell lasse ich mich nicht unterkriegen. Carrie gibt schließlich auch nicht so schnell auf. Mein Handy macht wieder Pling: Homeland wurde gerade für fünf Emmy Awards nominiert. Ich gebe eine zusätzliche Nominierung ab: für die geheimsten Dreharbeiten, über die ich berichten durfte.
PS: Jegliche Homeland-Hinweise nimmt die Redaktion gerne entgegen.