Hofmacher: "Wir machen nicht alles"
30. September 2014Deutsche Welle: Die Städte und Gemeinden sind wegen der akuten Unterbringungsnot von Flüchtlingen gezwungen, innerhalb kürzester Zeit eine Lösung zu finden. Anhand welcher Kriterien entscheiden Sie, ob die Anfrage für Sie interessant ist?
Patrick Hofmacher: Weil derzeit Not herrscht, geeignete Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu finden, werden die Optionen zur Errichtung von Notunterkünften nicht in einem langen und aufwändigen europäischen Ausschreibungsverfahren vergeben, sondern freihändig.
Wir prüfen, ob wir im Stande sind und die strukturellen Voraussetzungen haben, ein Heim zu dem Zeitpunkt zu betreiben. Dafür benötigen wir vor Ort eine Malteser-Infrastruktur in Form von ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Mitarbeitern und Diensten. Wenn es sich um eine neue Liegenschaft handelt, müssen wir prüfen, wie diese überhaupt liegt und ob dort bis zum Aufnahmezeitpunkt Asylbewerber menschenwürdig untergebracht werden können.
Worauf achten Sie bei den Gebäuden besonders?
Wenn zum Beispiel eine Einrichtung mit 500 Betten geplant ist, muss auch die Möglichkeit bestehen, dort auf 600 Betten aufzustocken. Grundvoraussetzung ist, dass die Gebäudestruktur zulässt, dass Familien für sich untergebracht werden können, und dass wir auch alleinreisende Männer von alleinreisenden Frauen trennen können. Ob wir verschiedene Ethnien getrennt unterbringen können, orientiert sich an den jeweiligen Zugangszahlen.
Was sind die größten Hürden beim Aufbau einer Notunterkunft?
Die Probleme fangen bei der Ausstattung mit Betten an, gehen weiter über Tische, Schränke bis zur Kantinenausstattung. Wir müssen auch den Lieferanten für das Essen organisieren. Wer kann eine für Flüchtlinge angemessene und ausgewogene Speisenfolge anbieten?
Die Aufgaben sind durch unsere Kolleginnen und Kollegen gerade aus dem Katastrophenschutz und mit der großen Anzahl an Ehrenamtlichen, die wir im Malteser-Bereich haben, relativ einfach zu lösen. Da reichen uns sieben bis zehn Tage, um das gut zu meistern - trotz der momentanen Lieferengpässe, da es bundesweit keine geeigneten Betten gibt. Matratzen sind ebenfalls ganz schwierig zu bestellen, weil sie alle Bundesländer benötigen. Aber das größere Problem ist es, geeignetes Personal zu finden.
Wie reagieren Sie auf den Zeitdruck, der von den Kommunen oder der Bezirksregierung gemacht wird?
Das Zeitfenster spielt bei der Zu- oder Absage eine wesentliche Rolle. Deswegen kann ich behaupten: Wir machen nicht alles, weil wir uns nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Unter Zeitdruck kann man letztendlich keine Qualität, wie wir sie in unserem Selbstverständnis sehen, anbieten.
Bei europaweiten Ausschreibungen haben wir einen Vorlauf von drei bis sechs Monaten. Darauf können wir uns einrichten. Sehr kurzfristige Anfragen sind für uns auch eine große Herausforderung. Wir können nicht alles machen, was wir vielleicht auch machen wollten.
In der Debatte um Notunterkünfte ist immer von sogenannten Mindeststandards die Rede. Gibt es Bereiche, in denen Sie deutlich mehr als nur Standards anbieten?
Unsere erste Notunterkunft in Xanten galt jahrelang als Mustereinrichtung in Nordrhein-Westfalen. Die Standards für die Errichtung einer Gemeinschaftsunterkunft wurden auf dieser Basis geschaffen. Dazu gehören ein fester Tagesablauf, eine Kinderspielstube und dafür Sorge zu tragen, dass Bewohner Dienste, die in einer solchen Einrichtung getan werden müssen, übernehmen können. Auch eine Gesundheitsstation, die eine Erst-Versorgung möglich macht, ist für uns wichtig. Das sind Dinge, die heute wirklich standardisiert sind und die auch in den Verträgen zumindest für die Zentralunterbringungseinrichtungen schriftlich fixiert sind.
Wann haben Sie Probleme, diese Standards zu erfüllen?
Es wird dann schwierig, wenn sehr kurzfristig eine Erhöhung der Kapazität ansteht. Unsere Einrichtung in Hemer war zum Beispiel ursprünglich mit 500 Betten geplant worden. Dann wurden nur noch 300 Betten benötigt. Jetzt kann es wieder vorkommen, dass eine kurzfristige Aufstockung innerhalb weniger Tage von 300 auf 500 oder 600 Betten erfolgt. Das ist schwierig in dieser Zeit entsprechen mit dem Personal auch nachzurücken.
Patrick Hofmacher ist Mitglied der Geschäftsführung der gemeinnützigen Malteser-Werke, die sich auf die Themen Migration, Gesundheitsförderung und Prävention sowie den Bereich Jugend, Schule und Soziales spezialisiert haben. Die Malteser Werke beschäftigen an ihren 45 Standorten inzwischen mehr als 800 Mitarbeiter.