Hoffen und Bangen in Griechenland
19. Januar 2015Düstere Wirtschaftsprognosen, Warnungen vor einem Bankrott, politische Muskelspiele zwischen Regierung und Opposition: Mit großer Sorge verfolgt Jorgos Sarandopoulos die TV-Nachrichten in seinem Friseursalon im Norden Athens. Als Kleinunternehmer und junger Familienvater ist der Mann aus dem Peloponnes auf stabile wirtschaftliche und soziale Verhältnisse im Land angewiesen. Dabei polarisiert der griechische Wahlkampf wie nie zuvor in den vergangenen 20 Jahren: Während der konservative Regierungschef Antonis Samaras um sein politisches Überleben kämpft und vor einem Euro-Austritt im Fall des Regierungswechsels warnt, fordert die in allen Umfragen führende Linksopposition einen Bruch mit den Kreditgebern und die Neuverhandlung der griechischen Schulden - bis hin zu einem Schuldenmoratorium.
Sarandopoulos macht die Wirtschaftskrise zu schaffen. Wie viele andere Griechen hofft der Friseurmeister auf eine Lockerung der Sparpolitik - zumal er derzeit einen Kredit zurückzahlen muss, den er noch vor Ausbruch der Wirtschaftskrise zur Modernisierung seines Friseursalons erhielt. Den Wahlversprechen von Politikern, die angeblich über Nacht eine Neuordnung der griechischen Schulden durchsetzen würden, vertraut er nicht mehr, sagt der Kleinunternehmer im Gespräch mit der DW. "Unsere Politiker werden doch mit der Realität konfrontiert, sobald sie im Ausland vorstellig werden. Genauso lief es ja auch mit Samaras: Vor seinem Wahlsieg (im Jahr 2012) wollte er neu verhandeln, machte aber eine Kehrtwende, als er mit der ernüchternden Realität konfrontiert wurde", meint Sarandopoulos. Sein größter Wunsch: Die griechischen Politiker sollen sich endlich parteiübergreifend auf eine gemeinsame Linie einigen, damit sie die Krise meistern können.
"Griechenland hat das nicht verdient"
Sorgen macht sich auch Leonidas, ein gut situierter Bankangestellter aus Athen, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte. Für radikale Wahlkampf- Rhetorik hat er anscheinend nichts übrig. "Wir sind in einer schwierigen Situation und ich kann nur hoffen, dass die Parlamentswahlen endlich Stabilität bringen", sagt der Familienvater. Und er fügt hinzu: "Es geht hier schließlich nicht um mich, es geht um meine Kinder. Für sie wünsche ich mir eine bessere Zukunft. Was wir derzeit durchmachen müssen, hat unser Land wahrlich nicht verdient."
Doch wie soll eine bessere Zukunft für Griechenland aussehen? Darüber hört man wenig im griechischen Wahlkampf - als wären die Politiker des Landes zu sehr mit gegenseitigen Schuldzuweisungen beschäftigt. Vor allem über die Rekordarbeitslosigkeit und die Rolle des Staates im Wirtschaftsgeschehen liefert man sich derzeit Wortgefechte zu Wahlkampfzwecken. Während die Linksopposition öffentlich finanzierte Wohltaten verspricht und Privatisierungen rückgängig machen will, pocht der konservative Ministerpräsident Samaras weiterhin auf wohldosierte Steuererleichterungen und Investitionsanreize für Unternehmen.
Für Jorgos Sarandopoulos steht fest: "Nur in der Privatwirtschaft können neue Jobs entstehen und dazu können laufende oder zugesagte Privatisierungen beitragen." Gerade die verkrusteten Wirtschaftsstrukturen des Staates und die Allmacht mancher Gewerkschaften hätten zur heutigen Krise beigetragen, glaubt der 38-Jährige. Der Staat sei nun mal ein schlechter Arbeitgeber.
Stimmen für den politischen Wechsel
Evangelia Alexaki sieht das anders. Sie gehört zu den 595 einst festangestellten Reinigungskräften des griechischen Finanzministeriums, die im September 2013 aus Spargründen ihren Job verloren haben. Mit Besen und Schrubbern demonstrieren die Putzfrauen seitdem fast jeden Tag vor dem Haupteingang des Ministeriums. "Wir kämpfen um unser Überleben, unsere Entlassung war völlig ungerecht. Mit 60 kriegst du schließlich keinen anderen Job, aber auch keine Rente", klagt die Frau aus Korfu im Gespräch mit der DW.
Alexaki setzt ihre Hoffnungen auf die Linkspartei Syriza. Warnungen vor einer politischen Instabilität kämen nur von denjenigen, die den Menschen in Griechenland und ganzen Völkern in Europa Angst und Terror einflößten, glaubt die 58-Jährige. Jedenfalls habe sie die Wahlversprechen der Regierungsparteien satt: "Ich habe keine Angst, wir brauchen eine andere Politik. Unsere Kinder wandern ins Ausland ab, unser Land wird ausverkauft. Ich habe noch nie so viele Menschen gesehen, die im Müll nach Essen suchen, die obdachlos sind. Man hat uns Wachstum versprochen, aber ich glaube, wir sind alle tot, bis das Wachstum kommt", empört sich Alexaki.
Einen Teilerfolg konnten die entlassenen Putzfrauen bereits erzielen: Im Mai 2014 ordnete ein Gericht in Athen die sofortige Wiedereinstellung von 397 Reinigungskräften an. Die griechische Regierung legte Berufung ein, ein Urteil wird frühestens im Februar erwartet. Nun hoffen die Putzfrauen auf eine politische Entscheidung - durch eine Linksregierung.