Hoch gezielt und knapp daneben
27. Januar 2013"Apuntando alto", hoch zielen, war das Motto des Gipfels. Ein Volltreffer ist das Treffen von 60 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, Lateinamerikas und der Karibik aber nicht geworden. Denn das ganz große Ziel der Europäer, nach jahrelangen Verhandlungen endlich ein Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur zu unterschreiben, wurde nicht erreicht. Auch wenn einzelne Staatschefs, wie die Präsidenten von Chile, Brasilien und Kolumbien, sich für mehr freien Handel stark machten - die Chefin des zweitgrößten Mercosur-Staates Argentinien, Cristina Fernández de Kirchner, schaltete auf stur: "Es gibt die Schwellenländer mit ihren sich entwickelnden Industrien und es gibt die Stabilität Europas. Es ist wichtig, diese Asymmetrien anzuerkennen, um unserer Industrie und vor allem unseren Völkern nicht zu schaden", gab Kirchner zu Protokoll.
Bremser und Beschleuniger
Daran konnte auch ihre Sitznachbarin in der Runde nichts ändern: Angela Merkel, ohnehin so etwas wie der Star dieses Gipfels, ging bis an die Grenzen des Diplomatischen: "Wir machen uns große Sorgen über bestimmte protektionistische Tendenzen in einigen Ländern", sagte sie am Rande des Treffens. Und die Kanzlerin reichte auch sofort nach, wen sie damit meinte: Sie werde mit Argentiniens Präsidentin über das Thema sprechen. Doch Cristina Kirchner verteidigte den argentinischen Protektionismus und trat weiter auf die Bremse: Nach den langen Verhandlungen hätten sich die Bedingungen grundlegend geändert, darüber müsse der Mercosur diskutieren. Frühestens Ende des Jahres werde das Bündnis den Europäern einen neuen Vorschlag machen.
So wurde es eher ein Gipfel der kleinen Erfolge: "Ich habe noch keinen Gipfel erlebt, bei dem die Beziehungen so eng, so aufgeschlossen und dynamisch sind", erklärte die sichtlich beeindruckte Bundeskanzlerin schon zur Halbzeit des Treffens. Europa und Lateinamerika sind sich deutlich näher gekommen. Mit einer Mischung aus Skepsis und Neugier schauen die amerikanischen Staaten auf den Umgang mit der Krise in Europa. "Das Allerwichtigste für die Länder hier ist, dass sie den Eindruck haben, dass wir als Euroraum die Krise gemeinsam überwinden und nicht einzelne Länder hängen lassen", betonte Angela Merkel. Schon die Art, wie sich die Gastgeber präsentierten, war eine Reaktion auf diese Erfahrungen: Mit dem Zusammenschluss zur CELAC sprechen die Staaten Lateinamerikas und der Karibik erstmals mit einer Stimme. Dazu wächst mit der Wirtschaft auch das Selbstbewusstsein - die CELAC sieht sich auf Augenhöhe mit der EU.
Zufriedene Gastgeber, zufriedene Gäste
Und auch die Europäer konnten einigermaßen zufrieden nach Hause fahren: In der 14-seitigen Abschlusserklärung wird für Verlässlichkeit und Rechtssicherheit bei europäischen Investitionen geworben - das war vor dem Gipfel ein erklärtes Ziel der EU-Staaten, nachdem in den letzten Monaten die Verstaatlichung einiger Konzerne in Bolivien und Argentinien für erhebliche Irritationen gesorgt hatten. Jetzt, sagte die Kanzlerin, müsse Europa sich beeilen, um seine Wettbewerbsfähigkeit nicht zu verlieren. Das bedeute, gute Produkte zu entwickeln, aber auch Schulden abzubauen.
Ein reines Investitionsparadies aber soll Lateinamerika nicht werden: Die CELAC-Staaten wollen mit den Europäern zusammenarbeiten - zum beiderseitigen Interesse und Vorteil: Ein lateinamerikanischer Think Tank hat schon Pläne entwickelt, wie Investitionen aus Europa nicht nur geldwerte Vorteile bringen, sondern auch der Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft dienen sollen. Bis zum nächsten Gipfel der beiden Staatenbünde in zwei Jahren in Brüssel muss die Zielscheibe dann neu justiert werden.