Historischer Tag in Havanna
20. März 2016"Der Besuch Obamas ist ein historisches Ereignis für die Bevölkerung", sagt Kuba-Kenner Bert Hoffmann, Direktor des GIGA-Instituts für Lateinamerika-Studien. "Gerade die Älteren sagen: 'Dass ich das noch erleben durfte!'"
Zum ersten Mal seit 88 Jahren landete wieder ein Staatsoberhaupt aus den USA auf der Karibikinsel. Doch während der damalige US-Präsident Calvin Coolidge 1928 mit einem Kriegsschiff auf Kuba eintraf, wollen Barack Obama und Kubas Präsident Raúl Castro nun das Kriegsbeil begraben.
Im Vorfeld des historischen Besuches mangelt es nicht an symbolischen Gesten. So kündigte Kubas Außenminister Bruno Rodríguez Parrila bereits am 18. März an, dass die Gebühr auf Geldüberweisungen aus den USA aufgehoben werden soll. Die Gebühr in Höhe von zehn Prozent war 2004 von der Regierung in Havanna eingeführt worden. Ihre Abschaffung erhöht das Einkommen vieler Kubaner, die von den Überweisungen ihrer Verwandten aus den USA finanziell abhängig sind.
Stipendium für Künstler aus Kuba
In den USA wiederum erhalten kubanische Staatsbürger während ihres Besuches künftig die Erlaubnis, einer regulären Arbeit nachzugehen, sie dürfen Bankkonten eröffnen und Besucher-Stipendien bekommen. Außerdem ist der Postverkehr zwischen beiden Ländern nach 48 Jahren wieder aufgenommen worden.
"In Havanna ist in den letzten eineinhalb Jahren mehr passiert als in den fünf Jahrzehnten davor", meint Kuba-Experte Hoffmann. Der Zustrom von US-Besuchern habe die Wirtschaft wachsen lassen, und die Hoffnung sei, dass diese Entwicklung weitergehe: mehr Internet, mehr Dollar, mehr Besucher.
Doch von seinem bisherigen Kurs hat sich Kuba noch nicht komplett gelöst: Noch am Freitag verlieh Raúl Castro Venezuelas Präsident Nicolas Maduro den José-Martí-Orden, die höchste Auszeichnung der kommunistischen Regierung. Maduro habe sich mit "Mut und Intelligenz" gegen das von den USA unterzeichnete Dekret gewehrt, in dem Venezuela als Gefahr für die USA bezeichnet worden war.
Stolperstein Guantánamo
Trotz aller Frühlingsgefühle zwischen Washington und Havanna bleibt die kubanische Regierung bei ihren Forderungen. Zwar ist eine schon erfüllt: Die USA haben im Mai 2015 Kuba von ihrer schwarzen Liste derjenigen Staaten gestrichen, die angeblich Terrorismus unterstützen. Das Ende des Handelsembargos sowie die Rückgabe des US-Stützpunktes in Guantánamo stehen allerdings noch aus.
"Raúl Castro muss diese Maximalforderungen formulieren, er ist Träger der kubanischen Revolution", stellt Bernd Greiner, vom Hamburger Institut für Sozialforschung klar. Klar sei aber auch, dass diese Maximalforderungen nicht eins zu eins umgesetzt würden, sagte der Politologe im Südwestrundfunk.
Greiner und Hoffmann sind sich einig, dass Raúl Castro die Schlüsselfigur für eine erfolgreiche Annäherung zwischen den beiden Ländern ist. "Es ist super wichtig, dass Raúl Castro Präsident Obama empfängt und nicht sein Nachfolger." Sonst hätten nämlich alle sagen können "Fidel hätte das nie gemacht". So würde dies aber Raúl Castro im Namen der Revolution sagen, "mit der ganzen historischen Legitimation", so Hoffmann.
Soziale Schere
Auf Kuba selbst wächst bei aller Euphorie über die wirtschaftliche und politische Öffnung auch die Kritik an der wachsenden sozialen Ungleichheit. Denn während Restaurantbetreiber oder Barbesitzer mit Touristen Dollars verdienen, gehen Lehrer oder Ärzte auf dem Land leer aus. "Die Lebenshaltungskosten steigen rasant", heißt es in der oppositionellen Zeitschrift "Convivencia". "Die Gewalt nimmt zu und es fehlt an allem."
Dass die Widersprüche des kubanischen Wegs schwer auszuhalten sind, ist auch auswärtigen Beobachtern klar. "Für die Regierung ist die Annäherung gar nicht so einfach, denn die kubanische Revolution legitimiert sich durch ihre Frontstellung gegen die USA", sagt Lateinamerika-Experte Hoffmann. Der innenpolitische Reformprozess gehe längst nicht so weit, wie er gehen müsste. Er sei weder kohärent noch transparent.
Doch Bert Hoffmann sieht zur Annäherung an die USA keine Alternative. "Die USA sind der natürliche Handelspartner für praktisch alles. Havanna ist näher an Miami als Leipzig an Bonn!", stellt er klar. "Allein die zwei Millionen Kubaner-Amerikaner in den USA bringen mehr Geld nach Kuba als die EU."