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Hiphop ist der Punk von heute

Das Interview führt Rodrigo Abdelmalack17. Mai 2006

Florian Zwietnig und Gerald Mandl sind als Mediengruppe Telekommander seit 2004 bekannt. Anfang Mai erschien ihr zweites Album "Näher am Menschen". DW-WORLD.DE sprach mit ihnen über den Wandel in der Musikindustrie.

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Mediengruppe Telekommander: "Unsere Musik soll ehrlich und erdig sein"Bild: presse / lars borges

DW-WORLD.DE: Was steckt hinter eurem Bandname?

Gerald Mandl: Wir haben den Namen aus Italien mitgebracht. Telecommando heißt Fernbedienung und wir dachten, das wäre super für ein elektronisches Projekt. Irgendwann kam die Idee, den Namen zu erweitern auf Mediengruppe Telekommander, da uns nicht nur die Musik wichtig ist, sondern auch das Grafikdesign, die Webseite etc.

Die neue Platte klingt ein Stück sauberer, eben besser produziert.

Gerald Mandl: Diesmal haben wir uns schon sehr stark auf die musikalische Produktion fokussiert. Wir haben mit Live-Schlagzeug gearbeitet, das Schlagzeug aufgenommen, es wieder geschnitten und mit den elektronischen Sounds verwoben, und wollten überhaupt mehr Tiefe und Dynamik drinnen haben. Denn das erste Album war ja total laut und immer an der Kante. Das neue hat viel mehr Dynamik.

Die erste Platte klang roher und das war ein Identifikationsmerkmal. Nicht, dass jetzt das Protest-Element nicht da wäre, aber alles klingt aufpolierter.

Florian Zwietnig: Ja, das wollten wir so. Wir wollten uns musikalisch weiterentwickeln und nicht an dem Punkt stehen bleiben. Wir wollten nicht eine zweite Platte machen, die exakt klingt wie die erste, sondern musikalisch und textlich einen Schritt weitergehen. Es war ein logischer Schritt in der Entwicklung, dass wir soundmäßig mehr rausholen.

Bei euch weiß man nicht, wo die kritische Einstellung endet und der Spaß anfängt. Ist das gewollt?

Florian Zwietnig: Es ist uns ganz wichtig, vom Inhalt her keine klassische Punk-Band zu werden. Wir wollten auf keinen Fall irgendwelche bekannten Parolen schreien, die ganz klar gegen etwas gerichtet sind. Dass man sagt: Wir sind hier und dort ist das, was wir anklagen. Es muss immer dieses gewisse Augenzwinkern und diese gewisse Ironie dabei sein, so dass man sich selbst auch als Teil des Ganzen sieht und sich nicht so ernst nimmt. Punk nimmt sich oft sehr ernst.

Ich erkenne in eurer Musik nicht diese punkige Art zu protestieren, sondern eine viel lustigere Art zu klagen, die eher vom Hiphop kommt.

Gerald Mandl: Das ist der Punk von heute.

Florian Zwietnig: Wir hören sehr viel Hiphop und dann ist diese spezielle Mischung entstanden. Aber auf jeden Fall versuchen wir uns selbst nicht so ernst zu nehmen.

Kann man heute noch von Underground reden?

Florian Zwietnig: Ehrlich gesagt wird es immer schwieriger, das so zu bezeichnen. Es gibt natürlich Szenen, die sich in so was abspielen, was man jetzt Underground nennen würde. Dinge, die vollkommen abseits stattfinden. Bands, die nie irgendwo ein Review haben, die aber jeder kennt, die zu dieser Szene gehören. Aber das ist auch ein verschwindend kleiner Anteil.

In dem Sinne wäre Underground heutzutage nur ein Vorstadium zum Plattenvertrag?

Gerald Mandl: Nein, es bleibt etwas, was neben dem kommerziellen Markt stattfindet. Es gibt viele Fan-Zines, Fan-Magazine für verschiedenste musikalische Bereiche, wo auch Platten besprochen werden. Für mich wäre es eher ein Nebeneinander.

Florian Zwietnig: Heute ist Indie nur ein Musikstil. Man darf aber nicht vergessen, dieses Bild ist stark durch Amerika geprägt. Viele dieser so genannten Indie-Firmen, die auch wirklich kleine Firmen waren für die Amerikaner, sind doch größer als so manche Medienfirmen in Deutschland jemals waren. Und all das, was wir damals als Underground und Indie mitbekommen haben, war ja schon so kommerziell und groß, dass es nur uns als Indie erschien, weil es im Vergleich mit Tina Turner oder heute Mariah Carey Underground war. Aber tatsächlich war es ähnlich kommerziell wie alles andere auch, sonst hätten wir es in Deutschland überhaupt nicht mitbekommen.

Ist es aber nicht ein trauriges Paradox, dass wir heute alle Möglichkeiten haben, Musik aus der ganzen Welt einfach zu bekommen, während die Underground-Szene verschwindet?

Florian Zwietnig: Ich weiß nicht wirklich, woran das liegt. Das ist ein struktureller Wandel und es wird sich erst nach ein paar Jahren wirklich zeigen, was dabei rausgekommen ist. Die Majors sind auch nicht mehr das, was sie früher mal waren. Sie zerfallen ja auch, müssen Personal entlassen, schrumpfen ganz stark. Und die nächste Struktur, die daraus entstehen wird, ist noch offen. Vielleicht wird es ja einen neuen Underground aus dem Internet heraus geben, so dass Bands über Webseiten wie MySpace berühmt werden, ohne überhaupt etwas auf einen Tonträger gepresst zu haben.

Euer erster großer Hit lief auf VIVA. Das war für euch wie ein Durchbruch, oder?

Beide: Auf jeden Fall.

Glaubt ihr, das wäre heute noch möglich?

Gerald Mandl: Es gibt kein Format mehr, das unser Video spielen würde. Das alte Video lief bei Fast Forward, aber sonst nirgends. Es gibt in Österreich ein paar Sender, die unsere Videos noch spielen könnten, aber sonst wäre das nicht mehr möglich.

Florian Zwietnig: Anscheinend laufen die Sender besser mit Handy-Klingeltönen als nur mit Musik. Was das für Auswirkungen auf die Musikindustrie hat, kann man vielleicht noch nicht sagen. Heute kaufe ich nicht mehr so aktiv Musik, aber wenn ich zurückdenke, erinnere ich mich, dass ich früher etwas kaufte, nachdem ich auf MTV darauf aufmerksam geworden war. Wenn man bedenkt, dass die Sendezeit, die wirklich für Musikvideos da ist, und noch spezieller für deutsche Musikvideos, nur ein winziger Prozentsatz ist, da wird maximal eine Band pro Monat gefeatured und das wird sicherlich nicht die Mediengruppe sein.

Wie seht ihr den deutschen Hiphop, der heutzutage ja überall präsent ist?

Gerald Mandl: Die Anfänge des deutschsprachigen Hiphop, vor allem den aus Hamburg, fanden wir total witzig und innovativ, sprachlich innovativ. Den Hiphop, der jetzt stattfindet, finde ich musikalisch okay, aber inhaltlich – und die Art und Weise, wie es präsentiert wird – einfach schlecht kopiert vom amerikanischen Ghetto-Rap. Wenn man jetzt meint, man müsste hier auf harte Jungs machen und es gäbe hier die harten Stadtteile, dann gefällt mir das nicht.

Florian Zwietnig: Es gibt ja nicht den deutschen Hiphop, sondern nur den deutschsprachigen Hiphop. Und da versucht man produktionstechnisch relativ nah an die Vorgabe von Amerika ranzukommen. Es ist gar kein kreativer Drang da, was Eigenes zu machen. Falco ist ja ein ganz gutes Beispiel für den ersten Schritt im deutschen Hiphop und was absolut innovatives.

Ein Fan hat gesagt, ihr klingt wie Berlin. Wie klingt denn Berlin?

Gerald Mandl: Dreckig.

Florian Zwietnig: Ich glaube, was der Rest von Deutschland mit dem Berliner Musikstill verbindet, ist diese Art von elektronischer Musik mit Leuten, die dazu singen. So was wie Peaches oder die Chicks On Speed. Und das ist das Skurille daran, dass die gar nicht aus Berlin kommen. Das ist das Bild, das nach außen getragen wurde, auch wenn es tausende andere Bands in Berlin gibt.

Wann seid ihr nach Berlin gezogen? Und vor allem warum?

Gerald Mandl: Das war 1998. Damals hauptsächlich, um endlich in einer Stadt zu sein, die auch nur annährend irgendwie an eine Metropole rankommt.

Macht ihr was nebenher oder widmet ihr euch ausschließlich der Musik?

Florian Zwietnig: Wir versuchen ein bisschen Ruhe von der Musik zu bekommen.