Hillje: "Die Geschmäcker sind verschieden"
20. Mai 2014Deutsche Welle: Herr Hillje, wie koordinieren Sie 33 Parteien aus 28 EU-Mitgliedsstaaten? Das erfordert doch einen enormen Aufwand, bis alle Parteien mit der Dachkampagne einverstanden sind.
Johannes Hillje: Das ist in der Tat eine interessante Aufgabe. Politisch ist das nicht schwierig, weil sich die 33 grünen Parteien in Europa politisch einig sind. Wir hatten nicht so große Schwierigkeiten, uns auf ein europäisches Wahlprogramm zu einigen. Aber auf der praktischen Seite ist es nicht einfach, eine Kampagne für 33 Parteien und 28 Länder zu konzipieren. Da geht es um ästhetische Geschmäcker. Von Parteilogos, die einen anderen Grünstich haben, bis zu einer europaweiten Kampagne war es ein weiter Weg. Diese Geschmäcker in einen Guss zu formen war von Anfang an eine große Herausforderung. Ich glaube, die haben wir mit unserer flexiblen Kampagne gut gemeistert.
Trotz großer Harmonie innerhalb der europäischen Grünen sind es 28 EU-Staaten mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Herausforderungen. Die Spanier oder Griechen haben sicherlich gerade andere Probleme als eine grüne Energiewende oder ein Verbot von Gen-Mais?
Natürlich sind es verschiedene Themenschwerpunkte, die unsere nationalen Parteien setzen. Eine europäische Kampagne mit einem gemeinsamen Themenschwerpunkt wäre sehr schwierig. Die grünen Parteien in südlichen Ländern sagen, dass sie einen stärkeren Fokus auf ökonomische Themen setzen wollen. Die skandinavischen Länder konzentrieren sich mehr auf Energie und digitale Rechte. Wir werden diese natürlich in unserem Wahlprogramm auch alle abgedecken. Wir haben zum Beispiel Poster für unsere nationalen Parteien entwickelt. Diese sind so flexibel, dass sie zu verschiedenen Themen benutzt werden können.
Andere europäische Parteien überlassen die Kampagnen zur Europawahl den nationalen Parteien und ihren Werbeagenturen. Die Grünen im Europäischen Parlament versuchen den Gedanken einer gesamteuropäischen Partei auch zu leben. Mit dem Green Primary, einer europaweiten Online-Abstimmung, haben sie schon die beiden Spitzenkandidaten Ska Keller und José Bové gewählt. Trotzdem tritt in Deutschland Rebecca Harms als Spitzenkandidatin auf. Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Dachkampagne?
Zwei Drittel unserer Parteien nutzen diese Kampagne. Die ist modular aufgebaut. Es fängt damit an, dass es ein Kampagnen-Symbol gibt. Das ist ein grüner Pfeil, auf dem "Change Europe, vote Green" steht. Dieser Pfeil wird in 15 Ländern Europas mit einem übersetzten Slogan benutzt. Aus vielen europäischen Ländern kriegen wir dann Fotos mit diesem grünen Pfeil. Das ist eine starke Symbolik, wenn man das in verschiedenen Sprachen und aus verschiedenen Ländern bekommt.
Ein anderes Beispiel ist, dass wir auf den Postern verschiedene Menschen zeigen, die ein Statement machen, wie sie sich ein grüneres Europa vorstelle und gleichzeitig ein Commitment zu ihrer europäischen Identität abgeben. Wir haben diese Idee der Poster als ein Online-Tool entwickelt. Dort können Menschen ihr eigenes Kampagnenposter entwickeln und einen Satz definieren, wie: Ich möchte mehr erneuerbare Energien oder: Ich möchte digitale Rechte. So haben wir eine sehr schöne Fotogalerie aus ganz Europa zusammen bekommen. Da bekommt eine europaweite Kampagne erst ein Gesicht. Das Internet spielt dabei eine wichtige Rolle, weil das eine Bühne ist, auf der wir diesen paneuropäischen Charakter zeigen können. Es wird ja keiner durch alle europäischen Länder fahren und gucken, ob alle grünen Parteien die gleichen Poster aufhängen.
Wie ist denn das Verhältnis zu den nationalen Parteien? Wie viel von den Dachkampagnen übernehmen zum Beispiel die Grünen in Deutschland?
Die Grünen in Deutschland arbeiten nicht mit den Plakaten, die wir entwickelt haben. Sie haben sich dafür entschieden, eine stärkere Verbindung zum Kommunalwahlkampf, der ja in zehn Bundesländern gleichzeitig stattfindet, herzustellen. In Teilen machen die Deutschen bei der europäischen Kampagne aber mit. Sie übernehmen das Online-Tool und kooperieren bei Veranstaltungen wie dem Kampagnenauftakt am 4. Mai in Berlin mit den Spitzenkandidaten aus verschiedenen europäischen Ländern.
Aber ist es nicht ärgerlich? Deutschland wird ja nicht das einzige Land sein, das nicht an der Dachkampagne teilnimmt.
Da gibt es keinen Automatismus, dass die europäische Partei den nationalen Parteien etwas vorgeben kann. Poster müssen auch immer dem Geschmack und der Ästhetik eines bestimmten Landes entsprechen. Das ist die größte Schwierigkeit, Plakate für 28 Länder zu erstellen. Dann kommt noch die politische Dimension hinzu, dass es andere Wahlkämpfe parallel im Land gibt und dann ist es einfach der nationalen Partei überlassen, wie sie ihre Kampagnenstrategie machen.
Wie hoch ist denn Ihr Budget für die europäische Dachkampagne?
Unser Etat ist eine Million Euro.
Wie wollen Sie mit so geringem Budget europaweiten Wahlkampf betreiben? Der Etat der Grünen in Deutschland alleine liegt bei 1,6 Millionen Euro.
Man kann mit geringem Budget Wahlkampf betreiben. Das sieht man auch an den Online-Elementen der Kampagne. Die Entwicklung des Online-Tools hat 2000 Euro gekostet. Aber es ist für mich der stärkste Ausdruck unserer europaweiten Kampagne, die zeigt, wie viele Unterstützer diese Kampagne hat. Knapp 3000 Bilder wurden damit in ganz Europa erstellt.
Warum sind das nicht mehr?
Andere Parteien haben so eine europaweite Kampagne nicht. Deswegen müssen wir sagen, dass wir da schon am fortschrittlichsten sind. Es wird dauern, bis in Europa die gleichen Plakate hängen, aber das hängt damit zusammen, dass es 28 nationale Wahlen sind. Gewählt wird eine nationale Partei, nationale Kandidaten. Da muss eine Verbesserung stattfinden, damit Sie wirklich eine Europäisierung dieser Wahlen erleben können.
Warum gibt es überhaupt eine Dachkampagne?
Die Dachkampagne ist für uns wichtig, weil wir glauben, dass wir damit zeigen können, dass wir Grüne europäische Themen auch auf europäischer Ebene lösen wollen. Wir wollen mit der gemeinsamen Kampagne zeigen, dass Grüne über Grenzen hinweg in Europa kooperieren. Die Grünen müssen im Europäischen Parlament zusammenarbeiten und eine eigene Position erarbeiten, um dann auch Abstimmungen gegenüber den anderen zu gewinnen und durchzusetzen.
Johannes Hillje, Jahrgang 1985, ist Kampagnenmanager der Grünen im Europäischen Parlament. Im Mai 2014 hat er seinen Job bei den europäischen Grünen angetreten. Dort entwickelt er in Abstimmung mit den 33 Repräsentanten der einzelnen Mitgliedsparteien der Grünen Partei die Kampagne.
Das Interview führte Sabrina Pabst.