Hillary Clintons beredtes Schweigen
10. Juni 2014Zahllose Interviews, Talkshows und Signierstunden im ganzen Land: Die PR-Maschinerie um Hillary Clintons Autobiographie "Hard choices" ("Entscheidungen"), die am Dienstag (10.06.2014) erschienen ist, läuft auf Hochtouren. Dabei lässt sich die frühere US-Außenministerin auch zu zahlreichen pikanten Details ihres bewegten Lebens befragen - wie etwa zu der noch immer gegenwärtigen Affäre ihres Mannes im Weißen Haus mit der Praktikantin Monica Lewinsky ("Ich wünsche ihr alles Gute"), ihr Alter von 68 Jahren ("Ist es nicht wunderbar?") oder ihre Geldprobleme nach der Zeit im Weißen Haus ("Wir waren nicht nur richtig pleite, sondern hatten Schulden").
Doch auf eine der drängendsten Fragen scheint es weder vor den Fernsehschirmen noch im Buch eine Antwort zu geben: Wird Clinton erneut um das Präsidentschaftsamt kandidieren? Die ehemalige First Lady weiß, dass sich viele darüber seit Wochen den Kopf zerbrechen. "Ob ich 2016 für die Präsidentschaft kandidieren werde", sei die Frage, die sie am häufigsten höre, schreibt sie in Hard Choices. "Die Antwort lautet: Ich habe mich noch nicht entschieden." Auch einen Zeitpunkt für eine endgültige Entscheidung nennt sie nicht.
Schon einmal hatte sie den Kampf um das Weiße Haus aufgenommen - und ist letztlich parteiintern an Barack Obama gescheitert. Für Experten ist klar: Mit diesem Buch will sie sich erneut für das Amt und den Wahlkampf wappnen. Denn die Autobiographie enthält neben zahlreichen Erinnerungen zu ihren vier Jahren als Außenministerin auch Ansichten auf das heutige Weltgeschehen und die internationale Politik. Die "New York Times" erklärt, dass ihr Buch "staatsmännisch" sei und darauf abziele, "Clintons weitreichende Erfahrungen in Nationaler Sicherheit und der Außenpolitik herauszustellen". Die "Washington Post" nennt Hard Choices ein "Kampagnen-Buch".
Ein Buch als taktische Offensive
Für die Clinton-Biographin Christiane Oppermann ist die Frage nach Clintons Absichten zwar "Kaffeesatzleserei". Doch immerhin habe die Spitzenpolitikerin mit dem Schriftstück einen wichtigen Schachzug vorgenommen, sagt sie. Denn gleich zu Beginn ihres Buches räumt sie Fehler aus ihrer Amtszeit ein - und versucht so, politischen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen. So sei es "ein Fehler" gewesen, im Jahr 2002 als Senatorin für den US-geführten Irak-Krieg zu stimmen, schreibt Clinton. "Ich handelte damals in gutem Glauben und auf Basis aller mir vorliegenden Informationen. Trotzdem lag ich schlicht und einfach falsch."
Auch der Angriff auf die US-Botschaft im libyschen Bengasi könnte ihr noch "nachhängen", glaubt Oppermann. Clinton wurde damals vorgeworfen, die Gefahr unterschätzt und verharmlost zu haben. Bei dem Angriff im Jahr 2012 kamen vier Amerikaner, darunter auch der Botschafter, ums Leben. Doch auch dieses Kapitel findet Platz in Hard Choices. Für Journalistin Oppermann ist das ebenfalls eine taktische Entscheidung. "Über das Bekannte kann schlecht gestritten werden", sagt Oppermann. "Trotzdem werden die Republikaner das ausnutzen, das ist überhaupt keine Frage." Aber: Mit diesen Kapiteln hat Clinton nicht nur Fehler bereits im Vorfeld eines möglichen Wahlkampfes zugegeben, sie hat auch die Themen an sich gesteckt. Doch zu heute Heiklem - wie etwa dem Überwachungsskandal der NSA oder dem umstrittenen Drohnen-Einsatz - hält sie sich bedeckt.
"Bewunderung für Merkel"
Stattdessen wird auch die deutsche Politik von Clinton ins Visier genommen - doch für Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Clinton ausschließlich warme Worte übrig. "Während meiner Zeit als Außenministerin wuchs meine Bewunderung für diese entschlossene, kluge und ehrliche Frau, die mir gegenüber nie verhehlte, was sie dachte", so Clinton. Kennengelernt hatte sie Merkel bereits 1994, als sie als First Lady an der Seite ihres Ehemanns und des damaligen Präsidenten Bill Clinton nach Berlin reiste. Als eine "junge Frau, die es noch weit bringen wird" sei ihr die CDU-Politikerin damals vorgestellt worden.
Seit dieser Zeit hatte sie nach eigener Aussage mit der Bundeskanzlerin Kontakt gehalten. Vor allem bei Themen wie Gesundheit und Umwelt habe Merkel den "ehrwürdigen" Männerclub in Europa aufgewirbelt. "Es war herzerfrischend zu beobachten, wie Angela Leben in die Bude brachte." Auch für Merkels Verhalten in der Eurokrise fand Clinton lobende Worte und attestierte ihr eine "unbeirrbare Entschlossenheit." Eine Frau als Staatschef einer großen Landes - aus Sicht der Clinton-Biographin Christiane Oppermann spielt auch Merkels Geschlecht eine wichtige Rolle für die offen gezeigte Sympathie. Für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur kann das nicht schaden.