Milliarden bei Syrien-Geberkonferenz zugesagt
30. Juni 2020Eine Geberkonferenz für Leidtragende des syrischen Bürgerkriegs hat nach EU-Angaben Hilfszusagen in Höhe von 6,9 Milliarden Euro erbracht. 4,9 Milliarden Euro davon seien für das laufende Jahr bestimmt, sagte der für Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic. Er begrüßte, dass die Geberländer trotz der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu umfangreichen Spenden bereit gewesen seien. Zusätzlich hätten Geber und internationale Finanzinstitutionen Darlehen zu Vorzugskonditionen in Höhe von sechs Milliarden Euro angekündigt.
Allein die Europäische Union sagte aus dem Gemeinschaftshaushalt 2,3 Milliarden Euro zu. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wies darauf hin, dass mehr als sechs Millionen Syrer vor der Gewalt aus ihrer Heimat ins Ausland geflohen seien. Zudem gebe es Millionen Binnenflüchtlinge.
1,6 Milliarden Euro aus Deutschland
Die Bundesregierung sagte Hilfen in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro zu. "Zwar können wir uns kaum die Qualen vorstellen, die das syrische Volk durchleiden muss. Aber es ist unsere Pflicht, dieses Leid zumindest zu lindern", sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) in einer Video-Botschaft. Er warb dafür, die UN-Resolution 2504 zu verlängern, die Hilfslieferungen nach Syrien gewährleistet. "Das Leben von Millionen Menschen" hänge davon ab, dass Hilfslieferungen über die Türkei und den Irak nach Syrien gelangten.
Auf der Online-Konferenz, die die EU-Kommission und die Vereinten Nationen organisierten, berieten Vertreter von mehr als 80 Staaten und Organisationen über neue Hilfen für die Opfer des Bürgerkrieges. Es handelte sich um die vierte Brüsseler Konferenz, bei der für Betroffene in Syrien sowie Flüchtlinge und Gastgeber in den Nachbarländern gesammelt wurde. 2019 wurden rund 8,6 Milliarden Euro zugesagt. 2,4 Milliarden Euro davon waren laut EU für 2020 und die Folgezeit gedacht. Ob und gegebenenfalls inwieweit sie sich mit den am Dienstag gegebenen Zusagen überschnitten, ist unklar.
Lob für Nachbarstaaten
Mehrere Teilnehmer der Konferenz würdigten die großen Lasten, die Syriens Nachbarstaaten tragen, namentlich Libanon, Jordanien und die Türkei. Der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses im Europaparlament, Tomas Tobé, wies darauf hin, dass Geld allein noch keine Hilfe garantiere. Auch der sichere Zugang für humanitäre Organisationen müsse gewährleistet sein.
Die Konferenz wollte auch ein neues Signal zur Beendigung des in sein zehntes Jahr gehenden Bürgerkriegs senden. Es müsse eine umfassende und dauerhafte politische Lösung des Konflikts gefunden werden, mahnten unter anderen Außenminister aas, der EU-Außenbeauftragte Borrell und UN-Generalsekretär António Guterres. So forderte Borrell mehr "Druck auf das Regime" in Damaskus, um Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Konflikts zu ermöglichen.
Oxfam: Zusagen reichen nicht
Kritik kam von der Hilfsorganisationen Oxfam. Die Zusagen der Regierungen bei der Geberkonferenz reichten nicht aus, "um die Krise in Syrien zu bewältigen, wo eine Million Menschen im Land vom Hungertod bedroht sind", erklärte die Organisation. "Es ist schockierend, dass die internationale Gemeinschaft (...) die Dringlichkeit der Situation nicht erkannt hat."
Seit dem Beginn des Syrien-Konflikts 2011 wurden mehr als 380.000 Menschen getötet. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung wurde innerhalb des Landes vertrieben oder ist in Nachbarländer geflohen. Alle Versuche, einen politischen Übergang auf den Weg zu bringen, scheiterten bisher. Die Regierung von Staatschef Baschar al-Assad beherrscht mittlerweile wieder rund zwei Drittel des Landes, darunter die wichtigsten Städte.
Wirtschaftskrise spitzt sich zu
Seit dem Beginn einer von den Schutzmächten Russland und Türkei vereinbarten Waffenruhe für das letzte große Rebellengebiet Idlib im Nordwesten des Landes hat sich die Lage dort beruhigt. Dennoch warnen Beobachter, die Gewalt dort könne jederzeit wieder eskalieren. Derzeit sorgt eine schwere Wirtschaftskrise für zusätzliche Not. Das syrische Pfund hat in den vergangenen Monaten massiv an Wert verloren. Die Corona-Pandemie und neue US-Sanktionen haben die Lage weiter verschärft. Nach Angaben der EU waren zuletzt 11,7 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Mit den deutschen Hilfsgeldern sollen nach Angaben von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller nicht nur der Hunger, sondern auch Perspektivlosigkeit bekämpft werden. Seit 2016 habe man für 360.000 Menschen kurzfristig Jobs in mehreren Nachbarländern schaffen können, erklärte der CSU-Politiker. Zudem könnten 750.000 syrische Kinder, die in diesen Ländern Zuflucht gefunden hätten, durch die deutsche Unterstützung wieder zur Schule gehen. "Damit leisten wir unseren Beitrag, dass keine verlorene Generation in diesem furchtbaren Konflikt heranwächst."
kle/wa (epd, afp, dpa)