Grütters: Hilfe für Deutschlands Kulturfrauen
18. Juli 2017Als Kanadas Premierminister Justin Trudeau vor zwei Jahren sein Kabinett präsentierte, das erstmals in der Geschichte des Landes aus ebenso vielen Frauen wie Männern bestand, wurde er von einem Reporter gefragt, warum ihm die Geschlechterparität so wichtig sei. Er antwortete schlicht: "Weil es 2015 ist." Seine Antwort erregte weltweit Aufmerksamkeit - und sie hat eine neue Initiative für Geschlechtergleichheit in Kultur und Medien in Deutschland zu ihrem Motto inspiriert: "Weil es 2017 ist!"
Doch obwohl heute wahrscheinlich jeder zustimmen würde, dass es an der Zeit für Geschlechtergleichheit ist, zeichnen die Fakten ein anderes Bild. Eine vom Kulturstaatsministerium im vergangenen Jahr präsentierte Studie über die Situation von "Frauen in Kultur und Medien" zeigt, dass Künstlerinnen und Frauen, die in kulturellen Einrichtungen arbeiten, auf verschiedenen Ebenen stark benachteiligt werden.
Projektbüro für Chancengleichheit
Zum Beispiel wurden in Deutschland zum Zeitpunkt der Studie nur ein Drittel aller Museen und 22 Prozent der Theater von Frauen geleitet. Obwohl mehr als die Hälfte der Kunststudierenden Frauen sind, werden die Arbeiten von weniger als 20 Prozent von ihnen in Galerien ausgestellt. Dazu verdienen Frauen, die im kulturellen Bereich arbeiten, durchschnittlich 24 Prozent weniger als ihre Kollegen. Das ergab eine Auswertung der Daten von Mitgliedern der Künstlersozialkasse, der unterschiedliche Berufsgruppen, die freiberuflich tätig sind, angehören, darunter Künstler, Autoren oder Publizisten.
Als Reaktion auf diese Studie hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters im vergangenen Jahr einen Runden Tisch mit dem Titel "Frauen in Kultur und Medien" ins Leben gerufen, um mögliche Lösungen zu diskutieren. Nach vier Treffen mit Frauen aus verschiedenen künstlerischen Bereichen - bildende Kunst, Musik, Literatur, darstellende Kunst, Film und Medien - hat Grütters am Montagabend (17.07.2017) zur Abschlussveranstaltung ins Berliner Bundeskanzleramt eingeladen, um die Maßnahmen vorzustellen, "mit denen die Ergebnisse des Runden Tisches in die Praxis umgesetzt werden sollen", wie sie sagte.
"Was Kultur- und Kreativfrauen brauchen, sind bessere Aufstiegschancen, mehr Mitsprache in Gremien und Jurys, faire Bezahlung und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie", fügte sie hinzu. Als konkrete Maßnahme zum Erreichen dieser Ziele kündigte Grütters an, dass Anfang August im Deutschen Kulturrat ein Projektbüro als Anlauf- und Beratungsstelle für das Thema Chancengleichheit in der Kreativbranche eröffnet werde.
Eine Datenbank für mehr Ausgewogenheit
Das Projektbüro soll eine Datenbank mit Künstlerinnen und Leiterinnen kultureller Einrichtungen erstellen. Es soll Festival- und Eventmanager ermutigen, nach Geschlechtern ausgewogene Jurys und Gremien auszuwählen. Wenn eine Filmjury aus 28 Männern und zwei Frauen bestehe, dann gebe es offensichtlich ein Problem, sagte Grütters. Sie bezog sich damit auf eine Jury, in der Christine Berg, stellvertretende Vorsitzende der deutschen Filmförderungsanstalt, kürzlich Mitglied war.
Das Argument, dass zu wenige prominente Expertinnen für Diskussionen und Talkshows zur Verfügung stünden, dürfe nicht als Entschuldigung dienen, sagt Fernseh-Talkmasterin und Produzentin Bettina Böttinger. Sie lädt seit Jahrzehnten genauso viele Frauen wie Männer in ihre Talkrunden ein. "Das fiel vor zwanzig Jahren noch stark auf", sagte sie der DW. "Heute ist es immer noch nicht normal; in Talkshows gibt es noch oft einen Männerüberhang."
"Subtile Form von Diskriminierung"
Auch Maria Furtwängler, in Deutschland vor allem als Kommissarin des "Tatorts" aus Hannover bekannt, sieht dieses Ungleichgewicht als Problem: "Frauen sind halb so oft sichtbar in den öffentlichen Medien, im Film. Sie werden immer mehr unsichtbar, wenn sie älter werden: Das ist eine subtile Form von Diskriminierung, die mich empört", sagte sie gegenüber der DW.
Die neue Datenbank soll außerdem Stipendien und Mentoring-Programme fördern. Dies sei ein wichtiges Anliegen des Runden Tisches gewesen, erklärte Diskussionsteilnehmerin Ilona Schmiel, Intendantin des Tonhalle Orchesters Zürich: "Wie können wir Frauen finden, die wir als Mentorinnen begleiten, und wie können wir für sie spezielle Programme entwickeln?"
Auch die Bundesregierung werde die neue Datenbank nutzen, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters: "Wir kommen nur voran, wenn wir Defizite klar benennen und durch harte Fakten untermauern können."
Prominente Kulturschaffende setzen sich ein
Im Anschluss an ihre Rede holte Grütters 37 prominente Vertreter aus Medien und Kultur - 20 Frauen und 17 Männer - auf die Bühne und bat sie, darüber zu berichten, was sie persönlich unternehmen, um die Situation für Frauen zu verbessern.
Untere anderem kündigte Gereon Sievernich, Direktor des Berliner Museums Martin-Gropius-Bau, an, mehr Ausstellungen mit Künstlerinnen zu fördern. Außerdem will der Deutsche Musikrat im kommenden Oktober einen Stufenplan zur Geschlechtergerechtigkeit auf den Weg bringen, erklärte der Generalsekretär des Rates, Christian Höppner.
"Mich freut, dass diese Initiative solche Wellen schlägt, dass sie immer mehr Leute auf den Plan ruft, Männer und Frauen, die sich selbst verpflichten, und zwar vor Publikum, etwas in ihrem Zuständigkeitsbereich zu verbessern", sagte Grütters DW nach der Veranstaltung.
Eines ihrer Lieblingszitate aus der Arbeit am Runden Tisch sei ein Aphorismus von Kurt Tucholsky: "Es gibt keinen Erfolg ohne Frauen." Er schrieb ihn im Jahr 1931. Jetzt, im Jahr 2017, ist es Zeit, dass Frauen für ihre Arbeit endlich öffentlich anerkannt werden.