Helfer auf der "Ocean Viking"
25. Februar 2020Illina Angelova blickt von der Reling der "Ocean Viking" hinab auf das Dock. Die armdicken Taue des Rettungsschiffes von "Ärzte ohne Grenzen" und "SOS Mediterranee" werden festgemacht - von sizilianischen Hafenarbeitern, die von Kopf bis Fuß in weiße Schutzkleidung eingehüllt sind. An diesem Montag bekam das 70 Meter lange Schiff die Erlaubnis, an einem der Außenposten des Hafens von Pozzallo festzumachen. Am Dienstagmorgen jedoch machten sie diese Entscheidung wieder Rückgängig: Die Ocean Viking muss wieder einige Seemeilen entfernt von der Küste vor Anker gehen.
Illina Angelova, die aus Sofia stammt und jetzt für "Ärzte ohne Grenzen" als "Humanitarian Affairs Officer" arbeitet, freut dies ebenso wie die anderen Helfer an Bord. Denn die "Ocean Viking" musste, nachdem ihre Besatzung unter Quarantäne gestellt worden ist, dreieinhalb Seemeilen vor der Küste Anker legen. Doch auf dem Meer zieht ein Sturm auf, deshalb durfte das Rettungsschiff in den Hafen fahren. Hier ist es ruhiger. Die Anordnung, die "Ocean Viking" für voraussichtlich zwei Wochen unter Quarantäne zu setzen, ist eine Folge der Ausbreitung des Corona-Virus in Italien, eine Vorsichtsmaßnahme.
Illina Angelova ist Teil des Rettungsteams, das in der letzten Woche 274 Menschen, die sich von Libyen aus auf dem Seeweg nach Europa gemacht haben. Die Flüchtlinge gerieten in Not, wären möglicherweise ertrunken, wenn das Team von "Ärzte ohne Grenzen" und "SOS Mediterranee" sie nicht gerettet hätten. Manchmal unter dramatischen Verhältnissen, etwa bei hohem Wellengang und starkem Wind. Auf der "Ocean Viking" wurden sie medizinisch betreut, bekamen Essen und Getränke, neue Kleidung, Spielzeuge für die Kinder; alle Überlebenden fanden kompetente Ansprechpartner.
Eine davon ist Illina Angelova. Zu ihren Aufgaben gehört es, Interviews mit den Überlebenden zu führen, zuzuhören. Sie kennt die Schicksale der Menschen, die es auf der "Ocean Viking" schafften. "Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, einen anderen Job zu machen," sagt sie sichtbar zufrieden.
Wie es dazu kam?
Schon früh begann sie sich für Menschenrechtsfragen zu interessieren. Als 23-Jährige arbeitete sie in Beirut für die Nichtregierungsorganisation "Human Rights Watch". Ihre Aufgabe: Ein Interview mit einem Syrer, der Zeuge wurde von einem Chemiewaffenangriff. "Ich führte das Gespräch per Skype, der Mann war noch in Syrien", erinnert sie sich. "Das Gespräch über die Gräueltaten machte mich traurig." Und so beschloss sie, sich zu engagieren und für Menschenrechtsorganisationen zu arbeiten. Sie spricht neben Bulgarisch auch Englisch, Französisch, Italienisch und Arabisch. Sie hat im britischen Cambridge und Paris Politik und Philosophie studiert.
Ihre Eltern in Sofia unterstützen sie bei ihrer Arbeit. "Manchmal, wenn ich in Krisenregionen unterwegs bin, machen sie sich Sorgen," meint sie. Doch hier an der Anlegestelle in Pozzallo besteht dafür kein Grund. Die "Ocean Viking" wird rund um die Uhr bewacht.