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Der Handschriften-Retter aus Timbuktu

Sandrine Blanchard6. Oktober 2014

Als Islamisten begannen, die Kulturschätze der nord-malischen Stadt Timbuktu zu zerstören, riskierte Abdel Kader Haidara sein Leben. Er rettete hunderttausende Manuskripte. Dafür ehrt ihn nun auch Deutschland.

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internationales Strategietreffen zum Erhalt der Timbuktu-Handschriften
Bild: DW/Stefanie Duckstein

Abdel Kader Haidara lächelt freundlich. In seinem grünen traditionellen Gewand strahlt dieser Mann Ruhe aus. Doch der Leiter der privaten "Bibliothèque Mama-Haidara" in Timbuktu ist zu allem bereit, um die wertvollen Manuskripte seiner Region zu retten - selbst unter Lebensgefahr. "Dabei geht es gar nicht um mich persönlich", sagt Haidara. "Ich habe bloß meine Rolle gespielt. Wir wissen, wie wichtig dieses Kulturerbe ist, und wie zerbrechlich. Ist ein Manuskript erst einmal zerstört, ist es weg." Ein Gebäude könne man wieder aufbauen, meint Haidara, eine Handschrift und ihr Wissen seien hingegen für immer verloren. "Deshalb habe ich mich aufgeopfert. Nicht für mich Haidara, nicht nur für Mali, sondern für die gesamte Menschheit."

Abdel Kader Haidara, Leiter der "Bibliothèque Mama-Haidara" in Timbuktu
Abdel Kader Haidara, Leiter der "Bibliothèque Mama-Haidara" in TimbuktuBild: DW/Stefanie Duckstein

In den vergangenen anderthalb Jahren hat Haidara knapp 500.000 Manuskripte vor der Zerstörungswut der Islamisten gerettet. Dafür zeichnete ihn die Deutsche Afrika Stiftung in Berlin am Montag (06.10.2014) mit dem Afrika-Preis aus. "Das ist eine große Ehre, nicht nur für mich", reagiert Haidara bescheiden auf die Anerkennung. "Sondern auch für alle Leute, die mit mir gearbeitet haben. Es ist eine große Ehre für das Land Mali. Und das macht mich sehr stolz."

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier ließ sich bereits im Juni bei einem Besuch Haidaras in Berlin einige der Original-Handschriften erklären. "Ich habe großen Respekt vor dem, was Sie getan haben" war Steinmeier beeindruckt. "Deshalb bin ich sehr froh mit vielen Menschen in ihrem Land, dass Sie dieses Erbe für die Zukunft in Ihrem Lande gerettet haben." Das sei eine große Leistung von Haidara und seinen Helfern, die den Mut gehabt hätten, in dieser schwierigen Situation diese Literatur zu retten, so Steinmeier weiter.

Mali Timbuktu Ahmed-Baba-Zentrum (Foto: Jordi Cami/Getty Images)
Jahrhundertealte Manuskripte aus Timbuktu lagern jetzt in BamakoBild: Jordi Cami/Cover/Getty Images

"Afrika hat eine Schriftkultur"

Die ältesten Manuskripte sind aus dem 11. und 12. Jahrhundert, aus einer Zeit, als Timbuktu eine wichtige Metropole an der Kreuzung vieler Handelsrouten war. Eine Stadt regen kulturellen Austauschs, wo sich die größten Intellektuellen der arabischen und muslimischen Welt trafen - und ihre Schriften hinterließen. Die jüngsten Manuskripte stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert, als Mali französische Kolonie war. In dieser Zeit hatten die Inhaber der Handschriften ihre Schätze vor den europäischen Besatzern versteckt. So waren die Schriften in Vergessenheit geraten.

Erst als Mali 1960 unabhängig wurde, entdeckte die Welt mit Hilfe der UNESCO diese historischen Zeugnisse wieder. "Viele Leute waren überrascht, denn sogar in den Schulen wurde erzählt, dass es in Afrika keine schriftlichen historischen Zeugnisse gibt", erklärt Abdel Kader Haidara. "Doch haben wir hunderttausende von diesen Handschriften - auf Arabisch, aber auch in afrikanischen Sprachen."

Ahmed Baba Institut in Timbuktu Mali ARCHIVBILD
Eine zentrale Bibliothek, das Ahmed Baba Institut in Timbuktu, vor der Plünderung durch Islamisten 2013Bild: dapd

Die Zeit, Insekten und Islamisten

Bis 2012 konnte Haidara hunderttausende Manuskripte registrieren. Über seine Nichtregierungsorganisation SAVAMA-DCI bemühte er sich, die alten Dokumente vor Verfall und Insekten zu schützen. Doch ab 2012 lauerte eine noch größere Gefahr: Islamistische Rebellen der Mujao besetzten Timbuktu und verbreiteten Angst und Schrecken in der Stadt. Als die bewaffneten Islamisten anfingen, historische Mausoleen zu zerstören, verstand Haidara sofort: Die Handschriften sind bedroht.

Er kontaktierte die Familien, die Manuskripte in ihrem Besitz hatten, und internationale Partner - darunter die deutsche Botschaft in Mali - um die Manuskripte in der Hauptstadt Bamako in Sicherheit zu bringen. Diese Aktion war lebensgefährlich, denn die Manuskripte sollten über tausend Kilometer gen Süden bis zur Hauptstadt Bamako transportiert werden, ohne den Islamisten in die Hände zu fallen.

"Wir holten die Manuskripte in der Nacht. Wir versteckten sie in gewöhnlichen Metallkisten, die wir unter Handelswaren auf Pirogen und in Bussen versteckten", erinnert sich Sane Chirfi Alpha. Als Mitgründer von SAVAMA-DCI war auch er an der abenteuerlichen Evakuierung von etwa 491.000 Manuskripten beteiligt. Die Details dieser Erfolgsgeschichte wird nicht einmal Außenminister Frank-Walter Steinmeier von Abdel Kader Haidara erfahren. "Es gibt Sachen, die ich erzählen kann, andere müssen geheim bleiben." Der Malier hat 2012 auch in der Schweiz Rat von Experten geholt, die mit ähnlichen Situationen in Afghanistan oder dem Irak vertraut waren. Sie rieten ihm, nicht alle Einzelheiten der Operation zu verraten, damit künftige hochriskante Rettungsaktionen auch gelingen können.

Bildergalerie Timbuktu Restauration jahrhundertealter Manuskripte
Bild: CSMC

Eine neue Bibliothek in Bamako?

Die geretteten Handschriften werden nun in Bamako aufbewahrt. Doch nach den Islamisten sind die historischen Manuskripte jetzt einer anderen Bedrohung ausgesetzt: der Luftfeuchte der Hauptstadt Bamako. Die Art der jetzigen Aufbewahrung - in Metallkisten aufeinander gestapelt - würde die alten Papiere auf Dauer beschädigen. Deshalb brauchen die Malier die internationale Unterstützung mehr denn je.

Mit Hilfe der Düsseldorfer Gerda-Henkel-Stiftung organisierte die deutsche Bundesregierung ein Strategietreffen (18.-19.0614) zu Timbuktu. Nach der physischen Rettung der Manuskripte werden auch deutsche Experten der der Digitalisierung und Auswertung der Handschriften mithelfen. Die anstehenden Restaurierungsmaßnahmen auch finanziell zu unterstützen unter anderem Dubai oder die Schweiz. Auswärtiges Amt und die Düsseldorfer Gerda-Henkel-Stiftung versprachen bereits eine Beteiligung mit jeweils 500.000 Euro.