Besseres Trinkwasser mit digitaler Düngung?
18. Juli 2017Deutschland hat ein großes Problem mit Gülle. Jedes Jahr bringen Landwirte auf den Feldern viel mehr davon aus der Tierhaltung aus, als Pflanzen und Böden aufnehmen können. Besonders in Regionen mit großer Massentierhaltung, mit Weideland, Obst- und Gemüseanbau führt das zu einer zunehmenden Belastung des Trinkwassers mit giftigem Nitrat.
"Nitrat ist gefährlich im Körper, vor allem bei Säuglingen, weil es den Transport von Sauerstoff im Blut beeinträchtigt", sagt der Toxikologe Alexander Eckhardt vom Bundesumweltamt (UBA). "Deshalb ist es wichtig, dass die Grenzwerte im Trinkwasser eingehalten werden, denn Säuglinge sind die ersten, die geschädigt werden." Darüber können aus Nitrat Nitrosamine entstehen, und diese stehen in Verdacht krebserregend zu sein.
Der festgelegte EU-Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter im Grundwasser wird in Deutschland seit Jahren überschritten und eine Verbesserung ist nicht in Sicht. Die EU hatte deshalb im November 2016 Klage gegen Deutschland vor dem europäischen Gerichtshof eingereicht. Der Vorwurf: Versäumnisse beim Grundwasserschutz.
Laut UBA ist inzwischendie Nitratbelastung auf über 27 Prozent der deutschen Flächen zu hoch. Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wurden bei einigen Messungen sogar Werte von bis zu 400 Milligramm Nitrat pro Liter erreicht.
Zeitbombe im Boden
Wasserwerke und Umweltexperten schlagen Alarm und fordern eine Landwirtschaft, die Böden und das Wasser schützt. Wasserversorger versuchen bereits heute, das Wasser mit unterschiedlichen Maßnahmen zu verbessern. Sie pachten Flächen über Trinkwasserbrunnen, damit dort keine Gülle oder Pestizide die Böden verunreinigen. Sie erschließen neue unbelastete Brunnen und mischen belastetes mit unbelastetem Wasser. Unterm Strich zahlen die Verbraucher über den Trinkwasserpreis für die Verunreinigungen aus der Landwirtschaft.
Doch derartige Maßnahmen werden in Zukunft in hochbelasteten Regionen nicht mehr ausreichen, um den Nitratwert im Trinkwasser niedrig zu halten. In einigen Gebieten könnte es nach Angaben der Wasserwirtschaft bald nötig sein zusätzliche Ultrafiltrationsanlagen einzusetzen. Der Aufwand ist entsprechend hoch und lässt die Wasserpreise sehr kräftig steigen.
Laut einer aktuellen Studie des UBA könnte die Reinigung von nitratbelastetem Grundwasser in Deutschland zukünftig zwischen 580 und 767 Millionen Euro pro Jahr insgesamt kosten. Die Studie geht davon aus, dass die Trinkwasserpreise durch die zusätzliche Reinigungskosten um 32 bis 45 Prozent steigen könnten. Eine vierköpfige Familie müsste dann bis zu 134 Euro im Jahr zusätzlich bezahlen.
Experten sprechen inzwischen auch von einer Zeitbombe im Boden, weil die Verunreinigung durch die Landwirtschaft ein langanhaltender Prozess ist. Oft dauert es Jahrzehnte bis Gifte vom Acker ins Grundwasser gelangen. "Heute finden wir zum Beispiel Pflanzenschutzmittel im Grundwasser, die schon seit 1991 verboten sind", erklärt Markus Peters vom Bayrischen Bauernverband gegenüber der Deutschen Welle.
Langfristig drohe deshalb die Gefahr, dass auch später noch 'immense Nitratfrachten an den Trinkwasserbrunnen ankommen", warnt der BDEW. "Es kann nicht sein, dass die Wasserwirtschaft zum Reparaturbetrieb für Verschmutzung wird, die sie nicht zu verantworten hat", sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Martin Weyand. "Die Verursacher müssen ihren Beitrag leisten, um die Gewässer wirksam zu schützen."
Appell an die Politik
Nach zähem Ringen hat die deutsche Regierung im Frühjahr strengere Regeln für die Düngung beschlossen. Dazu gehören Obergrenzen für Stickstoffeinträge in Gebieten mit kritischen Wasserwerten.
Umweltschützern und den Wasserversorgern gehen die Regeln jedoch nicht weit genug. Die Politik nehme in Kauf, "dass unsere Böden weiter mit Unmengen an Nitrat belastet werden und sich die Qualität unserer Gewässer stetig verschlechtert", sagt Weyand.
Auch würde die EU-Richtlinie zum Schutz der Wasserqualität mit diesen "laschen Vorgaben und zahlreichen Ausnahmeregelungen" nicht ausreichend umgesetzt . "Mit dieser halbherzigen Gesetzgebung würde die Politik zudem Strafzahlungen in Milliardenhöhe an die EU riskieren. Am Ende würde das auf die Steuerzahler zurückfallen", so Weyand.
In einem gemeinsamen Appell an die Bundesregierung und die EU-Kommission fordern Wasserwirtschaft, Umweltverbände und eine große deutsche Gewerkschaft dringend Nachbesserungen und einen sofortigen Dünge-Stopp in belasteten Gebieten, wo die Grenzwert im Grundwasser schon überschritten werden.
Darüber hinaus fordern sie, dass Subventionen in Höhe mehrerer Milliarden Euro für die großindustrielle Agrarwirtschaft zugunsten einer Gewässer- und umweltverträglichen Landwirtschaft umgeschichtet werden.
Ist digitales Düngen eine Lösung?
Landwirte können inzwischen mit digitalen Sensoren an ihren Traktoren die Düngung der Felder mit synthetischem Kunstdünger steuern. Der Einsatz von Kunstdünger lässt sich mit dieser Technik reduzieren und der Ertrag für den Landwirt optimieren.
Für die Düngung mit Gülle funktioniert diese Technik jedoch nicht, erklärt Thomas Berger, von Europas größtem Agrarhandelskonzern Baywa in München, gegenüber der Deutschen Welle.
Und Christian Rehmer, Leiter der Agrarpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz stimmt zu: Da vor allem die Düngung mit Gülle das Grundwasser belaste, helfe diese Sensorentechnik hier nicht weiter, sagte ger gegenüber der Deutschen Welle.
Hilfreich sei allein eine Verschärfung des Düngerechts und wirksame Kontrollen auf den Höfen, damit die Regeln auch eingehalten werden. Insgesamt dürfe nicht mehr Gülle oder Kunstdünger in die Böden eingebracht werden, als die Pflanzen auch aufnehmen können. "Da jedoch die industrielle Tiermast weiter zu viel Gülle und damit Dünger erzeugt, bleibt aber das Grundproblem für den Gewässerschutz bestehen", so Rehmer.
Umweltverbände, Kleinbauern, Tierschützer und Umweltpolitiker verlangen deshalb auch eine schnelle Abkehr von der Massentierhaltung. Nur so könne eine zunehmende Verunreinigung der Gewässer in Deutschland wirksam verhindert werden.
Die Ausrichtung der Fleisch- und Agrarproduktion auf den Export habe gravierende Folgen für Tiere, Böden und Trinkwasser und sei Ausdruck einer "fehlgeleiteten Agrarpolitik der Bundesregierung", sagt die Grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt: "Wir brauchen endlich weniger Pestizide und weniger Gülle auf den Äckern."