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Politik

König Leopold II. und Xi Jinping

Alexander Görlach
7. Juli 2020

Vielerorts werden wir gegenwärtig Zeugen, wie mit Diktatoren und Rassisten längst vergangener Epochen abgerechnet wird. Widerstand gegen jene, die heute Vergleichbares tun, ist hingegen selten, meint Alexander Görlach.

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DW Zitattafel | Alexander Görlach

Der belgische König Leopold II. gehört zu den grausamsten Akteuren eines perversen, gewalttätigen und mörderischen Kolonialismus. Der Monarch machte aus dem besetzten Kongo seinen Privat-Kerker, in dem die Menschen ausgebeutet, drangsaliert und entwürdigt wurden. Joseph Conrads Buch "Herz der Finsternis" beschreibt das Wüten Seiner Majestät. Kaum jemand wird daran zweifeln, dass so einer Person heute keine Denkmäler mehr gebühren.

Das Magazin Foreign Policy berichtet, dass dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und seiner Nomenklatura weitere Finessen eingefallen sind, um die bereits heftig unterdrückten und eingesperrten Uiguren im Nordwesten seines Landes weiter zu unterdrücken: Peking hat laut Foreign Policy angeordnet, zwischen 14 und 34 Prozent der Frauen zwischen 18 und 49 Jahren sterilisieren zu lassen. Damit soll die muslimische Minderheit dezimiert werden und perspektivisch einer noch größeren Zahl von Menschen der Han-Ethnie unterlegen sein.

Erinnerung an die schlimmsten Kapitel der Geschichte

Dies erinnert an die Eugenik der schlimmsten Kapitel der Geschichte und sollte eigentlich dazu führen, dass die freie Welt gegenüber dem chinesischen Autokraten Xi andere Saiten aufzieht. Schon lange ist bekannt, dass bis zu zwei Millionen Menschen, uigurische Muslime, in Lagern einsitzen, die auf Xi Jinping zurück gehen. In an die New York Times geleakten Dokumente aus dem Inneren der Kommunistischen Partei wird der Diktator damit zitiert, "keine Gnade" gegenüber den Uiguren walten zu lassen.

DW Investigativ Projekt: Uiguren Umerziehungslager in China
Diese Satelliten-Aufnahmen zeigen, wie stark einzelne Umerziehungslager für Uiguren in den vergangenen Jahren ausgebaut wurden

Wie schon zuvor bei den Tibetern möchte die Volksrepublik das Erbe eines Volkes auslöschen, von dem Peking behauptet, dass es auf chinesischem Boden siedele. Ungeachtet der Tatsache, wie es sich hier historisch verhält, widerspricht es den Menschenrechten, wenn Tempel und Moscheen, die den Menschen lieb sind, zerstört werden, wenn ihnen ihre Sprache verboten wird und wenn sie einen Han-Chinesen in ihre Wohnung gesetzt bekommen, der sie bespitzeln und melden soll, ob die Uiguren fromme Muslime sind.

Hongkong - eine Stadt wurde fertig gemacht

Die Welt musste dieser Tage bereits mit ansehen, wie China an einem anderen Ort, in Hongkong, die Menschen mit Angst und der Aussicht auf lebenslange Haft gängelt und ihrer Rechte beraubt. In der autonomen Stadt gelten eigentlich - das kommunistische China hat entsprechende Verträge unterzeichnet - noch mindestens bis 2047 Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit. Doch die Hongkonger sind Kantonesen und somit in der Wahrnehmung Pekings ebenso wie die Uiguren Menschen untergeordneter Klasse. Die Stadt wurde unter Präsident Xi regelrecht fertig gemacht und ist nun am Ende.

Die Neue Zürcher Zeitung hat vor einer Woche enthüllt, dass Peking nach der Unterjochung der Minderheiten im eigenen Land seinen Einfluss in der Region ausweiten wolle. Danach, so der Bericht, der auf den Aussagen einer Augenzeugin beruht, sollen nach dem Willen der KPCh die USA, Japan und Europa an der Reihe sein. Peking habe fest vor, den Rest der Welt zu unterjochen und unter seiner Knute zu halten.

Hongkong Protest Nationale Sicherheit
In Hongkong halten Demonstranten inzwischen weiße Poster und Transparente hoch, um keinen Vorwand zu liefern, sie nach dem sogenannten "Nationalen Sicherheitsgesetz", das seit vergangener Woche gilt, zu verurteilenBild: Reuters/T. Siu

Überall regiert die Angst vor China

Man kann Xi Jinping alleine schon deshalb mit dem König Leopold II. vergleichen, weil die Volksrepublik China heute ebenso wie Belgien damals auf keinen nennenswerten Widerstand stößt. Die Vertreter islamischen Länder, die sich in Peking beschwerten, wurden jedenfalls mit Verweis auf ihre Abhängigkeit von der neuen Seidenstraße gedemütigt und nach Hause geschickt. Aufmucken gegen Peking ist für niemanden drin. Deshalb reagiert überall auf der Welt die Angst vor China - auch in Deutschland.

Hier haben die schockierenden Entwicklungen in der Volksrepublik noch nicht dazu geführt, dass sich irgendetwas an der Politik gegenüber China geändert hätte. In einer Zeit, in der wir so viel daransetzen, mit den Diktatoren, Despoten und Menschenschlächtern der Vergangenheit abzurechnen, sollten wir nicht aus dem Auge verlieren, dass deren Wiedergänger auch im Hier und Jetzt aktiv sind. Dass sie auch heute das Leben von Millionen von Menschen zerstörten und unser aller Freiheit bedrohen.

 

Alexander Görlach lebt in New York und ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hongkong.