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Gute Umfragewerte für brasilianischen Präsidenten Lula

Johannes Beck31. August 2006

Vor einem Jahr es so aus, als hätte Luiz Inácio "Lula" da Silva keine Chance wieder gewählt zu werden. Diverse Skandale erschütterten seine Partei. Doch nun steuert Lula trotz allem auf eine zweite Amtszeit zu.

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Luiz Inácio Lula da Silva - Brasiliens Präsident will es noch einmal wissenBild: AP

Vor einem Jahr steckte Lulas Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) tief in mehreren Korruptionsskandalen. Sie soll 40 Abgeordneten monatlich Geld bezahlt haben, damit diese im Sinne der Regierung abstimmten. Außerdem war publik geworden, dass die PT den letzten Präsidentschaftswahlkampf illegal aus schwarzen Kassen finanziert hatte. Daraufhin musste die komplette Parteispitze zurücktreten. Präsident Lula dagegen blieb im Amt. Man konnte ihm nicht nachweisen, von den Skandalen gewusst zu haben. In einem Monat (am 1. Oktober) stellt er sich nun zur Wiederwahl.

Optimismus pur

Die brasilianische Arbeiterpartei PT lässt keine Zweifel aufkommen, ob ihr Kandidat und Amtsinhaber "Lula" da Silva die Präsidentschaftswahlen gewinnen wird. "Nochmal Lula - mit der Kraft des Volkes" lautet der Titel des offiziellen Wahlsongs. Und es sieht derzeit ganz danach aus, als würde eine Mehrheit der Brasilianer für Lula stimmen. Eine Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts Ibope sieht ihn bei 49 Prozent der Stimmen. Damit steht Lula knapp vor einer absoluten Mehrheit und einer Wiederwahl bereits im ersten Wahlgang. Die Korruptionsfälle während seiner ersten Amtszeit haben ihm offensichtlich nicht geschadet.

Lula wagt es nun sogar, im Wahlkampf an das frühere Image der PT als die ethisch korrekte Partei Brasiliens anzuknüpfen. In einem Radiointerview appellierte er an die Wähler, Korruptionsfälle anzuzeigen: "Wenn jemand etwas zu melden hat, soll er sich bitte an meine Regierung wenden. Wir werden dann bis zu den letzten Konsequenzen ermitteln. Denn hier geht es um Geld, dass für soziale Programme ausgegeben werden könnte und so dem brasilianischen Volk besser und ehrlicher helfen könnte."

Pluspunkt: Stipendien für Familien

Das Geheimnis hinter den guten Umfragewerten für Lula heißt "Bolsa Família", "Familienstipendium". Eine Art Mindesteinkommen für Familien, die im Monat weniger als 120 Reais, also weniger als 45 Euros, verdienen. Sie bekommen nun monatlich bis zu 95 Reais, also etwa 35 Euro. Ingesamt 11 Millionen Familien kommen in diesem Jahr in den Genuss dieser Sozialhilfe. Dafür müssen sie ihre Kinder zu Schule schicken und impfen lassen. Für viele Arme ist es das erste Mal, dass sie eine regelmäßige Hilfe seitens des Staates erhalten. Das gilt vor allem für den Norden und Nordosten. Hier, im Armenhaus Brasiliens, führt Lula die Umfragen haushoch an.

Der brasilianische Präsident möchte Bolsa Família weiter ausbauen: "In allen Ländern, die ich besuche, lobt man Bolsa Família. Viele Länder wollen das Programm kopieren. Woher kommt dieser Erfolg? Weil Bolsa-Família das erfolgreichste Programm der Welt zur Einkommensverteilung ist. Es bringt die Wirtschaft in Schwung und hilft dem Konsum. Es ist ein Instrument gegen Hunger und verbessert gleichzeitig auch Bildung und Gesundheit. Dabei handelt es sich nicht einfach um Ausgaben, sondern um Investitionen in die Lebensqualität unseres Volkes."

Opposition agiert bislang erfolglos

Die Wahlkampf-Strategie geht auf. Unter den armen Brasilianern führt Lula klar vor seinem Konkurrenten Geraldo Alckmim von der liberaldemokratischen Partei PSDB (Partido da Social Democracia Brasileira). Diese kritisiert Bolsa Família als Umverteilungsprogramm, das zu neuen Abhängigkeiten führen würde.

Der Wahlkampf von Geraldo Alckmim ist bisher so erfolglos geblieben, dass sich sogar erste Parteifreunde von ihm abwenden. Nur im relativ reichen Süden und Südosten sowie bei der Oberschicht schneidet Alckmim in Umfragen gut ab. Der ehemalige Gouverneur des bevölkerungsreichsten Bundesstaates São Paulo hat sich bisher mit Attacken auf Lula zurückgehalten. Stattdessen versucht er, sich als seriöser und ethisch korrekter Politiker zu profilieren.

Mafiastrukturen bestehen fort

Die Angriffe der Gefangenen- und Drogenmafia PCC (Primeiro Comando da Capital) in den vergangenen Monaten auf Polizeistationen und Busse in São Paulo haben dem Image von Alckmim als effizientem Verwalter geschadet. Denn er hat es in seiner Amtszeit als Gouverneur des Bundesstaates São Paulo nicht geschafft, die Strukturen der Mafia zu zerschlagen.

Ein weiterer Grund für die Probleme Geraldo Alckmins dürfte darin liegen, dass nur wenige Unterschiede zwischen seinem Programm und dem von Präsident Lula zu erkennen sind. Von der ehemaligen linken Rhetorik des Arbeiterführers Lula ist nur noch ein "Lula Light" geblieben. Auch er setzt inzwischen auf eine starke Währung, niedrige Inflation und eine Rückzahlung der Staatsschulen.

So bleibt Geraldo Alckim nur übrig, für mehr Investitionen und weniger Steuern zu werben: "Wir werden die Steuern senken. Es ist bewiesen, dass wir mit gutem Willen mehr erreichen können und es mit weniger Steuern besser machen können. Wir werden zum einen die Ausgaben kürzen und zum anderen die dazu gehörigen Steuern senken. Noch wichtiger ist aber jeden Centavo, den wir von den Brasilianern als Steuern einbehalten, gut zu verwalten."

Nebenschauplatz Außenpolitik

Die Außenpolitik spielt im Wahlkampf nur eine Nebenrolle: Hier strebt Lula weiter nach einem ständigem Sitz Brasiliens im UN-Sicherheitsrat. Außerdem will er stärker mit anderen Entwicklungsländern kooperieren. Bereits während seiner ersten Amtszeit hat er neue Allianzen mit Ländern wie Südafrika, Indien oder China geschmiedet. Besonders deutlich wurde das in den gescheiterten Verhandlungen für die Doha Welthandelsrunde, in denen Brasilien als Sprachrohr der Schwellen- und Entwicklungsländer auftrat.

Wenn man den in Brasilien normalerweise recht zuverlässigen Umfragen glauben darf, dann werden die 125 Millionen Wähler Brasiliens Anfang Oktober wahrscheinlich für eine zweite Amtszeit Lulas stimmen.