Gutachten: EZB-Minuszinsen sind rechtswidrig
1. Oktober 2019Geschäftsbanken müssen Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Diese sogenannten"Negativzinsen", die seit 2014 gelten und erst kürzlich auf minus 0,5 Prozent erhöht wurden, erheben in den 19 Euro-Ländern die nationalen Zentralbanken. Mit dem Strafzins will die EZB erreichen, dass Geschäftsbanken das viele billige Geld, das die Notenbank ihnen zur Verfügung stellt, an Unternehmen und Verbraucher weiterreichen, damit es in Investitionen und Konsum fließt. So will sie die Konjunktur anschieben und den Preisauftrieb verstärken.
Jetzt liegt ein Gutachten vor, wonach die Erhebung solcher Minuszinsen rechtswidrig ist. Für Sparer und andere Kunden der Banken ist das eine gute Nachricht - entfällt damit doch die Basis für die Weitergabe entsprechender Kosten an sie.
Erstellt hat das Gutachten Kai-Oliver Knops, Professor für Bank- und Kapitalmarktrecht an der Universität Hamburg. Der Experte schätzt, dass die EZB seit 2014 von den Geschäftsbanken gut 40 Milliarden Euro - rund 7,5 Milliarden Euro pro Jahr - an Minuszinsen kassiert hat. "Diese Beträge könnten die Institute nun zurückfordern", erklärt Knops im Gespräch mit der DW, "weil eben keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung gegeben ist".
"Keine Zinsen im Rechtssinne"
"Die Maßnahme, den Zinssatz ins Negative zu drehen, wird in den Beschlüssen der EZB faktisch nicht begründet", argumentiert der Experte. Außerdem stellt er die Frage, ob die immensen Auswirkungen dieser Geldpolitik auf die Banken und auf die Einlagen der Kunden nicht einer Mitwirkung des Europäischen Parlaments bedurft hätten.
"Es sind keine Zinsen im Rechtssinne. Es sind auch keine Strafzinsen, wie oft in der Presse zu lesen ist", so Knops. Zum einen sei der Begriff für einen anderen Fall in der Satzung der EZB besetzt, zum anderen bestehe die Intention der EZB darin, dass die Banken ihre Gelder eben nicht bei ihr parken, sondern als Kredite an Unternehmen und Verbraucher weitergeben.
Der Sache nach seien die Negativzinsen so etwas wie eine "Abschreckungsgebühr". "Wenn man sich die europäische Rechtsprechung anschaut, dürfte dies juristisch als Abgabe zu sehen sein", sagt Knops, "und dafür ist die Europäische Union gar nicht zuständig. Die Steuer- und Abgabenhoheit liegt bei den Mitgliedsstaaten, nicht aber bei europäischen Institutionen."
Hohe Sparquote in Deutschland bedingt hohe Zahlungen
Gerade die deutschen Banken haben bedingt durch die traditionell hohe Sparquote der privaten Haushalte sehr viel bezahlt. Alleine im Jahr 2018 sind nach Berechnungen der Bundesbank rund 2,4 Milliarden Euro an Minuszinsen geleistet worden.
Auf die Frage, ob aufgrund seines Gutachtens nun eine Klagewelle der Geschäftsbanken mit Schadenersatzforderungen zu erwarten sei, antwortet der Experte eher zurückhaltend: "Zumindest hierzulande hört man, dass sich Banken nur sehr sehr ungern mit der Deutschen Bundesbank in einen Rechtstreit begeben würden." Es könne aber durchaus sein, dass sich ein Bankenverband im Euroraum finde, "der möglicherweise direkt beim Europäischen Gerichtshof klagt".
Die Bankkunden aber könnten aufatmen. Denn von ihren Kunden dürften die Geschäftsbanken zukünftig nicht mehr Verwahr-Gebühren für Einlagen verlangen und sich dabei auf Minuszinsen der EZB berufen. Knops bringt es auf die Formel: "Die Banken haben nichts umzulegen, weil sie es selber nicht schulden."