Taskforce weist Kritik zurück
13. Dezember 2013Anwalt David Rowland vertritt die Erben jüdischer Kunstsammler in New York und versteht bis heute nicht, warum der Münchener Kunstfund so lange von den deutschen Behörden unter Verschluss gehalten wurde. Bereits im Februar 2012 beschlagnahmte die Augsburger Staatsanwaltschaft die 1.280 Bilder in der Münchener Privatwohnung von Cornelius Gurlitt - ein Teil steht im Verdacht Nazi-Raubkunst zu sein. Der Kunstfund sei erst so spät öffentlich gemacht worden, weil es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele, so die Leiterin der Taskforce, Ingeborg Berggreen-Merkel in der Süddeutschen Zeitung: "Nach vorläufiger Einschätzung müssen 977 Werke auf ihre Herkunft überprüft werden. Bei dem Rest - 303 Positionen - geht man davon aus, dass sie im Eigentum der Familie Gurlitt stehen."
Ausland fordert schnelle Lösungen
Der Fall Gurlitt ist seit Wochen weltweit in den Schlagzeilen. Stimmen aus dem Ausland kritisieren die mangelnde Transparenz der deutschen Behörden und ihr zögerliches Verhalten. "Mit dem Fall Gurlitt wird wieder eine Wunde zwischen Israel und Deutschland aufgerissen", sagt Samy Gleitmann vom deutschen Freundeskreis des Tel Aviv Museums of Art in Israel. "Deutschland gilt als vorbildlich in der Aufarbeitung - und dann kommt plötzlich, fast 70 Jahre nach Kriegsende, dieser Kunstfund", hält die Leiterin der Taskforce dem entgegen.
"Wir bemühen uns, dieser Verantwortung gerecht zu werden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert als der Fall Gurlitt Anfang November in die Öffentlichkeit kam. Zu diesem Zeitpunkt war nur eine Kunsthistorikerin mit dem Schwabinger Kunstfund beschäftigt. Danach setzte die Bundesregierung eine Taskforce ein, die so schnell wie möglich klären sollte, bei welchen Kunstwerken es sich in der Gurlitt-Sammlung um NS-Raubkunst handelt. Wurden sie unter den Nationalsozialisten beschlagnahmt, abgepresst oder unter Wert verkauft? "Wir werden bei aller Gründlichkeit so schnell arbeiten wir möglich, mit allen Kräften, die uns zur Verfügung stehen", sagt Berggreen-Merkel.
Wie lange dauert es bis alle Werke veröffentlicht sind?
Auf der Website lostart.de wurden bisher 354 Kunstwerke aus der Gurlitt-Sammlung veröffentlicht. Wann genau die Taskforce alle Bilder erfasst hat und einstellen wird, darauf möchte sich die Leiterin der Taskforce nicht festlegen. Das werde weiter schrittweise erfolgen. "Letztlich stellt die Staatsanwaltschaft Augsburg die Werke ins Netz und prüft mit Blick auf Erkenntnisse der Provenienzrecherchen, ob Verdachtsmomente für einen NS-verfolgungsbedingten Entzug vorliegen", so Berggreen-Merkel. "Wir organisieren keine Ausstellung, sondern recherchieren." Der Provenienzforscher Ralph Jentsch erklärt im Interview mit der DW, dass die Experten schon viel weiter wären, wenn die Liste früher veröffentlicht worden wäre: "Es geht dabei ja nicht um Bereicherungen, sondern darum, ein großes Unrecht wiedergutzumachen."
Auch Anne Webber, Co-Direktorin der Raubkunst in Europa und Vorsitzende des Zentralregisters für Raub- und Beutekunst in London kritisiert die schleppende Veröffentlichung der Bilder aus der Gurlitt-Sammlung. "Wir haben wahnsinnig viele Anfragen von Familien aus der ganzen Welt. Sie wollen wissen, ob ihre Kunstwerke in der Gurlitt-Sammlung sind", sagt sie. Webber fordert eine transparente, faire und schnelle Lösung. Nach anfänglichem Zögern geht es bei der Taskforce jetzt systematisch voran. "Wir kümmern uns bewusst zunächst um die Werke aus privater Hand, dann erst um 'entartete Kunst' aus Museen. Uns ist das persönliche Schicksal vorrangig", erklärt Berggreen-Merkel die deutsche Haltung. Im Laufe der Arbeit mit der Taskforce werde sich zeigen, wie rasch sie vorankämen.
Taskforce aus internationalen Experten
Die genaue Herkunft der Bilder kann die Taskforce zum Teil durch Einsicht in die Geschäftsbücher der Kunsthändlerfamilie Gurlitt überprüfen. Nur ein direktes Gespräch mit Cornelius Gurlitt könnte mehr Licht ins Dunkel bringen. Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat mindestens zehn Mal versucht Kontakt mit dem Kunsthändlersohn aufzunehmen - bisher vergebens. "Ich habe einmal kurz mit ihm gesprochen", sagt Berggreen-Merkel in der SZ. Über den Inhalt des Gesprächs möchte sie sich nicht äußern.
Das Team ihrer Taskforce setzt sich aus zehn Fachleuten zusammen - mit Experten der Jewish Claim Conference, der israelischen Organisation H.E.A.R.T, einer französischen Forscherin und amerikanischen Fachleuten. Aus Deutschland ist Uwe Hartmann dabei, Leiter der Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin, sowie ein Staatsanwalt. Nach Angaben von Berggreen-Merkel hat die Taskforce schon mit der Provenienzrecherche der Bilder begonnen: "Die Experten arbeiten vornehmlich in einem geschützten virtuellen Arbeitsraum, sodass es unerheblich ist, ob sie sich in den USA, in Israel oder Frankreich aufhalten."
Mehr Geld für Provenienzforschung
Mit dem Fall Gurlitt wird deutlich, wie wichtig die Provenienzforschung für Deutschland ist. Seit 1998 gibt es die Washingtoner Erklärung, mit der sich weltweit 44 Staaten verpflichtet haben, NS-Raubkunst in ihren Museen sicherzustellen und gegebenenfalls zurückzugeben. "Die Erklärung appelliert übrigens auch an Privatsammler und Auktionshäuser", sagt Berggreen-Merkel. Doch bisher ist hier nur wenig passiert.
"Wenn die Provenienzforschung nachhaltig sein soll, dann brauchen die Museen neben finanzieller Unterstützung eine direkte Investition in ihre Infrastruktur", sagt Uwe Hartmann gegenüber Handelsblatt online. "Die Länder sind zuständig. Der Bund kann aus den bekannten Verfassungsgründen nur Anstöße geben. Die Recherche selbst ist dann Aufgabe der Museen", so die Leiterin der Taskforce. Im Interview mit der SZ fordert sie jedes Bundesland und auch Privatleute auf, mehr zu tun und die Herkunft von Kunstwerken zu hinterfragen.
Im vergangenen Jahr hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann den Etat für Provenienzforschung von einer auf zwei Millionen verdoppelt. In Zukunft sollen dem Forschungszweig noch mehr Gelder zugesprochen werden. Das sei bereits im Koalitionsvertrag festgehalten, versichert die Leiterin der Taskforce Ingeborg Berggreen-Merkel.