Guinea-Bissau: Debatte um zweite Amtszeit des Präsidenten
18. September 2024Diese Ankündigung überraschte alle anwesenden Journalisten: Vor einer Woche gab der umstrittene Präsident von Guinea-Bissaus vor versammelter Presse bekannt, auf eine weitere Kandidatur für das Amt zu verzichten. Doch damit nicht genug: Umaro Sissoco Embaló fügte hinzu, dass keiner seiner politischen Gegner - Domingos Simões Pereira, Braima Camará oder Nuno Nabiam - ihm im Amt nachfolgen werde. "Guinea-Bissau verdient bessere Politiker", sagte er. Diese drei Personen sind derzeit seine größten politischen Widersacher.
Wer sind Embalós politische Rivalen?
Domingos Simões Pereira, Vorsitzender der PAIGC, ist einer der Hauptgegner Embalós. Die PAIGC führte nach der Unabhängigkeit Guinea-Bissaus 1975 ein marxistisches Einparteienregime an. Präsident Embaló selbst war früher Mitglied dieser Partei und sogar Premierminister in einer PAIGC-Regierung zwischen 2016 und 2018. Später schloss er sich Dissidenten an, die die Partei MADEM G15 gründeten.
Bei den letzten Parlamentswahlen 2023 gewann die PAIGC die Mehrheit, doch Embaló weigerte sich, Simões Pereira zum Premierminister zu ernennen. Daraufhin löste er das Parlament auf und regiert das Land seit Dezember per Dekret.
Simões Pereira, der sich als politisch verfolgt sieht, verließ Guinea-Bissau und suchte Zuflucht in Portugal. Die guineische Staatsanwaltschaft fordert seine Rückkehr, um ihn wegen eines Korruptionsfalls zu befragen. Simões Pereira wies die Vorwürfe zurück und behauptete, Embaló kontrolliere die Justiz, um seine politischen Gegner zu schwächen. Ein Gericht hatte den Fall bereits 2018 eingestellt. Am vergangenen Sonntag (15.09.2024) kehrte Simões Pereira nach Guinea-Bissau zurück - gestärkt durch Garantien für seine Immunität.
Den angeblichen Verzicht Sissoco Embalós auf eine zweite Amtszeit kommentierte Pereira allerdings im DW-Interview nicht. Das sei eine persönliche Entscheidung des Präsidenten.
Braima Camará, ebenfalls ein prominenter Gegner, ist Präsident der Partei MADEM G15, der auch Embaló angehört. Die beiden gerieten jedoch in einen heftigen Konflikt, als Camará ihm vorwarf, die demokratischen Institutionen zu missachten. Embaló reagierte darauf, indem er versuchte, Camará innerhalb der Partei zu isolieren. Dies führte zu einer Spaltung der Partei, wobei sich ein Flügel um Embaló und ein anderer um Camará bildete. Beide kämpfen nun um die Kontrolle über MADEM G15.
Auch Nuno Nabiam, Vorsitzender der kleinen Partei APU-PDGB, zählt zu Embalós politischen Gegnern - obwohl er von 2020 bis 2023 Premierminister unter dem Präsidenten war. Nabiam, ebenfalls ehemaliges PAIGC-Mitglied, beschuldigte Embaló, autoritär zu regieren und ihm als Premierminister keine wirkliche Macht eingeräumt zu haben. Ihr Streit führte dazu, dass Nabiam Guinea-Bissau verließ und sich vorläufig nach Portugal zurückzog.
Nuno Nabiam erklärte jetzt, dass der Präsident mit seinen jüngsten Erklärungen über eine zweite Amtszeit versuche, "vom eigentlichen Problem des Landes, nämlich von den Drogen abzulenken", die am Flughafen beschlagnahmt wurden.
Eine politisch motivierte Ankündigung?
Am 7. September, beschlagnahmte die Kriminalpolizei des Landes ein Flugzeug, das mehr als 2,6 Tonnen Kokain transportierte und gerade am Flughafen der Hauptstadt Bissau gelandet war. Die Polizei erklärte, dass das Flugzeug aus Venezuela gekommen sei, obwohl die Behörden dort angaben, dass es nicht in ihrem Land gewesen sei.
Auch verschiedene internationalen Anti-Drogen-Agenturen waren an der Aufdeckung des Falls beteiligt. Drogenschmuggler nutzen westafrikanische Länder häufig zum Transit für Kokain aus Südamerika nach Europa. Die Beschlagnahmung am Wochenende ist eine der größten der letzten Jahre.
Luis Petit, ein unabhängiger politischer Analyst, sieht in Embalós Ankündigung, nicht wieder anzutreten, ein taktisches Manöver. "Sissoco Embaló ist ein Meister der politischen Intrige. Er nutzt jede Gelegenheit, um seine Gegner zu schwächen und die politische Lage zu seinem Vorteil zu nutzen", sagte Petit. Ein Beispiel dafür sei der angebliche Putschversuch im Februar 2022, nach dem Embaló eine "Hexenjagd" auf politische Gegner veranstaltete und über 50 Personen verhaften ließ, von denen viele noch immer in Haft sind.
Petit vermutet, dass Embaló im Hintergrund weiterhin seine Wiederwahl plant: "Er neigt dazu, das eine zu sagen und dann das Gegenteil zu tun. Es ist wahrscheinlich, dass er versucht, Zeit zu gewinnen oder die Unterstützung seiner Anhänger zu stärken."
Tatsächlich ruderte Embaló vier Tage nach seiner Ankündigung zurück. Bei einem Treffen mit politischen Unterstützern des MADEM G15-Flügels am Sonntag erklärte er: "Wenn das Volk mich weiter als seinen Präsidenten will, werde ich mich wahrscheinlich nicht verweigern können." Weiter sagte er: "Wenn ihr denkt, dass ich die Lösung für dieses Land bin, werde ich da sein." Dies deutet darauf hin, dass seine Ankündigung möglicherweise nicht endgültig ist.
Guinea-Bissau steuert auf ungewisse Zukunft
Guinea-Bissau steht vor großen politischen Herausforderungen. Für den 24. November 2024 sind Parlamentswahlen angesetzt, doch ein Termin für die Präsidentschaftswahlen steht noch aus. Nach geltendem Recht müssten auch die Präsidentschaftswahlen noch in diesem Jahr stattfinden, doch Embaló deutete an, dass diese erst 2025 abgehalten werden könnten.
Die politische Lage im Land bleibt angespannt und es ist unklar, wie sich die Situation entwickeln wird. Embalós widersprüchliche Aussagen und die anhaltenden Konflikte mit seinen politischen Gegnern stellen infrage, ob Guinea-Bissau auf dem Weg zu mehr Stabilität ist - oder weitere politische Unruhen bevorstehen.
Mitarbeit: Braima Darame