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Museumsraub: "Kein Hindernis ist unüberwindbar!"

18. November 2020

Nach den Festnahmen im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Juwelenraub in Dresden hofft Amelie Ebbinghaus auf eine Rückkehr der Kunstschätze ins Grüne Gewölbe. Sie leitet das Art-Loss-Register für gestohlene Kunst.

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Amelie Ebbinghaus, Direktorin des Art-Loss-Register (Art Loss Register).
Amelie Ebbinghaus fahndet als Direktorin des Art-Loss-Register nach geraubten Kunstschätzen Bild: Art Loss Register

Nach dem Einbruch im Grünen Gewölbe in Dresden laufen die Ermittlungen weiter auf Hochtouren. Drei mutmaßliche Täter wurden kürzlich festgenommen, nach zwei weiteren wird gefahndet. Doch können die Diebe die wertvollen Juwelen überhaupt zu Geld machen? Expertin Amelie Ebbinghaus vom Art-Loss-Register, derweltgrößten Datenbank für gestohlene Kunstist da skeptisch.

Deutsche Welle: Frau Ebbinghaus, haben Sie die geraubten Kunstschätze aus dem Grünen Gewölbe in Dresden auch schon aufgenommen?

Amelie Ebbinghaus: Ja, die haben wir natürlich direkt nach dem Diebstahl aufgenommen.

Wie funktioniert so eine Datenbank?

Unsere Datenbank umfasst heute etwa 700.000 gestohlene Objekte, darunter auch Nazi-Raubkunst, Schmuck, Kunst, Uhren, alles Mögliche. Wir suchen nach diesen Gegenständen aktiv, vor allem im Kunstmarkt. Das heißt, wir prüfen Objekte, die in Auktionshäusern angeboten werden, auf Kunst- und Schmuckmessen. Im Bereich Schmuck und Uhren arbeiten wir aber auch mit Pfandleihern oder mit Second-Hand- oder Vintage-Schmuckhändlern zusammen und prüfen die Objekte, die sie angeboten bekommen. Wir gehen aber nicht wie die Polizei investigativ und proaktiv auf die Suche. Insofern haben wir die Dresdner Objekte zwar in unserer Datenbank, aber diese werden vermutlich eher von der Polizei gefunden als von uns, da solche Stücke in absehbarer Zeit kaum in den Markt gelangen werden.

In Dresden sind hochwertige Schmuckstücke weggekommen, allesamt Unikate. Was, wenn die Täter den Schmuck zerlegen, um ihn in Einzelteilen zu Geld zu machen?

Dann ist es für uns als Datenbank kaum noch aufzufinden. Allerdings ist es nicht so einfach, solche Teile, auch zerlegt, auf den Markt zu bringen. Sie können natürlich den Schmuck einschmelzen, die Steine umschleifen usw. Mit dem alten Schliff werden Leute, die was davon verstehen, die Steine sofort wiedererkennen. Wenn Sie sie umschleifen, verlieren Sie Material und damit auch Wert.

Normalerweise werden solche Steine mit Echtheitszertifikaten gehandelt, worin auch angegeben ist, woher sie stammen. So etwas können Sie nicht mal so eben kreieren für einen Stein, der keine Geschichte hat. 

Sie haben permanent mit diesen Fällen von Einbruch, Überfall und Diebstahl zu tun. Ist es in Deutschland besonders leicht, Kunst zu rauben?

In Deutschland ist das nicht leichter als in anderen Ländern. Museumsdiebstähle gibt es immer wieder. Wir sehen in letzter Zeit gerade in asiatischen Kunstabteilungen Einbrüche in der Schweiz oder in England. Museen haben einfach das Problem, dass die Kunst und die Wertgegenstände dort angreifbarer sind als bei einem Juwelier, bei der Bank oder irgendwo in einem Safe. Schließlich möchte ein Museum die Kunst öffentlich zugänglich machen. 

Allerdings: Dresden hatte eine extrem gute technische Sicherheitsausstattung. Da gingen die Täter so brutal vor, dass man sagen muss, kein Hindernis ist unüberwindbar. Der Schwachpunkt liegt leider oft beim Faktor Mensch. Sicherheitsrisiken gibt es etwa beim Sicherheitspersonal, wenn Insider am Werk sind. Da werden Täter als Sicherheitsleute eingeschleust. Da kann es im Einzelfall vorkommen, dass Sicherheitsmitarbeiter, weil sich nicht wahnsinnig gut bezahlt sind, bestechlich werden.

Kunstfälschern auf der Spur

Stimmt der Eindruck, dass in Deutschland zur Zeit besonders viel Kunst wegkommt?

Nein, auch in anderen Ländern gibt es Fälle von Kunstdiebstahl, vielleicht nicht ganz so spektakuläre. Bei Werken von Picasso etwa, Monet oder van Gogh haben aber viele Täter inzwischen verstanden, dass solche Objekte zu wiedererkennbar sind und daher schlichtweg keinen Verkaufswert haben. Neu ist, dass man sich auf Objekte konzentriert, die einen kunsthistorischen Wert haben - in Dresden sogar einen massiven kunsthistorischen Wert, aber eben auch einen gewissen Materialwert. Der lässt sich heben, wenn man bereit ist, Verluste hinzunehmen.

Der Trend im Kunstraub geht also zu Gegenständen, die einen hohen Materialwert haben?

Es gibt zumindest eine Tendenz zu Objekten, die entweder nicht so gut wiedererkennbar sind oder die eben einen gewissen Materialwert haben. Insgesamt haben wir in den letzten 30 Jahren, seit das Art Loss Register existiert, sogar beobachtet, dass Kunstdiebstähle im musealen oder privaten Bereich zurückgehen. Es wird weniger Kunst gestohlen.

Wie erklärten Sie sich diesen Rückgang?

Es ist schwieriger geworden, solche Kunstwerke zu Geld zu machen. Das haben viele Diebe verstanden. Daran haben wir unseren Anteil. Aber wir leben auch im Internet-Zeitalter. Sie können heute viel einfacher recherchieren, welche Kunstwerke als gestohlen gelten. Einen Picasso aus einem Diebstahl von vor 20 Jahren an den Mann zu bringen, mag in den 1970-er Jahren noch möglich gewesen sein. Aber heute? Das Internet vergisst nichts...

Glauben Sie, dass die Kunstschätze des Grünen Gewölbes jemals nach Dresden zurückkehren?

In letzter Zeit kam es vor, dass Objekte zurückgekehrt sind. Die schwedischen Kronjuwelen sind das beste Beispiel: Die waren aus einer Kathedrale in Stockholm gestohlen worden und tauchten im Februar 2019 in einer Mülltonne wieder auf. So etwas gab es immer wieder: Die Täter merken, sie können die Objekte nicht verwerten und versuchen sie loszuwerden, damit sie nicht auf dem besten Beweismaterial gegen sich selbst sitzenbleiben. Ich will also für Dresden die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben.

Die deutsche Juristin und Kunstexpertin Amelie Ebbinghaus ist Direktorin des Art-Loss-Register in London.

Das Interview führte Stefan Dege.