Gründet Frauke Petry die AfD light?
26. September 2017Zwischen dem Wahl-Triumph der Alternative für Deutschland und ihrem ersten Aufreger lagen genau 15 Stunden. Frauke Petry, die frühere Parteichefin der AfD, will kein Mitglied der neuen Bundestagsfraktion der Rechtspopulisten werden. Sie spricht von "abseitigen Positionen" innerhalb der Partei. Sie will lieber Realpolitikerin sein. Ihren Wahlkreis in Sachsen hat die 42-Jährige souverän für die AfD gewonnen, doch ab sofort strebt sie etwas Neues an. Aber was?
Ein Coup mit Ansage
Überraschend an der spektakulären Polit-Scheidung war nur der Zeitpunkt. Er war medienstrategisch gut gewählt: Voller Saal in der Bundespressekonferenz am Tag eins nach den fast 13 Prozent Wählerstimmen für die AfD. Auf dem Podium neben Petry drei ahnungslose AfD-Parteigrößen. Große Bühne für eine kleine Abspaltung. Dabei hat die Spaltung schon fast Tradition in der noch jungen Partei. AfD-Gründer Bernd Luke spaltete sich 2015 von der Partei ab und ist seitdem politisch irrelevant.
Vorangegangen war seine Entmachtung, an der Frauke Petry maßgeblich beteiligt war. In Baden-Württemberg bekämpften sich AfDler in der eigenen Fraktion, bevor sie dann doch wieder zusammenkamen. Und in Mecklenburg-Vorpommern haben sich am Montag vier von 18 AfD-Landtagsabgeordneten verselbständigt. Es sind eher moderate Vertreter, die den zunehmenden Extremismus der Partei nun den Rücken zukehren. "Es entspricht schon fast einem Muster", schreibt die "Neue Zürcher Zeitung", "dass gemäßigte Mitglieder die AfD verlassen, weil sie nicht bereit sind, die rhetorische und inhaltliche Radikalisierung der Partei mitzutragen."
Unzufriedenheit der "Seriösen"
Schon seit längerem wird innerhalb der AfD über ein Ausscheiden der moderaten Mitglieder spekuliert. Auf dem Kölner Parteitag im April wurde Frauke Petry von den politischen Hardlinern quasi kaltgestellt. Sie steht seitdem eindeutig im Schatten der beiden Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland. Medien-Recherchen von "Süddeutscher Zeitung", Westdeutschem und Norddeutschem Rundfunk belegen Abspaltungspläne der Petry-Sympathisanten. Es soll sogar Probeabstimmungen in Petrys Heimat-Landesverband Sachsen gegeben haben. Ergebnis: Fast ein Viertel der besonders rechten Sachsen-AfD würde sich Petry anschließen. Einige wenige neue Abgeordnete im Bundestag würden reichen, den Gruppenstatus zu erlangen. Für eine eigene Bundestagsfraktion müsste Petry 35 Überläufer zusammenbekommen.
Aus Mails führender AfD-Politiker, die einigen Medien vorliegen, ergibt sich ein noch viel zerstritteneres Bild der Rechtspartei. Darin wird schon die drohende Spaltung der sich frisch konstituierenden Bundestagsfraktion vorhergesagt. Und zwar innerhalb der ersten drei Monate. Und das gleiche gelte für die gesamte Partei. Das nationalistische Element habe die AfD schon vor ihrem Wahlerfolg zerstört. Entschieden habe sich das Schicksal der AfD beim Parteitag in Köln, als die Deutschnationalen die Oberhand gewannen. Wie werden sich nun die moderaten Kräfte der Partei entscheiden?
Hat Frauke Petry einen Plan B?
Die Voraussetzungen für AfD light sind geschaffen. Als am Dienstag alle 94 Fraktionsmitglieder der AfD in Berlin erschienen, ist allerdings niemand offen zu Petry übergelaufen. Doch das kann jederzeit geschehen. Sie will Politik gestalten, sagt sie. Eine "Realpolitik im guten Sinn einer konservativen Politik" machen. Als Alexander Gauland noch in der Wahlnacht ankündigt, Merkel "jagen" zu wollen, kontert sie einen Tag später. Dies sei genau die Rhetorik, die "der bürgerliche Wähler… nicht als konstruktiv empfindet". Und sie baut auf die "seriösen Mitglieder", die zunehmend von den Rechten in der Partei diskreditiert würden.
Petrys Anhänger glauben, sie habe einen Plan B in der Tasche. Berengar Elsner von Gronow, Vorsitzender der Alternativen Mitte in Nordrhein-Westfalen, die sich innerhalb der AfD als bürgerlich-konservatives Gegengewicht zum rechtsnationalen Flügel eines Björn Höcke sieht, ist ganz sicher: Petry hat das nicht mal eben so gemacht, aus Fraktion und Partei auszutreten.
Promovierte Chemikerin, fünffache Mutter
Sie gilt als eine, die austeilen und einstecken kann. Im Osten geboren, im Westen groß geworden, war schon ihre Schul- und Studienzeit von Ehrgeiz gezeichnet. Auslandsstudium in England, Dissertation magna cum laude. Mit ihrem Mann, einem Pfarrer, bekommt sie vier Kinder und kriegt auch sonst immer alles unter einen Hut: Mutter sein, Orgelspiel, Firmengründung, Kirchenchor. 2013 dann der Schritt in die Politik. Zu der Zeit geht ihr Unternehmen - eine Firma für Reifenbefüllungen - in Konkurs. Sie muss Privatinsolvenz anmelden. Die Staatsanwaltschaft prüft eine mögliche Verschleppung - ohne Ergebnis. Ende 2016 heiratet sie Marcus Pretzell, den AfD-Landesvorsitzenden in Nordrhein-Westfalen, und bekommt mit ihm Kind Nummer fünf.
"Intelligent, aber nicht klug"
Sie baut die AfD in Sachsen auf, zieht 2014 mit fast zehn Prozent der Stimmen in den Landtag. Die Partei wächst und sie stellt fest: Sie ist nichts für die zweite Reihe. 2015 ist es soweit. Parteigründer Bernd Lucke, ein Wirtschaftsprofessor, der aus der Euro-kritischen AfD eine bürgerlich-liberale Alternative zur FDP aufbauen will, wird auf dem Essener Parteitag vom Podium gebuht. Petry hatte die AfD längst nach rechts geöffnet und wird eine von zwei Parteivorsitzenden.
In der Hochzeit der Pegida-Bewegung geht sie auf Distanz zu den Demonstrationen und ihren rassistischen Parolen, doch Europas Vorzeige-Rechte, Marine Le Pen vom französischen Front National und Geert Wilders aus den Niederlanden, holt sie 2017 nach Deutschland. Die Partei aber ist ihr längst über den Kopf gewachsen. Sie wird als kalt und eitel charakterisiert. Ein ehemaliger Lehrer nennt sie "intelligent, aber nicht klug". Aktuell ist sie allein im Bundestag.