Grundeinkommen zu verlosen
7. Oktober 2015Was würden Sie mit tausend Euro im Monat machen? Oder genauer gesagt, was würden Sie machen, wenn Ihnen der Staat ein bedingungsloses regelmäßiges Einkommen gäbe, mit dem Sie ein sorgenfreies, aber nicht luxuriöses Leben führen könnten? Würden Sie dann noch arbeiten? Würde die Gesellschaft zusammenbrechen, wenn jeder Bürger dieses Einkommen bekäme?
Das sind Fragen, die das per Crowdfunding finanzierte Projekt "Mein Grundeinkommen" zu beantworten versucht. Seit dem Start im Juli 2014 bekommen die Gewinner dieser Verlosung ein Jahr lang monatlich jeweils tausend Euro überwiesen. 15 Personen haben bisher ein Grundeinkommen gewonnen, und die Organisatoren haben inzwischen genug Geld für zwei weitere Grundeinkommen gesammelt. Unter den Gewinnern sind Studenten, arbeitende Väter, Rentner, Arbeitslose und zwei Kinder im Alter von acht und vier Jahren.
Anreiz für Faulheit?
Die Initiative hat einer alten Debatte neues Leben eingehaucht: Macht geschenktes Geld faul? Die Organisatoren des Projekts haben darauf eine klare Antwort. Wer die Webseite von "Mein Grundeinkommen" anklickt, wird mit einem Video des Gründers Michael Bohmeyer begrüßt, der selbst eine Art Grundeinkommen durch seinen Anteil an einem Internet-Unternehmen bezieht, das er mitgegründet hat. Zunächst ändere sich für die Leute nicht viel, so Bohmeyer im DW-Interview. "Doch was sich ändert, ist, dass sie mehr Mut und mehr Sicherheit haben. Fast alle sagen, dass sie besser schlafen, dass sie sich weniger Sorgen machen. Und alle, die einen Job hatten, haben weiter gearbeitet, oft aber noch was anderes gemacht."
"Ich bin wahnsinnig glücklich und fühle mich voller Tatendrang, vor allem, da ich weiß, dass ich jetzt die Sachen angehen kann, die mir am Herzen liegen", schreibt der 26jährige Christoph, bisher Mitarbeiter eines Callcenters, und einer der ersten Gewinner.
Die Intitiative legt großen Wert darauf, unpolitisch zu sein. Nirgendwo auf ihrer Webseite will sie irgendwelche ideologischen Argumente bestätigen oder unterstützt ein politisches Programm. "Wir wollen niemanden von irgendwas überzeugen", sagt Bohmeyer. Er ist sich nicht einmal sicher, ob das Grundeinkommen gesamtgesellschaftlich funktionieren würde.
Eine neue alte Idee
Ronald Blaschke, Sprecher der Organisation "Netzwerk Grundeinkommen", sagt, die Verlosung könne nicht als seriöses Experiment gesehen werden, weil die Leute ja wüssten, dass das Einkommen nur ein Jahr lang gezahlt werde. "Wir können keine Schlussfolgerungen daraus ziehen, die besagen, dies ist ein empirischer Versuch, der erklärt, wie Menschen sich mit einem Grundeinkommen verhalten", meint Blaschke.
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens geistert seit Jahren durch die politischen Debatte in Deutschland. Alle größeren Parteien haben mindestens intern schon darüber diskutiert. 2006 schlug der CDU-Politiker Dieter Althaus ein sogenanntes Bürgergeld von 800 Euro pro Monat vor. Der damalige CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nannte die Idee in der Zeitung "Tagesspiegel" "visionär", nicht zuletzt, weil jede Form von Sozialbürokratie und Bedürftigkeitsprüfung wegfalle.
Doch Pofalla ebenso wie die Sozialdemokraten hatten Bedenken wegen der möglichen Folgen für den Arbeitsmarkt. Der damalige SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte in der "Berliner Morgenpost" zu der Idee: "Das ist eine Stilllegungsprämie. Menschen werden einfach aufgegeben, als nutzlos abgestempelt, in die Sackgasse geschoben und mit Geld abgefunden."
Noch nie wirklich ausprobiert
In anderen Ländern und durch die Geschichte hindurch hat man sich immer mal wieder für den Gedanken interessiert. Es gab Pilotprogramme, Untersuchungen und Kommissionen dazu in Kanada, Namibia, Alaska und Indien, doch in den meisten Fällen mit Vorbehalten und Kompromissen. Sogar in den USA verabschiedete das Repräsentantenhaus im Jahr 1970 ein "Garantiertes-Jahreseinkommens-Gesetz", das dann im Senat einen schnellen Tod starb. Im Juni dieses Jahres hat Finnland als erstes europäisches Land beschlossen, in einem Modellversuch ein Grundeinkommen zu testen. Allerdings soll es nur für Menschen in Arbeit gelten, und die Höhe muss noch festgelegt werden.
Ronald Blaschke von "Netzwerk Grundeinkommen" betont, ein bedingungsloses staatliches Einkommen oder jede Bedürftigkeitsprüfung oder Verpflichtung sei nie wirklich ausprobiert worden. Ist das so, weil sich die menschliche Gesellschaft immer auf Arbeit gründen wird? "Niemand bestreitet, dass man arbeiten muss, um zu leben", sagt Blaschke. "Doch es kommt darauf an, was man mit Arbeit meint." Es gebe einen Unterschied zwischen Arbeit mit und Arbeit ohne ökonomischen Wert. Für ihn geht es letztlich um ein Menschenrecht. "Der Menschen hat das Recht zu leben, egal, ob er für die Gesellschaft nützlich ist oder nicht."