Groß-Imam fordert Toleranz
15. März 2016Er sei, so Ahmed Mohammed al-Tayyeb, mit einer Hoffnung vor den Bundestag gekommen: Der Hoffnung, dass Orient und Okzident friedlich zusammen leben könnten. Der Groß-Imam der Al-Azhar Universität in Kairo, die zu den wichtigsten wissenschaftlichen Institutionen in der sunnitischen Welt gehört, ist derzeit zu Besuch in Deutschland.
Seine Botschaft: Der Islam ist eine Religion des Friedens, Menschen, die in seinem Namen Blut vergießen, seien Terroristen, eine "kleine Minderheit, die ein völlig falsches Bild des Islam verbreiten", so der 70-jährige sunnitische Theologe und Philosoph, der am Dienstagabend vor Botschaftern, Abgeordneten des Bundestages und Kirchenvertretern sprach.
Al-Tayyeb, der seit 2010 die Al-Azhar Moschee und Universität leitet, gilt als moderat und bedächtig, ein einflussreicher Gelehrter, der versucht, die tolerante Seite des Islam zu präsentieren: Die Behauptung, dass der Islam eine Religion des Krieges und des Schwertes sei, so al-Tayyeb mehrfach, "ist nicht wahr". Im Gegenteil: Der Koran lehre die absolute Glaubensfreiheit, Männer und Frauen seien gleichgestellt, Toleranz ein Grundpfeiler der islamischen Lehre.
Al-Tayyeb: Mitglieder des IS sind Terroristen
Die Terroristen des selbst ernannten Islamischen Staates, hätten, erklärte der Ägypter, der an der Sorbonne Gastprofessor war, die Prinzipien des Islam verraten. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass in erster Linie Muslime Opfer von Gewalt und Terror des IS seien. Schon allein deshalb, sei es "unlogisch, wenn man alle Muslime mit diesen Mördern gleichsetzt". Auch in Ägypten kommt es immer wieder zu Anschlägen - im Sinai kämpft der Staat seit Langem gegen Extremisten.
Al-Tayyeb appellierte, gemeinsam und geschlossen gegen Extremismus und Terrorismus zu kämpfen - und forderte einen Dialog zwischen den Religionen: "Lassen Sie uns gemeinsam ein neues Kapitel aufschlagen, damit wir das Blutvergießen und die Flüchtlingswelle beenden." Bundeskanzlerin Angela Merkel dankte er explizit für ihre "barmherzige Haltung" in der Flüchtlingskrise.
Bundestagspräsident Norbert Lammert lobte den Groß-Imam für seinen Einsatz, mahnte aber an, dass der Dialog auch Juden mit einbeziehen müsse. "Nur dann können wir Frieden herstellen und wahren." Der Dialog zwischen Religionen sei möglich und nötig, so Lammert weiter.
Al-Tayyeb forderte außerdem europäische Muslime auf, die Werte der Länder, in denen sie lebten, zu bewahren. Gleichzeitig warnte er, dass Muslime die Loyalität ihres jeweiligen Landes verlieren könnten, wenn sie sich nicht gleichberechtigt fühlten. Das sei gefährlich: "Diese Loyalität schützt sie vor Extremismus und Gewalt."
Treffen mit Papst Franziskus?
Am Mittwoch wird der Groß-Scheich in Münster an einer Friedenskonferenz der Weltreligionen teilnehmen. Danach wird er nach Angaben der Universität Münster, auf dessen Einladung er in Deutschland ist, weiter in den Vatikan reisen. Der Vatikan hat die Reise allerdings bislang noch nicht bestätigt.
Damit knüpft Al-Tayyeb an einen 1998 begonnenen Dialog zwischen der Al-Azhar Universität und dem Vatikan an. Die Gespräche wurden jedoch 2011 abgebrochen, nachdem Papst Benedikt XVI. nach einem Anschlag auf koptische Christen im ägyptischen Alexandria Regierungen in aller Welt dazu aufgefordert hatte, Christen besser zu schützen.