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Politik

Gros: Russland kann nur verlieren

Mikhail Bushuev
31. Juli 2017

Mit den jüngsten Beschlüssen des US-Senats dreht sich die Sanktionsspirale zwischen Russland und dem Westen weiter. Wirtschaftsexperte Daniel Gros bewertet im DW-Interview die russischen Sanktionen gegen die EU.

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Symbolbild Beziehungen Russland EU
Bild: Imago/Christian Ohde

DW: Sie behaupten, Russlands Antwort auf die EU-Sanktionen habe Moskau eher geschadet und widersprechen somit indirekt dem russischen Präsidenten Putin, der immer wieder betont, wie positiv sie für Russland seien. Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

Daniel Gros: Wenn man durch Gegensanktionen seine eigene Volkswirtschaft von den billigsten Lieferanten abschneidet, kann man dabei nur verlieren. Und dies war der Fall für die Nahrungsmittel, deren Import von den russischen Sanktionen beziehungsweise Gegensanktionen betroffen sind.

Sie argumentieren vor allem mit dem Verlust der Kaufkraft russischer Haushalte …

Genau, besonders im Lebensmittelbereich. Die europäischen Produzenten lieferten die qualitativ besten und billigsten Produkte. Danach musste man auf andere, teurere Produkte ausweichen.Deswegen haben letztlich die russischen Haushalte wegen dieser Gegenmaßnahmen erheblich an Kaufkraft verloren. Das sieht man am Verbraucherpreisindex, wenn man die Lebensmittelpreise miteinbezieht.

Sie haben einen Bericht vorgelegt, in dem Sie die Folgen der russischen Gegensanktionen gegen die EU auf die EU-Wirtschaft analysieren. Welche Bilanz ziehen sie?

Man braucht sich eigentlich nur die nackten Zahlen anzusehen. Dann sieht man, dass die europäischen Exporte nach Russland zurückgegangen sind. Aber dies ist nur deswegen passiert, weil alle russischen Importe zurückgegangen sind. Denn es gab - im Prinzip per Zufall - zur gleichen Zeit eine Rezession in Russland, bedingt durch niedrige Ölpreise.

Der einzige Sektor, der etwas stärker gelitten hat, waren die Nahrungsmittelexporte. Die waren von den russischen Gegensanktionen besonders betroffen. Dabei zeigt sich, dass die europäischen Produzenten offenbar sehr flexibel sind. Denn insgesamt sind die Nahrungsmittel-Exporte der EU nicht gesunken. Das heißt also, die europäischen Hersteller haben es geschafft, den Verlust des russischen Marktes durch Absatz-Märkte in anderen Ländern zu kompensieren. Deswegen waren wohl die Kosten der russischen Gegensanktionen für die europäische Wirtschaft gleich null.

Daniel Gros, EU-Experte
Wirtschafts-Experte und CEPS-Direktor Daniel GrosBild: DW/B. Riegert

Ihre Bilanz hört sich viel optimistischer an als beispielsweise die der Wifo-Studie aus Österreich, in der behauptet wird, Europa habe Milliarden von Euro und mehrere Tausend Jobs verloren. Was würden Sie dazu sagen?

Zuerst muss man sich vor Augen halten, dass die russischen Importe deswegen zusammengebrochen sind, weil der Ölpreis sich halbiert hat. Und das ist etwas ganz Fundamentales, was man nicht außer Acht lassen kann. Zweitens, hat diese österreichische Studie gemutmaßt, dass weniger Touristen nach Europa kommen wegen dieser Sanktionen und dass Europa in puncto Tourismus etwas verliert. Aber auch dies zeigt sich nicht. Denn wir müssen davon ausgehen, dass die Russen, wenn sie - wegen des Ölpreises, nicht wegen der Sanktionen - geringere Einkommen haben, auch weniger Geld haben, um ins Ausland zu reisen. Deswegen würde ich sagen, dass fast der gesamte Verlust an EU-Exporten nach Russland, der Tatsache geschuldet ist, dass der Ölpreis zusammengebrochen ist.

Eine verbreitete Meinung in Russland ist, dass Europa zusammenbrechen würde, wenn der russische Markt wegfiele. Ihrer Darstellung nach könnte sich die EU jedoch einen harten Kurs gegenüber Russland wirtschaftlich durchaus leisten?

Ja, das ist ganz klar. Die europäische Volkswirtschaft ist mehr als zehnmal so groß wie die russische, und sie ist viel flexibler. Sie hat eine sehr starke industrielle Basis. Russland exportiert im Grunde nur Öl und Gas und ein Paar andere Rohstoffe. Russland ist für Europa zweifelsohne ein interessanter Markt, aber es ist ein Nebenmarkt und nicht entscheidend für das Überleben und das Wachstum der europäischen Wirtschaft.

Wenn die neuen US-Sanktionen gegen Russland in Kraft treten, trifft die Sanktionsspirale bald womöglich auch russische Rohstoff-Exporte nach Europa. Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 wäre dann in Gefahr. Sein Nutzen ist in der EU umstritten. Berlin unterstützt die Pipeline, die Osteuropäer haben Angst davor. Wie sehen Sie das?

Ich glaube, man sollte da die Politik außen vor lassen. Das ist sicher kein Geschäft, das für Deutschland wichtig wäre. Es handelt sich darum, dass die Russen auf eigene Kosten eine zweite Gasleitung durch die Ostsee legen wollen. Ob sie in der Zukunft gebraucht wird, weiß niemand. Deutschland kann sicher ohne sie auskommen, denn die bisherige Leitung wird bisher nicht einmal voll genutzt.

Vielleicht verlieren also einige deutsche Rohrlieferanten etwas an Geschäft, aber das ist sicher nichts, was für Deutschland wichtig ist. Ich würde sagen, wenn diese Röhre kommt, wird sie wohl ziemlich leer bleiben. Da wird "Gazprom" ein bisschen Geld hinausgeworfen haben, aber sie daran zu hindern, finde ich nun keine große politische Aufgabe, über die man sich groß streiten sollte.

Daniel Gros ist Direktor und Wirtschaftsexperte des Centre for European Policy Studies (CEPS) in Brüssel.

Das Interview führte Mikhail Bushuev.