Schuldendrama: Ampel auf Gelb
9. Juli 2015Schafft es die griechische Regierung, die europäischen Geldgeber davon zu überzeugen, dass Griechenland ein drittes Hilfspaket verdient? "Die müssen schon einen Hammer-Vorschlag vorlegen, damit alle übrigen 18 Euro-Länder dem griechischen Antrag auf neue Kredite zustimmen können", orakelte der konservative Europa-Abgeordnete Elmar Brok, bevor die neue Liste mit Reformvorschlägen fristgemäß am Donnerstagabend bei den internationalen Geldgebern einging.
Zuvor hatte die griechische Regierung einen offiziellen Antrag auf Hilfen aus dem Rettungsfonds der Euro-Zone (ESM) gestellt. Die nun vorgelegte Reformliste wird an diesem Freitag von den Experten der drei Institutionen, also EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds, geprüft.
Euro-Gruppe berät am Samstag
Außerdem hat die EU-Kommission den Auftrag, eine Analyse zu erstellen, wie viel Geld Griechenland eigentlich braucht und ob die Staatsschulden noch tragbar sind. Die Reformliste aus Griechenland und die Berichte der EU-Kommission werden dann am Samstag den Finanzministern der Euro-Gruppe vorgelegt. Diese sind gleichzeitig auch das höchste Entscheidungsgremium des Rettungsfonds (ESM), der Governeursrat.
Wenn die Finanzminister den Anlauf dann für sinnvoll halten, wird das Paket den Staats- und Regierungschefs am Sonntag vorgelegt. Dieses Verfahren, das normalerweise mehrere Wochen dauern würde und im ESM-Vertrag Schritt für Schritt geregelt ist, wurde wegen der dramatischen Finanzlage in Griechenland auf drei Tage eingedampft. In Brüssel schießen derzeit Spekulationen ins Kraut, was in diesen Papieren steht, wie viel Geld am Ende nötig sein wird. Das Sparvolumen, das die griechische Regierung anbieten will, soll über drei Jahre verteilt bei angeblich zwölf Milliarden Euro liegen, berichten griechische Medien. Sparmaßnahmen dieser Art hatte das griechische Volk beim Referendum mit großer Mehrheit abgelehnt.
Gipfel kann nur den Anfang von Verhandlungen beschließen
Der Sprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, warnte in seiner täglichen Pressekonferenz: "Ich denke, wir sollten uns an die Fakten und Abläufe halten. Und danach ist dann Zeit, sich meinetwegen auch in emotionalen Analysen zu ergehen. Erst muss dem Verfahren gefolgt werden." Die Spannung ist trotzdem groß, denn immerhin hat der Ratspräsident der EU, Donald Tusk, das Gipfeltreffen am Sonntag zur letzten Chance erklärt, das bankrotte Griechenland in der Währungsgemeinschaft Euro zu halten. Am kommenden Sonntag werden die Regierungschefs allerdings nicht schon ein konkretes Hilfspaket für Griechenland oder gar die Auszahlung von Geldern beschließen. Es geht nur darum, den Antrag der Tsipras-Regierung gutzuheißen und Verhandlungen über die Einzelheiten zu beginnen.
Bevor detaillierte Verhandlungen beginnen können, muss der Deutsche Bundestag Finanzminister Wolfgang Schäuble ein Mandat erteilen. Deshalb müsste das deutsche Parlament in der kommenden Woche zu einer Sondersitzung zusammentreten, hatte Parlamentspräsident Norbert Lammert der Deutschen Welle gesagt. Die Verhandlungen über das dritte Hilfspaket nach den Regeln des Rettungsschirms würden dann sicher noch einige Tage oder auch Wochen dauern. Schließlich, so schätzt der Internationale Währungsfonds, würde es um mindestens 50 Milliarden Euro gehen. Der ausgehandelte Hilfsvertrag müsste dann vom griechischen Parlament und auf unterschiedliche Weise von den übrigen 18 Euro-Staaten gebilligt werden. In Deutschland müsste der Bundestag erneut zusammentreten, um das Hilfspaket zu billigen. Erst danach könnte wirklich Geld an Griechenland ausgezahlt werden.
Griechenland braucht finanzielle Brücke
Da drängt sich natürlich die Frage auf, was passiert in dieser Zeit mit Griechenland, wo die Banken geschlossen sind, Kapitalverkehrskontrollen herrschen und die Wirtschaft vor dem Kollaps steht? In Brüssel ist den Akteuren klar, dass die griechische Regierung eine Art Brückenfinanzierung braucht, um überhaupt das Ende der möglicherweise anstehenden Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket zu erreichen. Diese Zwischenfinanzierung müsste am Sonntag von den Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone und den übrigen EU-Staaten beschlossen werden. Offiziell gebe es dazu noch keine Überlegungen, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem letzten Sondergipfel zu Griechenland am Dienstag gesagt. EU-Diplomaten sagten dazu: "Uns wird schon etwas einfallen, wir werden Quellen finden."
Klar ist, dass die Staats- und Regierungschefs erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Notfallkredite für die griechischen Banken (ELA) aufstockt oder zumindest weiter zahlt. Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, äußerte sich gegenüber der italienischen Zeitung "Il Sole 24 Ore" skeptisch auf die Frage, ob es eine Einigung mit Griechenland geben werden. "Ich weiß es nicht, diesmal ist es wirklich schwierig."
Über Schulden reden, aber nicht erlassen
In ihrem Antrag an den Rettungsschirm ESM hat die griechische Regierung ihre stetige Forderung nach einem Erlass alter Schulden nicht wiederholt. Sie erwartet allerdings, dass über die Schuldentragfähigkeit gesprochen wird. Einen klassischen Schuldenerlass lehnen mehrere Euro-Staaten strikt ab. Der Internationale Währungsfonds ist allerdings schon länger der Auffassung, dass Griechenland die bislang aufgehäuften Schulden in Höhe von 320 Milliarden Euro nicht wie im ersten und zweiten Hilfspaket geplant langsam zurückzahlen kann. Bis 2022 soll die Schuldenlast von heute 180 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 120 Prozent zurückgeführt werden.
"Wir brauchen jetzt konkrete realistische Vorschläge aus Athen", sagte Tusk nach einem erneuten Telefonat mit dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras am Donnerstag. "Guter Wille ist nicht genug, wir brauchen etwas Handfestes", betonte der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel. Sollte es am Sonntag nicht zu einer Vereinbarung mit Griechenland über die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket kommen, wäre ein Grexit, das Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone wohl nicht mehr aufzuhalten.