Griechenland: Schuldenerlass und Fregattenkauf?
26. April 2018Auf EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker als obersten europäischen Seelenmasseur ist Verlass und er zog bei seinem Besuch in Athen auch alle Register. Es ist sicherlich kein Zufall, dass er dort gerade am Tag vor dem Treffen der Finanzminister auftrat, die am Freitag in Sofia über das Ende des Hilfsprogramms und die Frage der Schuldenerleichterung entscheiden müssen. "Im Sommer wird Griechenland ein normales Land sein", versprach Juncker in Anspielung auf das dritte Rettungspaket, das im August endet. Und Griechenland sei ihm "wie eine zweite Heimat".
Größtes Lob Griechenland
Juncker warf mit Lobpreisungen für den harten Weg des Landes und seine Bemühungen in den letzten acht Jahren nur so um sich: Die Griechen hätten in ihrer Finanzkrise "Mut und Würde" und bei der Flüchtlingskrise große Tapferkeit gezeigt. Das Wachstum in Griechenland sei zurückgekehrt, so pries Juncker weiter, und jetzt müsse es um Erleichterung bei den Schulden gehen. Als letztes Bonbon warf der Kommissionspräsident noch ein, dass er nie ein Anhänger der Austeritätspolitik gewesen sei - leicht als Seitenhieb auf Deutschland zu verstehen.
Eine Dosis Realität fügte Juncker dann allerdings noch mit seiner Mahnung hinzu, jetzt den Lohn der harten Zeiten nicht zu verschwenden, sondern auf dem versprochenen Weg weiter zu gehen. Denn Griechenland brauche gesunde Banken und vor allem müsse der Kampf gegen Korruption fortgesetzt werden.
Die Ausgangslage in Griechenland ist ordentlich
Die Finanzminister der Eurogruppe können tatsächlich mit Griechenland ziemlich zufrieden sein. Das Wachstum betrug im vergangenen Jahr 1,4 Prozent und wird 2018 mit rund zwei Prozent veranschlagt - das liegt über den Werten aus der Vorausschau, die sie ursprünglich für die Wirtschaftsentwicklung veranschlagt hatten. Die großen Banken haben ihren jüngsten Stresstest bestanden und brauchen derzeit keine neuen Kapitalspritzen. Wobei das eine Momentaufnahme ist, es gibt weiter Sorgen für die Zukunft.
Etwas anders sieht das Bild aus, wenn die Finanzminister auf die Reformauflagen blicken: Noch immer seien 88 der versprochenen Maßnahmen nicht oder nur teilweise umgesetzt, hieß es zuletzt. Erst in dieser Woche hat etwa das griechische Parlament der Privatisierung von Teilen der Stromversorgung zugestimmt. Besonders bei der Privatisierung hapert es, denn die angestrebten Erlöse liegen weit hinter den Erwartungen zurück und der Verkauf von Staatsunternehmen und Liegenschaften geht nur sehr langsam voran. Ende Juni soll die letzte Überprüfung der Auflagen abgeschlossen sein. Erst wenn die Gläubiger sich durchringen, über Mängel hinwegzusehen und das Reformprogramm für erfüllt erklären, ist im August die Bahn frei für das Ende der finanzpolitischen Kuratel.
Unterdessen protestierten in Athen wieder einmal die Rentner - sie leiden inzwischen am längsten unter Einschnitten und Kürzungen. Und Ministerpräsident Alexis Tsipras bereitet sich auf Wahlen im nächsten Jahr vor, er braucht jetzt Erfolge.
Ist Scholz der neue Schäuble?
Kaum jemand war in den vergangenen Jahren in Griechenland so verhasst wie der frühere deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, der als Inbegriff teutonischer Härte und Sparwillen galt. Inzwischen aber ist klar, dass Nachfolger Olaf Scholz von der SPD auch nicht angetreten ist, um den Griechen Geschenke zu machen. Zumal ihm dazu in Berlin die politische Beinfreiheit fehlt, die die Liberalen im Bundestag zusätzlich einschränken wollen. Nur Stunden vor dem Ministertreffen in Sofia versuchten sie ihm im Haushaltsausschuss noch an die parlamentarische Kandare zu nehmen, und eine Zustimmung der Abgeordneten zu einem wie auch immer gearteten Schuldenerlass obligatorisch zu machen.
Es geht um rund 100 von den 300 Milliarden griechischer Staatsschulden, die auf Verlangen des Internationalen Währungsfonds (IWF) hier zur Debatte stehen. Dieser hatte seine Teilnahme am griechischen Rettungspaket davon abhängig gemacht, dass am Ende ein so kräftiger Schuldenerlass stehen müsse, dass das Land wirtschaftlich ohne weitere Hilfen lebensfähig wird. Es geht dem IWF darum, das wieder angesprungene Wachstum nicht durch die Lasten aus dem Schuldendienst zu ersticken, so die Begründung.
Natürlich hätte die Eurozone Griechenland auch ohne Beteiligung des Fonds in Washington retten können, aber es waren ausgerechnet die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister, die auf seiner Beteiligung bestanden hatten. Sie schätzten die IWF- Experten als erfahren und durchsetzungsfähig. Dahinter stand die Angst vor zu viel politischer Weichheit bei einigen europäischen Partnern, insbesondere Frankreich.
Der SPD-Minister Olaf Scholz hätte jetzt allerdings kein Problem damit, ohne den IWF in Griechenland weiter zu machen. Fraglich ist nur, ob die christdemokratische Kanzlerin diese Rolle rückwärts machen und darauf verzichten kann. Aus dem Bundesfinanzministerium wurden inzwischen Überlegungen bekannt, wie ein Schuldenerlass aussehen könnte, der Griechenland weiter unter Aufsicht hält und die Sache für den deutschen Steuerzahler verdaulich machen soll. So könnte er etwa an eine Art automatische Bremse gebunden werden, die dann eintritt, wenn Athen den vereinbarten Reformkurs verlässt.
Streit zwischen Berlin und Paris
Der stärkste Gegner des Bundesfinanzministers hieß in der Griechenlandkrise von Anfang an Frankreich. Dort war man, angesichts eigener Regelverstöße, immer viel geneigter, den Griechen gegenüber nachsichtig zu sein. Auch jetzt will Paris etwa die Rückzahlung der Schulden nach dem Ende des Programms an die Stärke des künftigen Wirtschaftswachstums koppeln: Sollte es erneut schwächeln, würden Athens Raten entsprechend kleiner. Eine Art negativer Anreiz, den Berlin rundum ablehnt. Ein schwaches Wachstum ist kein Grund, Rückzahlungen zu kürzen, heißt es dort.
Noch größerer politischer Ärger entsteht aus dem geplanten Kauf der griechischen Regierung von zwei oder mehr französischen Kriegsschiffen. Zunächst war nur von Leasing die Rede, jetzt aber räumte Verteidigungsminister Panos Kammenos ein, beide Optionen seien im Gespräch. Eine dieser High-Tech Fregatten soll rund eine Milliarde Euro kosten und natürlich wird die französische Nachgiebigkeit in der Frage von Schuldenerlass und Zahlungsmodalitäten mit dem Rüstungskauf verknüpft.
Griechenland argumentiert, man fühle sich bedroht angesichts der anhaltenden aggressiven Politik der Türkei, die den Nachbarn mit Überflügen und ähnlichen Aktionen reizt. Seit jeher war der griechische Rüstungsetat überproportional hoch und galt übrigens auch als einer der Gründe für den hohen Schuldenstand des Landes. Politisch aber ist der Fregattenkauf derzeit eine heiße Kartoffel. Wie kann die Bundesregierung dem deutschen Steuerzahler erklären, dass Griechenland einen Schuldennachlass erhält, um mit dem gesparten Geld französische Kriegsschiffe zu kaufen? Angela Merkel und Olaf Scholz werden sich an diesem Punkt etwas einfallen lassen müssen.