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Griechenland: Festnahmen nach Flüchtlingstragödie

15. Juni 2023

Nach dem Bootsunglück vor Griechenland haben die Behörden neun der Überlebenden festgenommen. Sie sollen als Schleuser agiert haben. Es wird befürchtet, dass Hunderte Migranten ertrunken sind.

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Griechenland | Schiffsunglück bei Kalamata | Festnahme von mutmaßlichen Schleusern
Festnahme mutmaßlicher Schleuser durch die griechische KüstenwacheBild: Byron Smith/Getty Images

Einen Tag nach dem Kentern des Flüchtlingsbootes rund 50 Seemeilen südwestlich der griechischen Halbinsel Peloponnes gibt es keine Hoffnung mehr, noch Überlebende retten zu können. Insgesamt könnten bei dem Unglück mehr als 500 Migranten ums Leben gekommen sein, wie die Behörden unter Berufung auf die Befragung Überlebender und Schätzungen der Kapazität des Bootes bekanntgaben. Nur 104 Menschen überlebten das Unglück. 78 Tote konnte die Küstenwache bislang bergen. Den Großteil der Opfer scheint der rostige, gut 30 Meter lange Fischkutter mit sich in die Tiefe gerissen zu haben.

Rettungskräfte suchen dennoch weiter nach Vermissten. Zwei Patrouillenboote, eine Fregatte der griechischen Marine, drei Helikopter und neun weitere Schiffe sind in dem besonders tiefen Seegebiet im Einsatz.

Griechenland Schiffsunglück
Diese Luftaufnahme des Kutters gab die griechische Küstenwache heraus, kurz bevor das überladene Boot gesunken istBild: HELLENIC COAST GUARD/REUTERS

Die meisten Passagiere des überladenen maroden Flüchtlingsboots stammen laut Küstenwache aus Syrien, Afghanistanund Pakistan. Die geborgenen Toten wurden bereits nach Athen gebracht, wo versucht werden soll, die Leichen unter anderem mithilfe von DNA-Proben zu identifizieren.

Mutmaßliche Schleuser stammen aus Ägypten

Bei den neun Festgenommenen handelt es sich nach Meldungen des staatlichen griechischen Rundfunks um ägyptische Staatsbürger, denen die Bildung einer kriminellen Vereinigung, Menschenschmuggel und das Schiffsunglück selbst angelastet werden. Auch der Kapitän des Fischerbootes soll nach Angaben der Hafenbehörden zu den Festgenommenen gehören. Sie sollen zu dem Schleuserring gehören, der die Fahrt über das Mittelmeer arrangiert hat. Die Männer sollen dem Staatsanwalt der Hafenstadt Kalamata vorgeführt werden. Dieser werde entscheiden, wie es mit den mutmaßlichen Schleusern weitergehe, hieß es. Das oberste Gericht Griechenlands ordnete eine Untersuchung zur Ursache des Unglücks an.

Griechenland | Schiffsunglück bei Kalamata
Überlebende des Schiffsunglück in einer Halle am Hafen von KalamataBild: Angelos Tzortzinis/Pool/AFP/Getty Images

Nach neuesten Erkenntnissen der Behörden sei der Fischkutter vor einigen Tagen aus Ägypten gestartet, habe dann einen Stopp im libyschen Tobruk gemacht und dort weitere Menschen aufgenommen. Danach nahmen die Schleuser Kurs auf Italien. Die Flüchtlinge sollen den Organisatoren des Unglücksboots nach eigenen Angaben pro Kopf zwischen 5000 und 6000 Euro gezahlt haben.

Massenpanik vor dem Kentern

Laut Medienberichten soll es an Bord zur Massenpanik gekommen sein, als die Maschinen des alten Kutters ausfielen. Das übervolle Schiff sei daraufhin aus dem Gleichgewicht gekommen, gekentert und sofort gesunken. Überlebende gaben an, dass viele Passagiere nicht schwimmen konnten und auch kaum einer eine Schwimmweste trug. Auch hätten sich die Menschen unter Deck so schnell nicht ins Freie retten können. Unter ihnen seien viele Frauen und bis zu 100 Kinder gewesen, hieß es.

Griechenland I Migration
Mitarbeiter des Roten Kreuzes befragen ÜberlebendeBild: Thanassis Stavrakis/AP/picture alliance

Am Donnerstagabend zeigte sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bestürzt. "Das ist bedrückend und ruft uns alle mal mehr dazu auf, alles dafür zu tun, dass Menschen nicht diese gefährlichen Fluchtrouten wählen", sagte der SPD-Politiker in Berlin. Er wünsche sich eine Lösung mit Hilfe eines gemeinsamen und solidarischen "Systems des Umgangs" mit der Migration in Europa.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte, man dürfe angesichts dieser Not nicht abstumpfen, sondern müsse beharrlich weiter daran arbeiten, legale Migrationswege zu schaffen. Wenn Menschen anhand von klaren Kriterien nach Deutschland kämen, werde das Geschäftsmodell der Schleuser zerstört.

Die EU-Staaten hatten sich vor einer Woche auf umfassende Reformpläne in der Asylpolitik verständigt. Asylanträge von Migranten, die aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent stammen, sollen bereits an den EU-Außengrenzen innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden. In dieser Zeit will man die Schutzsuchenden verpflichten, in streng kontrollierten Aufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Wer keine Chance auf Asyl hat, soll umgehend zurückgeschickt werden. Denkbar ist allerdings, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht.

qu/bru (dpa, afp, rtr)