Griechenland: Ehemaliger Medienminister verurteilt
1. März 2023Immer wieder sorgt die Nähe zwischen Politik und Medien für Schlagzeilen in Griechenland. Dieses Mal hat es einen linken Top-Politiker erwischt. Am vergangenen Samstag (25.2.23) wurde Nikos Pappas, engster Vertrauter von Oppositionsführer Alexis Tsipras, dem Chef der Syriza-Partei, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen Pflichtverletzung im Amt verurteilt. Dabei hatte Staatsanwältin Olga Smyrli auf Freispruch plädiert. Das Urteil erging einstimmig. Alle dreizehn Richter sehen es als erwiesen an, dass Pappas im Jahr 2016, als damaliger Medienminister der linken Tsipras-Regierung, ein Ausschreibungsverfahren um neue TV-Lizenzen manipuliert hat.
Davon profitiert hatte der linksgerichtete Baulöwe und Medienunternehmer Christos Kalogritsas. Er bekam eine Lizenz, auch wenn er die einschlägigen Kriterien nicht ganz erfüllte. Am Samstag wurde Kalogritsas ebenfalls verurteilt - wegen Beihilfe zur Amtsverletzung. Mit einer Strafe in Höhe von 5000 Euro kommt er glimpflich davon.
Politischer Prozess?
Pappas zeigte sich empört und attackierte die Justiz: "Es war ein politischer Prozess", polterte der Ex-Minister über Twitter. Levteris Koussoulis, Politikexperte und Schriftsteller in Athen, glaubt nicht, dass Pappas einer politischen Verschwörung zum Opfer fällt. "Es geht hier um ein Gerichtsurteil und nichts anderes, zumal die Entscheidung einstimmig war", sagt er im DW-Interview.
Allerdings habe Pappas selbstverständlich das Recht, bei der anstehenden Parlamentswahl, die voraussichtlich im April stattfindet, erneut zu kandidieren und auf eine positive Entscheidung der Wähler zu hoffen. "Das wird ihm wahrscheinlich sogar gelingen. Ich erwarte, dass Pappas bei der Wahl gut abschneidet", so Koussoulis.
Rückblick: Im Jahr 2015 erreicht die Schuldenkrise ihren Höhepunkt, Griechenland droht, aus dem Euro auszuscheiden. Bei der Parlamentswahl im Januar entscheiden sich die Griechen für den Linksruck und wählen Alexis Tsipras zum Regierungschef. Er hatte angekündigt, mit der Sparpolitik zu brechen und die Medienlandschaft in Ordnung zu bringen, "das Dreieck der unlauteren Verflechtung zwischen Politik, Banken und Medien zu beenden". Diese Herkulesaufgabe übernimmt damals Tsipras' Weggefährte Nikos Pappas. Er soll die Sendelizenzen für das Privatfernsehen neu versteigern und dadurch für Transparenz, aber auch für höhere Staatseinnahmen sorgen.
Denn bis dahin verfügten Privatsender in Hellas lediglich über eine "provisorische Genehmigung", die immer wieder zum Spottpreis verlängert wurde. Pappas will die TV-Mogule richtig zur Kasse bitten und verfügt, dass künftig nur noch vier Privatsender erlaubt sind, die jeweils mehrere Millionen in eine langjährige Lizenz investieren sollen. Aber warum nur vier Sender? Die Aufregung ist groß. Der Verband Griechischer Privatsender (ETISEE) droht mit Klagen. Journalisten fürchten um ihre Jobs. Im Juli 2016 kippt das Oberste Verwaltungsgericht Griechenlands (STE) das Verfahren zur Neuvergabe der Sendelizenzen.
Auch für Pappas persönlich wird es heikel - zumal Oppositionsmedien von dubiosen Krediten an den linksgerichteten Unternehmer Kalogritsas berichten, die angeblich mit der Vergabe der TV-Lizenzen in Zusammenhang stehen. Das Geld kommt von der "Attika-Bank", dem fünftgrößten griechischen Geldinstitut, das nicht als systemrelevant gilt und deshalb nicht unter die direkte Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) fällt.
Politisches Nachspiel
Das jetzige Urteil gegen Pappas hat auch ein politisches Nachspiel, das für Oppositionschef Tsipras besonders unangenehm ist: Aus Protest gegen das Gerichtsurteil meldete sich am Montag (27.02.2023) Ex-Minister Pavlos Polakis, ebenfalls ein Schwergewicht der Linkspartei, zu Wort und publizierte auf seiner Website die Fotos von fünfzehn angeblich regierungsnahen Journalisten, die man "loswerden" müsse. Ähnliches gelte im Übrigen für die Mitglieder des Sondergerichts sowie einige Top-Bankiers und Steuerfahnder. Umgehend protestierte die Journalistengewerkschaft ESHEA dagegen, dass "Journalisten zur Zielscheibe werden".
Es war nicht das erste Mal. Im Januar 2016, genau ein Jahr nach der Regierungsübernahme, warfen die Syriza-Medienstrategen bestimmten Journalisten in einem umstrittenen Filmbeitrag Panikmache gegen die Linke vor. Die unliebsamen Medienvertreter wurden sogar namentlich genannt oder im Film gezeigt. Proteste der Journalistengewerkschaft wurden als "lächerlich" abgetan. Damals ließ Tsipras seine Parteikollegen gewähren. Heute verkündet die Syriza-Partei, Polakis dürfe bei der nächsten Wahl nicht mehr kandidieren. Politanalyst Kousoulis: "In den vergangenen Jahren hat sich eben einiges geändert. Tsipras ist gemäßigter geworden, achtet mehr auf die Institutionen und bewegt sich in Richtung Sozialdemokratie."
Pressefreiheit unter Druck
Den in Athen regierenden Konservativen spielt die Empörung über die umstrittenen Syriza-Politiker in die Karten. Denn gerade Regierungschef Kyriakos Mitsotakis von der Nea Dimokratia wurde in den vergangenen Jahren oft vorgeworfen, die Pressefreiheit einzuschränken. Im Ranking von Reporter ohne Grenzen liegt Griechenland aktuell auf dem letzten EU-Platz.
Kritisiert werden insbesondere die staatliche Überwachung von Pressevertretern, die sich offenbar häufenden Angriffe auf Journalisten bei Demonstrationen und nicht zuletzt die Tatsache, dass der Mord am Journalisten Giorgos Karaivaz auf offener Straße im April 2021 immer noch nicht aufgeklärt ist - obwohl die Athener Regierung damals "rasche Aufklärung" ankündigte.
Mitsotakis und sämtliche Politiker der regierenden Konservativen erklären offen, dass sie die Wertung von Reporter ohne Grenzen für irrelevant halten. Eine Griechenland-Reise des Untersuchungsausschusses im EU-Parlament, der die Skandale beim Einsatz von Spionagesoftware untersucht, brachte kaum neue Erkenntnisse. Bei der anschließenden Parlamentsdebatte in Straßburg erklärten mehrere Angeordnete der griechischen Konservativen, die Kritik des Ausschusses sei eine "Einmischung in den Wahlkampf eines EU-Mitgliedsstaates" - obwohl der Wahltermin in Athen noch nicht einmal feststeht.
Der jüngste Wirrwarr um die Syriza-Politiker dürfte kaum dazu beitragen, dass Griechenland seine Position im Pressefreiheits-Ranking verbessert. Ist es wirklich so schlimm bestellt um die Journalisten in Hellas? "Die Pauschalbehauptung, es gäbe in Griechenland keine Pressefreiheit, kann ich nicht akzeptieren", sagt Politikexperte Koussoulis der DW. Aber es gebe mehrere kritische Fragen, die geklärt werden müssten. Und vor allem: "Die meisten Medien geben sich derzeit regierungsfreundlich, unliebsame Themen werden oft ausgeblendet." Der Grund sei vermutlich, dass die Regierung versuche, ihren Einfluss geltend zu machen - etwa durch die Vergabe von Staatssubventionen.