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EU-Hilfen für Flüchtlinge in Griechenland

Bernd Riegert7. August 2015

Griechenland liegt auf einer der wichtigsten Flüchtlingsrouten nach Europa. Unter dem großen Andrang kapituliert die Regierung in Athen. Die EU will zahlen. Aus Brüssel berichtet Bernd Riegert.

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Griechenland Flüchtlinge aus Eritrea vor Rhodos (Photo: Argiris Mantikos/Eurokinissi via AP)
Flüchtlinge aus Eritrea landen an einem Strand auf Rhodos (April 2015)Bild: picture alliance/AP Photo

Der Juli war ein Rekordmonat für Griechenland. "In diesem Monat kamen mehr Flüchtlinge nach Griechenland als im ganzen Jahr 2014", erklärte der stellvertretende Direktor der EU-Grenzschutzagentur "Frontex", Gil Arias Fernandez, am Freitag in Warschau. Frontex spricht von 49.550 Flüchtlingen, die auf dem See- und Landweg nach Griechenland einreisten. Die griechische Küstenwache hat sogar noch höhere Zahlen. Sie will allein in der Ägäis im Juli 54.899 Flüchtlinge aufgegriffen haben.

Die Zahl der neu angekommenen Flüchtlinge in Griechenland liegt in diesem Jahr somit bereits bei mindestens 130.000, rechnete ein Vertreter des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) am Freitag in Athen vor. Damit ist Griechenland in diesem Jahr zum wichtigsten Erstaufnahmeland der EU geworden, bestätigte der stellvertretende Direktor der EU-Grenzschutzagentur. "Auch wenn Italien nach wie vor mit einer großen Zahl von Migranten zu kämpfen hat, hat sich in den letzten Monaten herausgestellt, dass der Weg jetzt vornehmlich über Griechenland führt und hier die Hauptlast liegt", sagte Gil Arias Fernandez. Die Flüchtlinge setzen aus der Türkei, geführt von Schlepperbanden, mit kleinen Ruderbooten oder Schlauchbooten auf die nicht weit entfernten griechischen Inseln Lesbos, Chios, Kos und Samos über.

Karte Flüchtlinge auf griechischen Inseln (DW)

Tsipras fordert Solidarität

Die Unterbringung der Flüchtlinge und ordentliche Asylverfahren waren schon vor diesem Rekord ein gewaltiges Problem in Griechenland, das selbst mit einer schweren Wirtschaftskrise fertig werden muss. Jetzt hat der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras kapituliert. Er erklärte nach einer Krisensitzung am Freitag in Athen, die Infrastruktur seines Landes sei zu schwach, um mit dem Andrang fertig zu werden. "Jetzt wird sich zeigen, ob die Europäische Union eine Union der Solidarität ist oder eine EU, in der jeder versucht nur seine eigenen Grenzen zu schützen", sagte Tsipras dem staatlichen Fernsehsender ERT.

Griechenland Alexis Tsipras Syriza-Parteichef (Photo: EPA/ORESTIS PANAGIOTOU)
Tsipras: "Wir erleben eine Krise in der Krise."Bild: picture-alliance/epa/O. Panagiotou

Er versprach, man werde alles tun, um die Flüchtlinge menschlich zu behandeln. Seit Jahren kritisieren Menschenrechts-Organisationen, aber auch die EU-Kommission, die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern. Der Europäische Gerichtshof hat die Verfahren für unzureichend erklärt und teilweise die Rückführung von Asylbewerbern nach Griechenland untersagt. Diese Asylbewerber müssten nach den Regeln der EU eigentlich ein Verfahren in Griechenland durchlaufen, weil sie dort zuerst an Land gegangen sind.

"Totales Chaos auf den Inseln"

Der UN-Flüchtlingskommissar fordert Griechenland auf, sich besser um die Flüchtlinge zu kümmern. "Auf den Inseln herrscht das totale Chaos", sagte Vincet Cochetel, Europa-Direktor des UNHCR nach einem Besuch auf Lesbos, Kos und Chios. Die Ernährung sei unzureichend. Die Flüchtlinge müssten schutzlos unter freiem Himmel nächtigen. Nach der Überführung nach Athen erwarte sie dort das "Nichts", so Cochetel. Die griechischen Behörden müssten etwas unternehmen, anstatt nur die Verantwortung hin und her zu schieben. Viele Flüchtlinge versuchen deshalb, so schnell wie möglich aus Griechenland in nördliche EU-Staaten zu reisen.

Die EU-Kommission hatte schon vor Wochen einen "Notstand" in Griechenland und Italien attestiert und will 40.000 Flüchtlinge aus beiden Ländern auf andere EU-Staaten verteilen. Nach langem Hickhack hatten sich einige EU-Staaten zur freiwilligen Aufnahme von Flüchtlingen bereit erklärt. Praktisch umgesetzt wurde das aber noch nicht, heißt es in Brüssel von EU-Diplomaten.

EU-Kommission will Gelder an Griechenland überweisen

Die Vorwürfe aus Athen, Griechenland werde allein gelassen, wies eine Sprecher der EU-Kommission am Freitag in Brüssel zurück. "Wir tun bereits eine ganze Menge", sagte Natasha Bertaud. In der kommenden Woche will die Kommission etwa acht Millionen Euro für Flüchtlingshilfen in Griechenland freigeben. Die Auszahlung einer ersten Tranche von etwa 260 Millionen Euro, die Griechenland im EU-Haushalt bis 2020 für diese Aufgabe zustehen, ist erst jetzt möglich, weil Griechenland zunächst nachweisen musste, was mit dem Geld passieren soll. Voraussetzung für Gelder aus dem Migrationsfonds der EU ist ein nationales Programm mit konkreten Projekten.

Asylbewerber in Griechenland (Photo: EPA/ORESTIS PANAGIOTOU)
Chaotische Zustände: Asylbewerber in AthenBild: picture-alliance/epa/O. Panagiotou

Zusätzlich zu den 260 Millonen Euro für direkte Flüchtlingshilfe könnten die griechischen Behörden auch noch 166 Millionen Euro für einen verbesserten Grenzschutz abrufen, teilte die EU-Kommission mit. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte am Mittwoch mit dem zuständigen EU-Kommissiar für Migration - zufällig auch ein Grieche -, Dimitris Avramopoulos, telefoniert. "Wir haben wirklich gravierende Probleme und deshalb haben wir um Hilfe gebeten", so Tsipras.

Frontex: Nicht genug Boote für Operation "Poseidon"

Gleichzeitig beklagt die EU-Grenzschutzagentur Frontex, dass andere EU-Mitgliedsstaaten Griechenland hängen liessen. Für die Grenzschutz- und Rettungsoperation "Poseidon", die Frontex in ser Ägäis betreibt, fehlten Schiffe und Flugzeuge. "Wir haben vor zwei Monaten zu Meldungen aufgerufen. Bis jetzt liegen nicht genug vor", sagte der stellvertretende Frontex-Direktor Gil Arias Fernandez in Warschau. Das gelte auch für die Grenzschutz-Operation in Ungarn, die Frontex anführt.

Auch dafür gebe es zu wenig Personal und Ausrüstung aus den Mitgliedsstaaten. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten auf ihrem Sondergipfel zu Flüchtlingfragen im April beschlossen, die Frontex-Operationen vor der italienischen Küste, in Griechenland und in Ungarn zu stärken. "Griechenland ist wieder einmal ein Beispiel dafür, dass diesen Worten auch Taten folgen müssen", kritisierte Natasha Bertaud, die Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel.