Greenpeace verliert Spendengelder
15. Juni 2014Anzeige
Prostete gegen Gazprom, Shell oder Walfang: Seit Jahrzehnten macht die Umweltorganisation Greenpeace mit ihren waghalsigen Aktionen weltweite Schlagzeilen. Die Formel dahinter: Mehr Aufmerksamkeit bedeutet mehr Spenden. Die Schlagzeilen seit diesem Sonntag (15.06.2014) dürften den Aktivisten weit weniger gefallen: Greenpeace hat "gezockt", heißt es da. Konkret: Ein Mitarbeiter in der Amsterdamer Zentrale hatte Währungsgeschäfte getätigt, die auf einen sinkenden Euro-Kurs spekuliert haben sollen - und dabei 3,8 Millionen Euro verloren. Wie viele deutsche Spendengelder bei der Aktion vernichtet wurden, ist derzeit noch nicht bekannt. Immerhin spendeten im vergangenen Jahr über eine halbe Million Menschen in Deutschland Greenpeace Geld für den Schutz der Arktis vor Ölbohrungen oder den Kampf gegen Atom- und Kohlekraft. Der verantwortliche Mitarbeiter in der Finanzabteilung wurde sofort entlassen.
Der deutsche Ableger reagierte prompt. Durch einen "gravierenden Fehler" bei Greenpeace International im Zusammenhang mit der Absicherung gegen Wechselkursschwankungen sei ein Verlust von 3,8 Millionen Euro entstanden, teilte Greenpeace Deutschland jetzt mit. "Wir bedauern den Verlust außerordentlich und möchten uns bei unseren Fördermitgliedern ausdrücklich entschuldigen." Der Kommunikationschef von Greenpeace Deutschland, Michael Pauli, sagte der Deutschen Welle: "Man hat versucht sich abzusichern, was man nicht hätte tun dürfen." Der Mitarbeiter habe sich dabei über geltende Regeln hinweg gesetzt. Und weiter. "Die Kontrollmechanismen bei Greenpeace International haben nicht funktioniert." Um Zockerei sei es dennoch nicht gegangen, verteidigte er Greenpeace International.
Fließende Grenzen
Dem Millionen-Verlust liegt ein tieferliegendes Problem zugrunde. Die Zentrale in Amsterdam arbeitet mit Euro, die weltweiten Landesbüros mit den nationalen Währungen. Also gibt es je nach Wechselkursschwankung Verluste oder Gewinne. "Jedes Jahr hat Greenpeace International mit diesen Währungsschwankungen zu tun", sagt Pauli. Entgegen der sonst üblichen Praxis habe man sich 2013 entschieden, sich dagegen abzusichern und Währungen zu einem festen Kurs zu kaufen - ein Fehler.
Auch Burkhard Wilke vom DZI-Spendensiegel kennt das Problem: Wenn sich der Wechselkurs ungünstig verhalte, könne für die Organisationen innerhalb von Wochen ein beträchtlicher Verlust entstehen. "In gewissem Maße ist es auch notwendig, dass Währungsrisiken abgefangen werden", sagt er. Eine Organisation könne sich schützen, in dem sie diese Gelder sammelt und in sicheren Währungen anlegt. "Aber hier ist die Grenze zu Währungsspekulation zu beachten und nicht fahrlässig zu überschreiten." Spekulation fange für ihn da an, wo auf steigende oder fallende Kurse gesetzt werde. "Eine der Kernfragen, die jetzt dringend aufgeklärt werden müssen aus unserer Sicht: Sind die Verluste jetzt nur entstanden, weil man sich gegen Währungsrisiken absichern wollte oder sind sie entstanden, weil spekuliert worden ist?"
Hansjörg Elshorst, lange Jahre Geschäftsführer der GTZ und Gründungsmitglied von Transparency International, hält das Vorgehen der Umweltorganisation trotz der Kritik für weniger verwerflich."Ich habe auch von meinen Mitarbeitern erwartet, dass sie das Geld vernünftig anlegen - nicht spekulativ riskant, aber doch so, dass der Wert erhalten bleibt oder vermehrt wird", sagt Elshorst im DW-Gespräch. Das Problem bei diesen Operationen: "Das sind fließende Grenzen zwischen Geldanlage und Spekulation, die kritikwürdig ist."
Mehr Informationen notwendig
Gemeinnützige Organisationen im Währungsgeschäft - für viele Menschen erscheint das paradox. Dabei soll genau das der Wunsch einiger Stiftungsaufsichten sein: Mit dem Geld müsse "gut gewirtschaftet" werden, sagt Wilke. Und das bedeutet in Zeiten niedrigen Zinsniveaus, dass die Gelder nicht auf einem Girokonto, sondern zumindest auf einem Festgeldkonto oder sogar in einem Portfolio angelegt werden. "Ich kann ganz allgemein Spendern nur empfehlen, die Geschäftsberichte wahrzunehmen - viele dieser Berichte sind auch eine sehr aussagekräftige Visitenkarte der NGOs."
Noch immer gebe es viele Missverständnisse darüber, wie spendensammelnde Organisationen funktionieren. Deshalb sollten die NGOs offener mit ihrer Geschäftspraxis umgehen, meint Spendenfachmann Wilke: "Nach unserer Beobachtung gibt es immer noch viele übertriebene Reserven und Zurückhaltungen, weil die Organisationen fürchten, dass es zu einem Vertrauensverlust kommt, wenn sie Anlagepraktiken öffentlich machen."
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