Grammy für Kraftwerk
24. Januar 2014Es ist wie der Ritterschlag: Der Grammy gilt als die höchste internationale Auszeichnung in der Musikbranche. In der Regel finden sich in der Liste der Preisträger Künstler und Produktionen, die kommerziell die erfolgreichsten des vorangegangenen Jahres waren. Bei den Ehren-Grammys, die von der Akademie bereits vorab gesetzt sind, gelten allerdings andere Kriterien. So heißt es in der Begründung für den Grammy fürs Lebenswerk von Kraftwerk: "Diese verblüffend einzigartige und talentierte Gruppe hat einige der herausragendsten und einflussreichsten Stücke der Musikgeschichte geschrieben. Ihr Vermächtnis ist legendär und zeitlos, und ihre Kreativität wird weiter die Generationen beeinflussen und inspirieren."
So umschrieben zu werden, das haben sich Ralf Hütter und Florian Schneider sicherlich gewünscht, als sie Kraftwerk 1970 gegründet haben. Gemessen an der Resonanz damals war es aber kaum absehbar. Die beiden waren ihrer Zeit voraus, auch bereits zwei Jahre zuvor, als sie ihr erstes gemeinsames Musikprojekt mit Namen "Organisation" ins Leben riefen. Das Publikum brauchte eine Weile, um zu verstehen, welche musikalische Revolution Kraftwerk losgetreten hatte. Der Durchbruch der Band kam 1974 mit ihrem Album "Autobahn".
Kraftwerk machen "elektronische Volksmusik"
Es folgten die Alben "Radio-Aktivität" und Anfang 1977 "Trans Europa Express". Sie begründeten das, wofür die Band fortan stand: Monotonie, Wiederholung und Bewegung; statt blumiger Worte beschränkte man sich textlich fast ausschließlich auf Aussagen, die von Hinweisschildern hätten stammen können. "Von Anfang an hatten wir ein Konzept für eine elektronische Volksmusik. Diese Musik ist eine Art Zukunftsmusik für das Zeitalter der Computerwelt", erklärt Florian Hütter die Philosophie der Band.
Wobei der Ausdruck "Band" für Kraftwerk eigentlich unzutreffend ist. Es war von Anfang an ein Zwei-Mann-Unternehmen, wobei sich beide "Musiker" immer als Diener der Maschinen verstanden und ihre wechselnden Mitstreiter als "musikalische Mitarbeiter". Kraftwerk lösten den etablierten Bandkontext auf. Jedes "natürliche" Instrument wurde elektronisch ersetzt. Auch der gemeinsame Auftritt der Düsseldorfer geriet immer künstlicher, und schließlich entschieden sie sich für den kompletten Austausch der Musiker durch Roboterfiguren.
Mythos "Kraftwerk"
Zum Mythos von Kraftwerk gehört neben der Musik auch die betonte Zurückgezogenheit der Musiker: Kein Zutritt für Außenstehende zur Zentrale der Band, dem "Kling-Klang-Studio" in Düsseldorf, und Interviews sind bis heute rar, und wenn sie stattfinden, dann sitzen den Reportern oft nur die Roboter-Dummies gegenüber.
2009 verließ Gründungsmitglied Florian Schneider Kraftwerk, und so ist Ralf Hütter die letzte verbleibende "Mensch-Maschine", wie er sich gerne selbst bezeichnet. Er verwaltet Kraftwerks Erbe und geht auch wieder auf Tournee. In einem Interview verkündet er, dass er seinen Nachnamen in Kraftwerk ändern will.
Und weiterhin ungebrochen ist der immense Einfluss, den Kraftwerk seit Veröffentlichung von "Autobahn" auf die Musikwelt genommen hat. Mit seinem Stil habe Kraftwerk Künstler wie Björk, Blondie, David Bowie, Daft Punk und Depeche Mode inspiriert, heißt es in der Erklärung der Recording-Academy in Los Angeles, die die Grammys vergibt. Und die Liste der Künstler, die sich auf den Einfluss durch Kraftwerk beziehen, ließe sich nahezu endlos verlängern.
Sieben Grammys fürs Lebenswerk
Die Grammy-Akademie würdigte in diesem Jahr ebenso die Beatles als eine der "einflussreichsten Gruppen der Musikgeschichte". Neben Kraftwerk und den Beatles erhielten auch der mexikanische Songschreiber Armando Manzanero, der Countrysänger Kris Kristofferson, die Funkband The Isley Brothers sowie - posthum - der Blues-Musiker Clifton Chenier und die Violinistin Maud Powell den Grammy fürs Lebenswerk.