Grüner Wasserstoff: Spaniens riskanter Plan
26. April 2023Es ist Spaniens ganzer Stolz. Hier in der Region Castilla-La Mancha, in der ehemaligen Kohlenminenstadt Puertollano, 250 Kilometer südlich von Madrid, steht Europas größte Anlage für die Produktion von grünem Wasserstoff. Hier wird Sauberkeit verkauft, obwohl es auf dem Schornstein-Gelände nach Chemie riecht. Die rauchende Öl-Raffinerie des Energiekonzerns Repsol und die Produktion des Kunstdüngerherstellers Fertiberia sind in unmittelbarer Nähe.
Bis 2030 soll Fertiberia zu 100 Prozent vom Anlagenbetreiber Iberdrola mit grünem Wasserstoff versorgt werden, derzeit sind es gerade mal zehn Prozent. Hier in Puertollano wird klar, warum grüner Wasserstoff einerseits zwar ein Hoffnungsträger ist, andererseits aber auch deutlich macht, warum Spaniens Unterfangen, Deutschlands billiger Energielieferant zu werden, für beide risikoreich ist und es trotzdem vorerst keine andere Lösung gibt.
Düngemittelriese mit schlechtem Ruf
Dabei hängt alles zusammen. Spanien ist trotz seiner chronischen Trockenheit und Dürre der wichtigste Exporteur von Agrarprodukten. Das machte Fertiberia zum Weltkonzern. Aber sowohl die massive Produktion von Kunstdünger als auch die Erzeugung von grünem Wasserstoff braucht viel Wasser und davon gibt es immer weniger in Spanien. Fertiberia hat wegen Umweltverschmutzung seit jeher einen schlechten Ruf. Schon seit einem Jahr werben sie trotzdem damit, dass sie von Iberdrola mit grüner Energie beliefert werden und damit nachhaltig sind - obwohl das, wie erwähnt, auf gerade ein Zehntel der Produktion zutrifft.
Würde Fertiberia grünen Wasserstoff zu 100 Prozent anwenden, würde der Dünger so teuer, dass Spaniens florierende Agrar-Exportwirtschaft am Ende wäre und deutsche Konsumenten in Folge nicht mehr so billig Erdbeeren aus Spanien kaufen könnten. "Es gibt eine Ressourcenknappheit auf allen Ebenen, welche überall zu hohen Preisen führt und grüne Wasserstoffproduktion momentan nicht rentabel macht", sagt Roberto Gómez-Calvet von der Universidad Europea in Madrid. Iberdrola träumt von riesigen Offshore-Windparks, die die Produktion von Wasserstoff grün machen sollen. Aber auch das setzt Milliarden teure Investitionen voraus.
Mit EU-Steuergeldern subventioniertes Geschäft
"Wir warten auf die EU-Next-Generation-Gelder, um die Produktion günstiger zu machen," erklärt Javier Plaza de Agustín, der durch die Produktionsanlage von Iberdrola führt. Wieviel es an Steuergeldern geben wird und wie teuer der von ihnen mit Solarenergie produzierte grüne Wasserstoff derzeit ist, darüber will er nicht reden.
Beim Gang über das Gelände wird auch klar, dass H2 nicht ungefährlich ist. Damit Menschen überhaupt die Anlagen betreten können, werden diese abgeschaltet. Das Gas ist zwar ungiftig und riecht auch nicht, allerdings ist es hochentzündlich. Grünen Wasserstoff in normalen Gasleitungen zu transportieren, wird von vielen genau deswegen in Frage gestellt. Es müsste verflüssigt werden, auch für den Transport auf dem Schiff, wozu weitere Energie notwendig wäre.
Zumindest ist das Projekt direkt an die industrielle Produktion angeschlossen, was Antonio Turiel vom spanischen Forschungsinstitut CSIC, für notwendig hält: "Wir müssen auch bei der Energiegewinnung lokal denken. Es ist nicht effizient, Energie durch Europa zu schicken oder zu verschiffen und auch für unsere Stromnetze ist weniger direkte Belastung besser." Iberdrola hat deswegen neben seiner Anlage einen Solarpark gebaut, der die Produktion mit grünem Strom speist, aber um wie geplant in 2030 auf 100 Prozent Auslastung zu kommen, wären noch viele weitere Parks notwendig.
"Nicht genügend grüne Quellen"
Trotz aller Auseinandersetzungen um die Technologie will Spaniens Premier Pedro Sánchez die Gunst der Stunde nutzen, und das Land zum Wasserstoff-Experten machen. Die 17 autonomen spanischen Regionen reißen sich um Fördergelder aus Brüssel. Die verschiedenen Projekte sollen zudem dazu beitragen, die Problematik der Landflucht in Spanien zu stoppen. "Aber dennoch sollten wir die Komplexität nicht aus den Augen verlieren. Die Elektrolyse, die Verdichtung, die Verflüssigung frisst enorm viel Strom und wir haben nicht genug grüne Quellen, um unseren aktuellen Bestand an Schwerindustrie in Europa mit grünem Wasserstoff aus Spanien zu befeuern", warnt Energieexperte Victor Ruiz Ezpeleta von der Madrider Business School EAE.
Auch das auf Druck der Franzosen ins Leben gerufene 2,5 Milliarden Euro schwere Projekt H2MED gilt als umstritten. Durch die geplante Pipeline soll das Gas von Spanien durch das Mittelmeer nach Frankreich fließen. Das internationale Institut für Recht und Umwelt IIDMA glaubt, dass dies erhebliche Risiken mit sich bringt und weder wirtschaftlich noch nachhaltig ist. Der für die Organisation arbeitende Rechtsanwalt Quentin Aubineau glaubt, dass die geplante Lieferung von zwei Millionen Tonnen grünem H2 bis 2030 nach Frankreich völlig unrealistisch ist.
Der Besuch in Puertollano macht auch klar, dass es schwierig scheint, dass alles so weiter geht wie bisher. "Unser auf Wachstum basierendes System war nur durch billiges Öl und Gas möglich. Das ist jetzt vorbei. Im Fall von Deutschland finde ich es traurig, dass so viele Betriebe pleitegehen, weil sie die Energiepreise nicht mehr zahlen können," sagt Turiel. Aber einen Ausweg aus der Energiekrise, den sieht er auch nicht so schnell.