Afghanistan statt Irak
10. Dezember 2007Der Richtungswechsel von Premierminister Gordon Brown ist nach Ansicht von Experten durchaus vernünftig. "In Afghanistan gibt es noch Erfolgsaussichten", so Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Im Irak sei Großbritannien dagegen gescheitert. "Gordon Brown will das Problem Irak möglichst schnell loswerden."
Gordon Brown hat am Montag (10.12.07) überraschend Afghanistan besucht. Soldaten der Internationalen Schutztruppe ISAF hatten am Freitag zuvor gemeinsam mit afghanischen Regierungstruppen begonnen, den Distrikt Musa Kala in der südafghanischen Provinz Helmand zurückzuerobern. "Ich weiß, dass einige von Ihnen hier am Wochenende in Musa Kala mit der Vertreibung der Taliban aus der Gegend einen sehr wichtigen Job gemacht haben", sagte Brown vor britischen Soldaten. Die Taliban hatten Musa Kala im Frühjahr eingenommen. Einem BBC-Bericht aus der Krisenprovinz zufolge sind sie nun auf der Flucht.
Basra bald unter irakischer Kontrolle
Derzeit sind rund 6000 britische Soldaten am Hindukusch stationiert. Von Rückzug ist keine Rede – anders als im Fall Irak. Die gesamte Provinz Basra im Südirak, die unter britischem Mandat steht, soll innerhalb der nächsten zwei Wochen an die Iraker übergeben werden, kündigte Brown am Sonntag bei einem Blitzbesuch in Basra an. Die Zahl der stationierten britischen Soldaten soll bis Mitte 2008 von 4500 auf 2500 Soldaten reduziert werden. Die Sicherheitslage habe sich gebessert, sagte Brown zur Begründung vor Soldaten. "Die Gewalt ist nicht beendet, aber jetzt können wir die Kontrolle über die Provinz abgeben, dank dem, was Sie erreicht haben." Schon im September hatte Großbritannien seine im Irak stationierten Soldaten auf den Flughafen von Basra zurückgezogen.
Experten bestreiten freilich, dass es in Basra ruhiger geworden sei. Derzeit herrsche nur "relative Sicherheit", kritisierte Anfang Dezember ein Bericht des Verteidigungspolitischen Ausschusses im britischen Unterhaus. Der Grund dafür sei, dass die verschiedenen Milizen im Moment in etwa gleich stark sind. Das Ziel, "die erforderliche Sicherheit für die Entwicklung repräsentativer politischer Institutionen herzustellen", sei hingegen nicht erreicht worden, so das bittere Fazit der Parlamentarier.
"Briten hinterlassen Chaos"
In der südirakischen Provinz herrsche Bürgerkrieg, Schießereien seien an der Tagesordnung, kritisiert auch SWP-Mitarbeiter Guido Steinberg. "Die Briten hinterlassen den Südirak im Chaos. Das ist eine Flucht." Militärisch sei die Anwesenheit der britischen Soldaten ohnehin sinnlos geworden, seit diese nur noch auf dem Flughafen von Basra stationiert sind. Nach Einschätzung Steinbergs ist sich die britische Regierung allen offiziellen Verlautbarungen zum Trotz schon länger im Klaren, dass sie im Irak gescheitert ist. "Der Schwerpunkt ist seit 2005 Afghanistan, 2006 wurde der Irak aufgegeben."