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Was ist Glyphosat?

Fabian Schmidt25. August 2015

Glyphosat ist heute das weltweit meistgenutzte Unkrautvernichtungsmittel. Darüber, ob es gefährlich ist, streiten Umweltschützer, Landwirte und Gesundheitsexperten leidenschaftlich. Hier die wichtigsten Fakten.

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Hände eines Bauern und Glyphosat (Foto: AP/ Eranga).
Glyphosat hat sich innerhalb der letzten zwanzig Jahre zum weltweit meistgenutzen Herbizid entwickeltBild: picture alliance/AP Photo/Jayawardena

Was ist Glyphosat?

Der Stoff mit der chemischen Formel N-(Phosphomethyl)glycin ist das weltweit am meisten eingesetzte Herbizid. Bekannt unter den Markennamen Roundup, Clinic, Touchdown, Vorox oder Glyphomax, tragen Landwirte, Gärtner und sonstige Anwender jährlich weltweit vermutlich weit über 700.000 Tonnen des Stoffes in die Umwelt ein. Genaue Produktionszahlen gibt es nicht, weil der Patentschutz des Herstellers Monsanto aus dem Jahre 1974 in den meisten Ländern mittlerweile abgelaufen ist, und der Stoff jetzt von vielen Herstellern vermarktet wird. Seit den frühen 1990er Jahren stieg der Verbrauch weltweit dramatisch an.

Wer setzt es ein?

Landwirte nutzen Glyphosat, um Unkräuter, die den eigentlichen Nutzpflanzen Konkurrenz machen könnten, am wachsen zu hindern oder sie zu zerstören. Das geht nur, wenn die Nutzpflanzen nicht selbst durch Glyphosat eingehen. Neben einigen herkömmlichen Glyphosat-resistenten Pflanzen sind dies meist transgene Sorten - vor allem Mais und Soja.

Landwirt versprüht Pflanzenschutzmittel (Foto: dpa).
Landwirte bringen Glyphosat in der Regel nur in starken Verdünnungen auf. Das reicht, um Unkräuter zu verhindern.Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Darüber hinaus nutzen Landwirte Glyphosat auch häufig, um kurz vor der Getreideernte ein Abwelken der Getreidepflanzen einzuleiten, und damit ein vorzeitiges Abtrocknen der Halme und Blätter zu erreichen. Das Verfahren namens Sikkation lässt sich die Erntereife zu einem gewünschten Zeitpunkt sicherstellen - etwa rechtzeitig vor einer erwarteten Starkregenphase.

Gärtner nutzen das Herbizid gerne im Garten- und Landschaftsbau, zum Beispiel auf unversiegelten Kiesoberflächen, wo zwar Wasser versickern, aber nichts wachsen soll. Auch Eisenbahnnetzbetreiber setzen die Chemikalie in den Schotterbetten der Gleisanlagen ein, um zu verhindern, dass diese zuwuchern.

Wie wirkt es?

Glyphosat hemmt ein bestimmtes Enzym namens EPSP-Synthease, das in Pflanzen für die Biosythese verschiedener aromatischer Aminosäuren wichtig ist. Dieses Enzym kommt bei Mensch und Tier nicht vor. Dafür spielt die EPSP-Synthease auch bei den meisten Mikroorganismen eine Rolle. Vor einigen Jahren kam deshalb der Verdacht auf, dass Glyphosat über den Umweg der Magen- und Darmbakterien durchaus eine Wirkung entfalten könnte.

Der hohe Glyphosatanteil in Futtermitteln könne möglicherweise bei Rindern chronischen Botulismus auslösen. Ein Forschungsprojekt der Tierärztlichen Hochschule Hannover konnte seitdem dafür allerdings keinen Nachweis erbringen. Bei Pflanzen verhindert das Wirkprinzip die Photosynthese - die Pflanze verwelkt. Den Wirkstoff nehmen die Pflanzen über die Blätter auf. Daher wird das Mittel meist als Salzlösung oder Säure gesprüht. Um die Verteilung auf den Blattoberflächen zu verbessern kommen Netzmittel zum Einsatz. Einige davon standen in der Kritik, weil sie als reizende Gefahrstoffe einzustufen waren.

Wo ist es zugelassen und wofür?

130 Staaten der Welt haben Glyphosat zugelassen. In der Europäischen Union ist ab 2016 eine Neuzulassung fällig. Das Deutsche Bundesamt für Risikobewertung (BfR) tritt hierbei als Berichterstatter in der Frage der Gesundheitsfolgen auf. Schon jetzt ringen Umwelt- und Verbraucherschützer, Hersteller und verschiedene landwirtschaftliche Interessengruppen heftig gegen bzw. für die Fortsetzung der Neuzulassung.

Die Niederlande haben im April 2014 die Zulassung beschränkt: Gartencenter und Supermärkte dürfen seitdem Glyphosat nicht mehr offen verkaufen. Frankreich setzt auf eine Selbstbeschränkung der Verbrauchermärkte. El Salvador, Sri Lanka und Bermuda haben in den letzten Jahren Glyphosatverbote erlassen.

Welche Bedeutung hat es für die Welternährung?

In der weltweiten Agrarproduktion spielt Glyphosat vor allem bei Soja und Mais eine wichtige Rolle. Der Anteil der transgenen Sojasorten ist seit den 90er Jahren von unter zehn Prozent auf etwa 80 Prozent gestiegen. Bei den Zuchtlinien steht hier, neben dem hohen Ertrag, vor allem die Glyphosatresistenz im Mittelpunkt. Auch das ist ein Grund, weshalb sich die Sojaproduktion praktisch im gleichen Zeitraum explosionsartig vervielfacht hat: Wurden Anfang der 60er Jahren noch weniger als 30 Millionen Tonnen jährlich produziert, liegt die heutige Jahresproduktion bei über 200 Millionen Tonnen.

Der Mais hat eine ähnlich rasche Entwicklung wie Soja genommen: Im gleichen Zeitraum stieg die jährliche Weltproduktion von etwa 200 Millionen Tonnen auf heute über 800 Millionen Tonnen.

Beide Pflanzenarten sind vor allem als Futtermittel bedeutsam. Mais außerdem zur Gewinnung von Treibstoff. Aufgrund des weltweiten Bevölkerungswachstums und der schnell wachsenden Mittelschicht in Schwellenländern, die zunehmend höherwertige Nahrungsmittel konsumieren, führt nach Meinung vieler Agrarökonomen an einer Steigerung des Ertrages pro Fläche nichts vorbei. In den letzten Jahrzehnten hat gerade Glyphosat in Verbindung mit transgenen resistenten Sorten dazu erheblich beigetragen.

Sojaanbau in Argentinien (Foto: Cesar Zoldano).
In Argentinien hat sich die Sojaanbaufläche seit Ende der 1990er Jahre vervielfachtBild: DW/E. O’Neill

Bei welchen Konzentrationen gilt Glyphosat als giftig?

In der EU gilt ein verhältnismäßig strenger Grenzwert von 0,3 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht für die Aufnahme als erlaubte Tageshöchstdosis. In den USA ist dieser Wert mit 1,7 Milligramm deutlich höher. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht von einem Grenzwert von einem Milligramm aus. Als richtig giftig gilt Glyphosat dabei erst ab einer Menge von 175 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht.

In Lebensmitteln gelten in der EU unterschiedliche Grenzwerte: Für Buchweizen und Reis nur 0,1 Milligramm pro Kilogramm, bei Getreide, das nach der Glyphosat-Sikkation geerntet wurde, ist es hingegen deutlich mehr: Zehn Milligramm pro Kilogramm Erntegut.

Das BfR hat im Vorfeld der Entscheidung über die erneute Zulassung in der EU 150 nach fest vorgegebenen Standards durchgeführte toxikologische Originalstudien und weitere 900 in wissenschaftlichen Zeitschriften publizierte Studien untersucht und kam zu einem Ergebnis, das die Befürworter des Herbizids als Gewinn verbuchen durften: Es gebe "keine Hinweise auf eine krebserzeugende, reproduktionsschädigende oder fruchtschädigende Wirkung durch Glyphosat" bei Versuchstieren.

Dem widerspricht eine Studie der Internationalen Organisation für Krebsforschung (IARC) der WHO, die zu dem Ergebnis kam, dass Glyphosat als "Kanzerogen Gruppe 2A" zu bewerten sei, also "wahrscheinlich krebserzeugend" beim Menschen. Das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) - ein anderes Gremium der WHO - teilt indes die Meinung der IARC nicht und hat sich der Bewertung des BfR angeschlossen. Mittlerweile hat die WHO eine Task Force eingerichtet, die den Widersprüchen zwischen beiden Gremien auf den Grund gehen soll.

Im Rahmen der Debatte um die Neuzulassung des Herbizids erregte auch eine Studie im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen weite mediale Aufmerksamkeit. Forscher hatten in Proben von Muttermilch zwischen 0,2 und 0,4 Nanogramm Glyphosat pro Milliliter gefunden. Das entspricht dem doppelten bis vierfachen des Grenzwertes für Trinkwasser. Das BfR verwies in einer Stellungnahme auf methodische Schwierigkeiten, etwa beim Testverfahren und der Vergleichbarkeit mit anderen toxikologischen Untersuchungen.

Eine Mutter stillt ihr Baby (Foto: evgenyatamanenko).
Toxikologen des BfR halten die Gefahr für Babys durch Glyphosatspuren in der Muttermilch für geringfügigBild: Fotolia/evgenyatamanenko

Allerdings hätten andere Studien auf der Basis von Urinproben stets gezeigt, dass die Glyphosat-Belastungen "unterhalb eines gesundheitlich bedenklichen Bereichs" liegen und auch keine Anreicherung im Fettgewebe nachweisbar sei.

Einiges deutet mittlerweile darauf hin, dass Erkrankungsfälle in Gebieten, in denen Glyphosat großflächig eingesetzt wurde nicht ursächlich auf Glyphosat zurückgingen, sondern möglicherweise auf andere beigesetzte Chemikalien - entweder Insektizide oder Netzmittel, mit denen das Glyphosat versetzt war. So waren in Gebieten Argentiniens die Krebsraten bei Dorfbewohnern gestiegen, nachdem Dörfer durch Flugzeuge eingenebelt wurden. Auch in Kolumbien, wo die Regierung Glyphosat aus Flugzeugen versprüht hat, um Coca-Plantage zu entlauben, gab es schwere Erkrankungsfälle.

Wie schnell zersetzt sich Glyphosat?

Glyphosat ist zwar chemisch stabil, etwa in Bezug auf UV-Licht, zersetzt sich aber im Boden mittelfristig durch biologische und mineralogische Prozesse. Glyphosat lagert sich an Erzen im Boden an und ist daher nur selten oder nur in geringen Konzentrationen im Grundwasser nachweisbar.

Die Halbwertszeit von Glyphosat auf Feldern und in Gewässern wird auf weniger als zwei Wochen geschätzt. Im Wald dauert es im Durchschnitt 32 Tage, bis sich Glyphosat zur Hälfte aufgelöst hat.