Harte Zeiten für Klima-Aktivisten
2. April 2020Seitdem die Fridays For Future Klima-Bewegung 2018 ins Leben gerufen wurde, haben Schüler regelmäßig für eine umweltfreundliche Zukunft demonstriert. Doch nun in Zeiten des COVID-19 Virus sind solche Klimaproteste zum Erliegen gekommen.
"Es ist für uns derzeit undenkbar auf der Straße zu demonstrieren", sagt Ariadne Papatheodorou, eine 16-jährige Fridays-for-Future-Klimaaktivistin aus Athen. "Wir wissen, dass wir in einer Krise stecken - ebenso wie die europäischen Gesundheitssysteme. Wir wollen nicht, dass Menschen sterben, also bleiben wir zuhause".
"Digitale Streiks" als Lösung?
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg hat ihre Anhänger per Twitter dazu aufgerufen, auf Massenkundgebungen zu verzichten und stattdessen auf digitale Streiks während der Corona Krise zu setzen. Unter dem hashtag #ClimateStrikeOnline, sind Menschen dazu aufgerufen Fotos, Videos und Botschaften zu posten, die Reformen zur Begrenzung der Erderwärmung auf weniger als 1,5 Grad Celsius bis 2100 thematisieren.
"Eine globale Pandemie bedeutet nicht, dass die Klimakrise vorbei ist. Wir müssen weiter streiken, um den Druck aufrechtzuerhalten", so Dylan Hamilton, ein 15-jähriger Fridays-fo-Future-Aktivist aus Schottland. Die Gruppe hat vor kurzem den Twitter-Account "Fridays For Future Digital" aufgesetzt. Dort können Streikende aus aller Welt Fotos hochladen und teilen, die sie mit Protestplakaten zeigen.
Bislang schwache Teilnehmerzahlen
Der digitale Protest fällt allerdings bislang sehr mager aus. Am 27. März gab es etwas über 1.000 Teilnehmer, laut Fridays for Future Digital. Einer davon ist der 10-jährige Lance Lau aus Hong Kong. Er demonstriert seit 27 Wochen alleine in dem Garten seines Nachbarn für den Klimaschutz. "Trotz der Hong Kong Proteste und der Unterdrückung durch die Polizei letztes Jahr demonstriere ich hier", sagt Lance der DW.
Proteste trotz Warnungen
Aber nicht jeder nimmt die Proteste und Sicherheitsmaßnahmen gegen das neue Coronavirus so ernst wie die jungen Klimaaktivisten. Im Zuge hitziger Debatten in Indien zu einem umstrittenen Staatsbürgerschaftsgesetz hatten sich etwa trotz eindringlicher Warnung zahlreiche Demonstranten zu Protesten in Shaheen Bagh, einem Stadtteil von Delhi, versammelt. Später wurde einer der Demonstranten positiv auf COVID-19 getestet.
Laut Ashiq Rahman von Fridays For Future India hatte man bis zuletzt gehofft, die Klima-Proteste in den Straßen Indiens fortführen zu können, da die Ausgangssperren auf Europa und die USA begrenzt waren. Die Shaheen Bagh Kundgebung und anschließende landesweite Verbreitung des Corona Virus hat dem nun aber einen Riegel vorgeschoben.
"Corona bekommt mehr Aufmerksamkeit als die Klimakrise. Das ist ein Problem", so Rahman. "Wir stehen vor einer langfristigen Erderwärmungskrise". Es sei daher wichtig, dass man auch in Zeiten von Corona die notwendigen Klimamaßnahmen nicht aus den Augen verliere.
Fridays For Future plant jetzt wöchentliche Webinars und Diskussionsrunden mit führenden Wissenschaftlern, Journalisten und Aktivisten.
Klimakampf in der Krise
Die digitalen Proteste werden jedoch "bei weitem nicht dasselbe Maß an öffentlichem Interesse generieren, wie es die Straßenproteste letztes Jahr getan haben", sagt Dieter Rucht, Soziologieprofessor und Vorstandsmitglied des Instituts für Protest und Bewegungsforschung. Er glaubt, dass es für die Fridays-For-Future Bewegung sehr schwierig werden wird, Menschen zu mobilisieren, da andere Themen derzeit einfach wichtiger seien.
"Fridays For Future ist nicht tot", so Rucht. Da die Teilnehmerzahlen aber schon vor der Corona-Krise zurückgegangen sind, werde die Bewegung nun "auf ein Minimum schrumpfen". Ein Post auf Facebook sei einfach nicht vergleichbar mit dem Protest auf der Straße.
Eine Hauptforderung der Protestbewegung ist die Reduzierung von Treibhausgasen. Genau dies passiert aber nun ohnehin im Zuge der Corona-Krise und Drosselung der Wirtschaft - daher "löst sich die Argumentationsgrundlage der Bewegung gewissermaßen in Luft auf". Andreas von Bubnoff, Professor für Wissenschaftskommunikation an der Hochschule Rhein-Waal, glaubt dennoch, dass die Pandemie lehrreiche Impulse für die Klimakrise liefern kann.
Corona: Lehren für das Klima?
"Ein Ergebnis der Pandemie ist vielleicht die Erkenntnis, wie viel besser wir dastehen könnten”, sagt von Bubnoff. Er bezieht sich dabei auf Erfahrungen, die er vor kurzem bei einer Reise in die kambodschanische Hauptstadt Phnom Penh gesammelt hat. "Die Leute dort waren begeistert von der verbesserten Luftqualität und dem geringen Verkehrsaufkommen - beides Folgen der Pandemie. Ich denke solche Erlebnisse zeigen den Menschen, wie schnell wir das Klima verändern können, wenn wir es kollektiv angehen. Das sollte uns Grund zur Hoffnung geben", so von Bubnoff.
Ein weiteres Beispiel sei die Analyse tiefsitzender Gewohnheiten, die sich negativ auf den CO2 Ausstoß auswirken. "In Ländern wie Deutschland zwingt uns die Pandemie unter anderem alternative Arbeitsmodelle auf, so arbeiten viele derzeit im Home Office", so Bubnoff. "Dadurch hinterfragen wir die altmodische aber gleichzeitig in Deutschland weitverbreitete Annahme, dass man zum Arbeiten immer ins Büro kommen muss. Dies ist klimaschädlich, denn es führt zu viel Pendlerverkehr".
Bald wieder gemeinsam auf der Straße?
Obwohl die Klimaproteste vorerst in den Hintergrund gerückt sind, glauben Experten an ein Comeback der Fridays-For-Future-Bewegung. Rucht erwartet neue Proteste, sobald die Pandemie vorüber ist.
Die griechische Klimaaktivistin Ariadne Papatheodorou hofft, dass es nicht zu lange dauern wird, bis man den Protest wieder auf die Straße tragen kann. "Heute rettet die Jugend die Alten, indem sie nicht draußen protestiert", sagt sie, "Morgen müssen dann die Alten meine Generation retten, indem sie zusammen mit uns auf die Straße gehen".