Gletscher schmelzen um ein Drittel
19. März 2018Die weltweite Gletscherschmelze lässt sich vorerst nicht aufhalten und wird noch in den nächsten Jahrzehnten kräftig voranschreiten. Nach einer Studie um den Bremer Klimaforscher Prof. Ben Marzeion, die im Fachjournal Nature Climate Change veröffentlicht wurde, wird die weltweite Masse der Gletscher langfristig um mindestens 36 Prozent zurückgehen.
Die Autoren der Studie kommen zum Ergebnis, dass das Schmelzen von Gletschereis eine Reaktion auf bereits emittierte Treibhausgase und den damit verbundenen Temperaturanstieg ist. Ambitionierte Emissionsreduktionen können daher nur dafür sorgen, dass darüber hinaus nicht noch mehr Gletschereis schmelzen wird.
Um die heutigen Gletschermassen auf dem derzeitigen Niveau zu halten, müsste laut der Studie die globale Durchschnittstemperatur wieder auf das Niveau der vorindustriellen Zeit (um 1870) fallen.
Nach vorläufigen Daten der Weltorganisation für Meteorologie lag die durchschnittliche globale Erdtemperatur im Jahr 2017 bei etwa 1,1 Grad Celsius über der vorindustriellen Zeit um ca. 1850.
15 Kg Gletschereis schmelzen durch ein Kg mehr CO2 in der Atmosphäre
Gletscher haben sich im laufe vieler Jahrtausende gebildet. Laut Angaben der Autoren sorgt jedes Kilogramm CO2, dass in die Atmosphäre zusätzlich emittiert wird, für einen langfristigen Verlust von 14,8 KG Gletschereis weltweit. Den zusätzlichen Eisverlust in der Arktis und Antarktis berechneten die Forscher nicht. Ein Hin- und Rückflug zwischen Berlin und New York mit einem Jumbo verursacht somit pro Person das langfristige Schmelzen von fast 100 Tonnen Gletschereis.
Ob die globale Durchschnittstemperatur wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart bei 1,5 Grad oder zwei Grad gestoppt werden kann, wird laut Studie für die Gletscher in diesem Jahrhundert keinen großen Einfluss mehr haben und erst nach 2080 relevant. Der größte Teil der anstehenden Gletscherverluste bis 2100 resultiere aus den bereits gemachten Emissionen der Menschheit in der Vergangenheit.
Verantwortung für die Zukunft
"Die Autoren zeigen hier, dass Gletscher noch lange auf Veränderungen reagieren, die bereits in der Vergangenheit stattfanden", kommentiert Torsten Albrecht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) die Studie.
Die Gletscher und auch der Eismassen in Grönland und der Antarktis seien ein "Langzeitgedächtnis" und zeigten "sowohl die historische Dimension unserer Verantwortung für die folgenden Generationen als auch die Notwendigkeit, das Zeitalter fossiler Energienutzung so rasch wie möglich hinter uns zu lassen."
Tobias Bolch, Leiter der Arbeitsgruppe Glaziologie an der Universität Zürich sieht in der Studie große Übereinstimmungen mit früheren Studien. Es sei lange bekannt, dass Gletscher auf vergangene Klimazustände reagieren und eine gewisse Zeit benötigten bis sie sich angepasst haben. "Die Stärke der Studie ist, dass die Anpassungszeit global quantifiziert und klar dargelegt wurde, dass es kurzfristig keinen Unterschied macht, wie stark die Temperatur steigt."
Als ein "nützliches Werkzeug zur Abschätzung vergangener und zukünftiger Entwicklung", bezeichnet der Klimaexperte Johannes Fürst von der Uni Universität Erlangen-Nürnberg die Studie. Auch er hält es für wichtig den globalen Temperaturanstieg so schnell wie möglich zu begrenzen, um Schäden zu verringern.
"Ein Hauptaspekt des globalen Gletscherrückgangs ist die lokale und regionale Frischwasserversorgung zur Überbrückung von Trockenzeiten. Viele kleinere, tiefergelegene Gletscher werden verschwinden. In Regionen mit erwartetem Wasserversorgungsdruck gibt jedes zusätzliche Jahr, das ein Gletscher überlebt, wertvolle Zeit für Anpassungsmaßnahmen."