Wie grün sind die Kirchen in Deutschland?
9. März 2021Auf den ersten Blick, so scheint es, sind Klima- und Umweltschutz für die Kirchen kein neues Thema - längst gibt es jede Menge kirchliche Umweltpreise, eigene Broschüren zum klimagerechten Bauen, und sogar einen kirchlichen CO2-Kompensationsfonds, die "Klimakollekte". Im vergangenen Jahr mahnten auch Kirchenvertreter, die Politik dürfe wegen der Corona-Pandemie keine Abstriche beim Klimaschutz machen. Also alles "öko" in den beiden großen Kirchen in Deutschland?
Längst nicht alles - aber schon einiges, meint dazu Oberkirchenrätin Ruth Gütter, Referentin für Nachhaltigkeit bei der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). Immerhin 16 der 20 deutschen Landeskirchen hätten Klimaschutzkonzepte beschlossen, berichtet Gütter.
Evangelische Klimaneutralität bis 2050
Dazu gehörten etwa Maßnahmen zur Gebäudesanierung oder für umweltfreundliche Mobilität der Mitarbeiter. "Allerdings muss man selbstkritisch sagen, dass wir unser Ziel, bis zum Jahr 2020 unsere Treibhausgas-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 2005 zu senken, nicht erreicht haben", gibt die Nachhaltigkeitsreferentin zu. Aber man habe immerhin eine Reduktion von etwa 30 Prozent geschafft.
Spätestens 2050 sollen dann alle Bereiche der Kirche klimaneutral sein, das hat die EKD Synode, das Leitungsgremium der evangelischen Kirchen, beschlossen.
Die Schöpfung unterwerfen oder bewahren?
Theologisch lasse sich der Einsatz der christlichen Kirchen für die Umwelt aus den biblischen Schöpfungsberichten im Alten Testament ableiten, erklärt Ruth Gütter. Im zweiten Schöpfungsbericht (Genesis 2,15) heißt es, der Mensch solle "die Erde bebauen und bewahren", sagt sie: "Der Mensch darf zwar gestalten, aber er soll achtsam mit der Mitschöpfung umgehen. Wobei wir heute feststellen: Die Schöpfung muss eigentlich eher vor uns bewahrt werden."
In der Katholischen Kirche sehe man das genauso, erklärt Mattias Kiefer. Der katholische Theologe ist Sprecher der AGU, der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der deutschen Diözesen. Insgesamt 20 von 27 katholischen Bistümern in Deutschland haben solche Umweltbeauftragte.
Papst Franziskus: Umweltschutz als Chefsache
In der Weltkirche gebe es schon sehr lange ein starkes Bewusstsein für den Klimaschutz, erzählt Kiefer. Denn die Auswirkungen des Klimawandels träfen vor allem die Menschen in armen Ländern. Das widerspreche der katholischen Soziallehre, die ein gutes Leben für alle in den Mittelpunkt hebe. Spätestens seit der Enzyklika "Laudato Si" von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015 sei das Thema Klima- und Umweltschutz auch auf den Führungsebenen der Katholischen Kirche angekommen, berichtet der Theologe.
Enzykliken sind die wichtigsten Lehrschreiben des Papstes und gelten als Wegweiser für alle katholischen Kirchen. In "Laudato Si" hatte Franziskus einen Schwerpunkt auf den Umgang mit der Natur gelegt. "Unsere Schwester [die Mutter Erde] schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat", schrieb der Papst darin. Es sei eine "dringende Herausforderung, unser gemeinsames Haus zu schützen".
"Seitdem müssen Bischöfe überall auf der Welt schauen: Was macht kirchliches Handeln mit dem Klima und der Natur?", erklärt Kiefer.
Katholische Handlungsempfehlungen zur Ökologie
2018 veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz Handlungsempfehlungen zu Ökologie und nachhaltiger Entwicklung. Darin fordern die katholischen Bischöfe, die Verantwortung für die Schöpfung zum Beispiel im Gottesdienst zu thematisieren. Auch umweltverträgliches Gebäudemanagement, nachhaltiges Wirtschaften und umweltfreundliche Mobilität werden angemahnt. Der erste Bericht über erreichte Ergebnisse soll diesen Herbst erscheinen.
Schon früher habe es an vielen Stellen umweltbewusstes Handeln in den Gemeinden gegeben, sagt AGU-Sprecher Kiefer. "Aber nun muss man in Konfliktfällen nicht mehr nach Rechtfertigungen dafür suchen. Und die Kirchenleitungen werden stärker in die Pflicht genommen."
"Kirchliches Klima-Engagement reicht noch nicht"
Yvonne Berlin und Georg Sauerwein sehen das bisherige Umweltengagement der deutschen Kirchen kritischer. Sie gehören dem Bündnis "Christians for Future" an, das sich als Schwesterorganisation der Klimabewegung Fridays for Future versteht.
Zwar gebe es viele gute Einzelinitiaiven in den Kirchen, aber "in der breiten Fläche wird insgesamt noch zu wenig getan", so der Katholik Georg Sauerwein. "Die EKD will zwar bis 2050 klimaneutral sein - aber um die Auswirkungen der Klimakrise noch in den Griff zu bekommen, müssen wir spätestens ab 2035 klimaneutral sein." Auf katholischer Seite haben sich laut Sauerwein nur die Sozialorganisation Caritas sowie die Bistümer Freiburg und Köln ein engagiertes Klimaschutzziel auf die Fahnen geschrieben: Hier will man bis 2030 Klimaneutralität erreicht haben.
Yvonne Berlin, evangelische Christin, moniert, dass es vor allem für kleine Gemeinden mit wenig Geld zu wenig Unterstützung für klimagerechtes Handeln gebe. So habe die Evangelische Kirche zwar das Umweltmanagementsystem "Grüner Hahn" ins Leben gerufen. Doch von den 24 evangelischen Gemeinden in Berlin machten gerade einmal zwei dabei mit.
Die Kirche müsse sich vor allem stärker in die Politik einmischen und die wirklich großen Hebel bewegen, etwa ihr Vermögen aus allen fossilen Energieträgern abziehen, fordert Georg Sauerwein. "Und das muss sie laut und öffentlich tun. Wenn Kirche ihre prophetische und gesellschaftliche Stimme für den Umwelt- und Klimaschutz erheben und ihr Engagement in die Breite tragen würde, hätte das ein riesiges Potential."
Kirchlicher Widerstand gegen Umweltschutzziele
Als Sprecher der katholischen Umweltbeauftragten kennt Mattias Kiefer die Widerstände, die das angestrebte Umweltengagement erschweren und teils verhindern. Diese gebe es auch in der kirchlichen Verwaltung. "Hier gibt es einige Spannungsfelder, etwa die Verpachtung von Kirchenland und Immobilien oder auch die Anlage von Vermögen."
Dass es beim Thema Umweltengagement in den Kirchen unterschiedliche Meinungen gibt, zeigt sich etwa im Braunkohlegebiet im Rheinland. Für den Abbau der Kohle hatte das Bistum Aachen dem Verkauf mehrerer Grundstücke an das Energieunternehmen RWE zugestimmt.
"Das Vorgehen des Bistums hat viele Kirchenmitglieder hier schwer enttäuscht und wütend gemacht", erzählt Britta Kox, Pressesprecherin der Organisation "Alle Dörfer bleiben" und selbst Katholikin. "Dabei hatte das Bistum noch bis Mitte der 1990er-Jahre das Motto 'Kein Verkauf von Kirchenland' ausgegeben."
Nun sollen noch weitere Dörfer dem Tagebau weichen, obwohl der Ausstieg aus der Braunkohle schon beschlossen ist. Als Anfang des Jahres bekannt wurde, dass ein örtlicher Pfarrer seine Kirche für den Braunkohleabbau sogar vorzeitig aufgegeben wollte, formte sich breiter Widerstand, bis der Aachener Bischof das Vorhaben stoppte. Mittlerweile unterstützt das Bistum eineResolution gegen das geplante Abbaggern der Dörfer.
Eine innere Haltung zur Klimagerechtigkeit
"Wenn sich Kirchenakteure solchen politischen Forderungen oder auch den Klimastreiks anschließen, hat das immer eine besondere Wirkung," sagt Maria Schell vom Ökumenischen Netzwerk für Klimagerechtigkeit.
Aus dem Netzwerk der beiden Kirchen entstand unter anderem die Gruppierung "Churches for Future", die bei den Klimastreiks mitmacht. "Eine Ordensschwester mit einem Klimaplakat in der Hand ist einfach ein ermutigender Hingucker, und wenn Klimabanner an Kirchen hängen, spricht das andere Zielgruppen an, als die Schüler auf den Demos."
Und christliches Klima-Engagement biete noch einen weiteren Vorteil, sagt Schell. "Durch den Glauben erhält das Thema eine positive Vision. Wir wollen Klimagerechtigkeit für alle herstellen." Mit dieser inneren Haltung erscheine umweltgerechtes Handeln nicht als Verzicht sondern als Motivation und Möglichkeit, eine bessere Welt zu schaffen.