"Glatte Zwei" für die Digitale Agenda
5. Juli 2016Mit dieser Note kann die Bundesregierung zufrieden sein. "Das ist eine glatte Zwei", sagt Bitkom-Präsident Thorsten Dirks am Dienstag in Berlin beim Stichwort Digitale Agenda. Lediglich bei neun von 121 Einzelmaßnahmen sei noch nichts passiert. Mehr als die Hälfte, nämlich 66 Punkte, seien schon umgesetzt worden und der Rest befinde sich in Arbeit. Zwei Jahre nach der Verabschiedung des anspruchsvollen Programms sei das eine "beachtliche Bilanz". Auch sonst fallen die Ergebnisse des aktuellen Branchenbarometers überwiegend positiv aus, für das der Digitalverband gut 200 Unternehmen befragt hat. Die meisten beurteilen ihre wirtschaftlichen Aussichten optimistisch.
Über die gute Stimmung werden sich vor allem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und der für Verkehr und digitale Infrastruktur zuständige Alexander Dobrindt (CSU) freuen. Bitkom-Chef Dirks verknüpft sein Lob aber auch mit der Erwartungshaltung, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen. Als Zielmarke für das nächste Zeugnis und damit für den Digital-Standort Deutschland insgesamt formuliert er das absolute Maximum: "Wir müssen mindestens mit Eins+ abschneiden." Mehr geht nicht.
Priorität schnelles Internet im Mittelstand
Auf der Habenseite stehen aus Bitkom-Sicht so unterschiedliche Dinge wie die Plattform "Industrie 4.0", das jüngst beschlossene Gesetz zur WLAN-Störerhaftung oder die nach zähem Ringen zustande gekommene Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union (EU). Auch die Stärkung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gehört zu dieser Aufzählung. Als Risiko bewertet der Bitkom den Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Für eine abschließende Bewertung ist es laut Dirks aber "noch zu früh".
Von der deutschen Politik erwartet er gut ein Jahr vor der Bundestagswahl, dass sie bei der Digitalen Agenda das Tempo hoch hält. "Wir können uns keine Denkpause leisten." Ganz oben auf der Prioritäten-Liste des Digitalverbandes steht die Lösung eines lange bekannten und immer wieder beklagten Problems: "Ein schnelles Internet, vor allem im Mittelstand." In den Kinderzimmern werde schneller gesurft als in den Chefetagen, bringt es Dirks auf den Punkt.
Start-ups zufrieden in Deutschland
Als weitere Baustelle sieht er die Lage junger Start-up-Unternehmer. Benötigt werde mehr Geld, insbesondere "Venture-Capital", womit außerbörsliche Finanzmittel risikobereiter Investoren gemeint sind. Ein entsprechendes Gesetz, wie es im Koalitionsvertrag der Regierung beschlossen sei, wäre ein "wichtiges Signal" an die Szene. Dann würden künftig vielleicht auch weniger als 32 Prozent der vom Bitkom befragten Start-ups die USA als das Land nennen, in dem sie bei der nächsten Unternehmensgründung ihr Glück versuchen würden. Dass die Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik trotzdem ganz passabel zu sein scheinen, legt eine andere Zahl nahe: 44 Prozent würden sich nämlich wieder für Deutschland entscheiden.
Das vergleichsweise große Vertrauen in den Standort Deutschland spiegelt sich, wie schon in den vergangenen Jahren, in der wirtschaftlichen Lage der Branche wider. So konnten 70 Prozent der Informationstechnologie- und Telekommunikationsunterhemen (ITK) ihre Umsätze im ersten Halbjahr steigern. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) will bis Ende 2016 neue Arbeitsplätze schaffen. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Beschäftigten nach Bitkom-Angaben erstmals bei knapp über einer Million. Zusammen erwirtschafteten sie einen Umsatz von 156 Milliarden Euro.
"Der Staat muss vorangehen"
Um das Niveau langfristig halten und ausbauen zu können, erwartet der Bitkom weitere Impulse aus der Politik. Nachholbedarf diagnostiziert der Digitalverband nach wie vor in der Verwaltung von Behörden. "Der Staat muss mit gutem Beispiel vorangehen", fordert Bitkom-Präsident Dirks. Er gebe aber gerne zu, dass es sich dabei um eine "Herkules-Aufgabe" handele. Dennoch: Mit einer besseren digitalen Infrastruktur hätte man zum Beispiel in der Flüchtlingsfrage "viel weiter" sein können.
Apropos: Der Bitkom verspricht sich von den Neuankömmlingen für die von ihm vertretenen mehr als 2300 Unternehmen eine ganze Menge. Fast die Hälfte der für das Branchenbarometer befragten Firmen glaubt, unter den nach Deutschland geflohenen Menschen Fach- und Führungskräfte finden zu können. Sieben Prozent der Unternehmen haben nach eigenen Angaben Flüchtlingen bereits feste oder befristete Jobs angeboten. Die Zahl der angebotenen Praktika liegt demnach sogar bei elf Prozent.