NRW: Feinjustierung für die kleinen Parteien
15. Mai 2017Selbst als Gewinner kann man nach einer Wahl enttäuscht sein - wenn das Ergebnis nicht den eigenen hohen Erwartungen entspricht. Der Alternative für Deutschland (AfD) geht das so nach der Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die rechtspopulistische Partei hat es mit 7,4 Prozent am Sonntag in das 13. Landesparlament geschafft, doch das erhoffte zweistellige Ergebnis war es nicht. Letztes Jahr lief es insgesamt besser für die Partei; aber das Ergebnis der NRW-Wahl war aus ihrer Sicht besser als noch das vor einer Woche bei den Wahlen in Schleswig-Holstein und davor im Saarland. "Der Negativtrend der vergangenen Monate ist gestoppt", sagt die NRW-Spitzenkandidatin Alice Weidel am Tag nach der Wahl in Berlin. Die Führung der Partei erwartet nun für die Bundestagswahl im September einen weiteren Stimmenzuwachs; man sei bundesweit nicht weit von der Zweistelligkeit entfernt.
Die Parteivorsitzende Frauke Petry beschreibt das Problem so: "Die AfD wird immer noch zu sehr als Protestpartei wahrgenommen." Sie folgert das aus den Daten, die ihr über die Wähler vorliegen. 120.000 ehemalige Nichtwähler hätten nach Petrys Angaben ihr Kreuz bei der AfD gemacht. Deswegen verordnet sie ihrer Partei eine "Profilschärfung". Die Wähler wüssten immer noch nicht genau, wofür die AfD stehe "und auch nicht, wofür sie nicht stehe". Tatsächlich sind viele Diskussionen wie die über den Umgang mit rechtsnationalistischem Gedankengut in der jungen Partei noch virulent. In zahlreichen Landes- und Bezirksverbänden werden ganz eigene Alternativen zur Bundes-AfD gelebt. Gegen den Thüringer Parteichef Bernd Höcke läuft ein Parteiausschlussverfahren wegen abfälliger Äußerungen über das Berliner Holocaustdenkmal.
Klar ist am Tag nach der Wahl in NRW, dass die Parteispitze das Bild einer gesetzestreuen und demokratischen Organisation mit Perspektive abgeben will. "Je älter die Partei wird, desto ruhiger wird sie", verspricht Marcus Pretzell, ebenfalls Spitzenkandidat des nordrhein-westfälischen Landesverbandes. "Wir werden uns normalisieren als Partei." Allerdings ist auch dieses Ziel durchaus umstritten in der AfD.
Grüne Spitzenkandidatin zieht sich in die zweite Reihe zurück
Bei aller Enttäuschung über das einstellige Ergebnis bleibt der AfD aber die Genugtuung, die anderen Parteien mit Themen wie der inneren Sicherheit und der Aufnahme von Flüchtlingen in Zugzwang gebracht zu haben - und natürlich, dass man hinter den Volksparteien CDU und SPD auf den dritten Platz in der Wählergunst gekommen ist. Dort standen zuvor die Grünen, die in der vergangenen Legislaturperiode zusammen mit der SPD regierten. Der Wahltag war ein bitterer Tag für die Spitzenkandidatin und noch amtierende Schulministerin Sylvia Löhrmann. "Wir haben unsere Wahlziele nicht erreicht", stellt die Politikerin fest, "das war eine sehr schmerzliche Entscheidung." Allerdings verweist Löhrmann darauf, dass man eine Weile auch mit Schlimmerem gerechnet habe: dem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Löhrmann will sich als Konsequenz aus dem schlechten Ergebnis nicht mehr um ein Amt in der Partei oder Landespolitik bewerben.
Der Absturz der Grünen von zuletzt 11 auf nun sechs Prozent bei der Landtagswahl führt die Noch-Landespolitikerin aber nicht auf ein Versagen in der Regierung zurück. Es seien vielmehr Vermittlungsprobleme gewesen: "Wir haben die Wähler nicht überzeugt." Ein Grund dafür könnte nach Löhrmanns Ausführungen der Kuschelkurs der Grünen in der Koalition gewesen sein. "Wir haben vielleicht zu sehr hinter verschlossenen Türen verhandelt", erklärt sie. Künftig, das sei eine Lehre aus dem Debakel, werde man wieder kämpferischer auftreten. Die Vorsitzende der Bundespartei, Katrin Göring-Eckardt, vermutet, dass die Chancen des umweltverträglichen Umbaus der Wirtschaft nicht gut genug von den Grünen kommuniziert worden seien. Außerdem müssten Fragen der Sicherheit mit mehr Aufmerksamkeit bedacht werden. "Ich glaube, dass wir für die Bundestagswahl uns bewusst sein müssen darüber, dass das Thema nach wie vor - für viele, auch für unsere Wähler - eine wichtige Rolle spielt."
Die One-Man-Show der FDP
Ohne Enttäuschung oder Formen der Selbstkritik kann am Tag nach der Wahl der FDP-Bundesvorsitzende und gleichzeitig NRW-Spitzenkandidat Christian Lindner vor die Presse treten. Er kommt allein. "Wir haben es immer so gemacht, dass nach einer Landtagswahl der Spitzenkandidat und Bundesvorsitzende kommen, diesmal bin eben beides ich." Lindner freut sich darüber, dass seine Partei nach einer langen Durststrecke in zwei weiteren Landtagen, in Kiel und Düsseldorf, mitreden darf. Für seine Partei sei es sogar das beste Ergebnis, das sie jemals in Nordrhein-Westfalen erzielt habe. "Die Wähler haben einen Tempomacher für die Landespolitik gesucht", erklärt Lindner. Er sieht die Freien Demokraten unter seiner Führung thematisch breiter aufgestellt als zuvor. "Das waren fünf Jahre harte Arbeit." Lindner beschreibt seine Partei als attraktiv für Menschen "mit einem Lebensgefühl, die großzügig und tolerant im Umgang mit anderen und neugierig auf die Zukunft sind".
Lindner kann sich jetzt auch Hoffnungen auf eine Rückkehr der FDP in den Bundestag machen. Umfragen sehen die wirtschaftsfreundliche Partei bei etwa sieben Prozent. Das möchte sich Lindner nicht durch zu starke Kompromisse in der nordrhein-westfälischen Landespolitik kaputt machen lassen. Eine Koalitionsregierung mit der CDU ist zwar rechnerisch denkbar. Lindner ziert sich aber und sorgt sich um das Profil der Partei als unabhängige Kraft. Deswegen will sich seine Partei nur "bei einem echten Politikwechsel" an einer Regierung beteiligen.
Persönlich sieht er sich dort nicht. Er will nach der Bundestagswahl am 24. September nach Berlin wechseln. "In jedem Fall ziehe ich es vor, einflussloser Abgeordneter der Opposition im Bundestag zu sein, als stellvertretender Ministerpräsident in Düsseldorf."