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Gespaltene USA

Stefan Reccius11. September 2015

Präsident Obama hat die Atomvereinbarung mit dem Iran durch den Kongress gebracht. Doch dieser Triumph vertieft die Kluft zwischen Demokraten und Republikanern. Längst zieht sie sich durch die gesamte Bevölkerung.

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Barack Obama und US-Außenministetr John Kerry auf einer Veranstaltung mit Irak-Veteranen in Washington, 10.09.2015 (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Jim Lo Scalzo

Die Abstimmung war knapp, brachte aber das von Obama gewünschte Ergebnis: 42 demokratische Senatoren votierten am Donnerstagnachmittag bei der Abstimmung im Kongress für das Atomabkommen mit dem Iran. Zwar sprachen sich alle 54 republikanischen Abgeordneten gegen die Vereinbarung aus. Aber sie verfehlten die erforderliche Mehrheit der 60 Stimmen, die nötig gewesen wäre, um die Debatte über die Resolution zu beenden und sie abstimmen zu lassen.

Die Debatte machte aber klar, wie zerrissen das Land ist. Sie bestätigt das Bild einer weithin "von den Parteien gespaltenen Nation", wie Thomas E. Mann von der Denkfabrik Brookings der DW sagte.

Draußen vor dem Kongress hatten sich schon am Tag vor der Abstimmung hunderte Anhänger der Konservativen versammelt, um gegen das Abkommen zu protestieren. Die Veranstaltung hatte die Tea Party organisiert, jene ultrakonservativen Bewegung, die die Republikanische Partei im Kongress in den vergangen Jahren weit nach rechts gedrängt hat. In die erhitzten Gemüter mischte sich auch Frust, war doch schon zu diesem Zeitpunkt klar, dass die Republikaner nicht genügend Stimmen für die Blockade des Abkommens hätten.

"Ich bin dagegen, weil man kein Abkommen schließt, mit Leuten, die einem den Tod wünschen", sagte eine Frau mit weißem Sonnenhut und Plakat in ihren Händen der DW. Andere erwarten das Schlimmste. "Der Iran wird weiter an der Bombe bauen. Dann trifft es als Erstes Israel, und für uns haben sie auch noch eine", sagte ein Zuhörer. Und ein weiterer fürchtet: "Dann gibt es den nuklearen Holocaust. Der wird alles und jeden auslöschen."

Der konservative Präsidentschaftskandidat Ted Cruz bei einer Protestveranstaltung gegen die Atomvereinbarung, 09.09.2015 (Foto: Reuters)
Der konservative Präsidentschaftskandidat Ted Cruz bei einer Protestveranstaltung gegen die AtomvereinbarungBild: Reuters/J. Ernst

Harsche Rhetorik

Auch Donald Trump, seit Wochen führender Republikaner in den Umfragen, war gekommen. Und die Zuhörer feierten ihn und anderen Oppositionelle für ihre wütende Kritik. Für sie bringen jene, die gegen das Iran-Abkommen zu Felde ziehen, schlicht ihre Sorgen zum Ausdruck. Dabei spielt kaum einer auf der Klaviatur des Populismus so virtuos wie Donald Trump. Während Ted Cruz neben Obama auch auf die republikanischen Führer im Kongress schimpfte, rechnete Trump mit der Regierung ab. Niemals in seinem Leben, so der Multimilliardär, habe er einen Deal gesehen, "der so inkompetent verhandelt war wie dieser". Für die in seinen Augen törichte Verhandlungsführung hatte er nur eine Beleidigung übrig: "Wir werden regiert von sehr, sehr dummen Leuten."

Doch bei wem verfängt diese harsche Rhetorik - außer bei denen, die Trump und Co. auf dem Rasen vor dem Kapitol und bei anderen Veranstaltungen zujubeln? Eine eindeutige Antwort darauf hat die Meinungsforschung in den Vereinigten Staaten nicht. Wohl aber gibt sie deutliche Hinweise, dass das politisch-gesellschaftliche Klima zunehmend ideologisch aufgeladen und auch die Gesellschaft in immer stärkeren Maße polarisiert ist.

Einigung bei den Atomverhandlungen in Wien, 14.07.2015 (Foto: Carlos Barria, Reuters)
Geschafft: Einigung bei den Atomverhandlungen in WienBild: Reuters/C. Barria

Eine polarisierte Gesellschaft

Als die Abstimmung über das Iran-Abkommen im Kongress bevorstand, ermittelte das Pew Research Center, dass Anhänger von Demokraten und Republikanern das Abkommen höchst unterschiedlich bewerten. 78 Prozent der Befragten, die mit den Republikanern sympathisieren, lehnen den Deal ab, nur sechs Prozent heißen ihn gut. Ganz anders, wenn auch weniger einseitig, das Bild bei Anhängern der Demokraten: 42 Prozent von ihnen begrüßen das Abkommen, 29 Prozent kritisieren es; sehr liberal gepolte Demokraten bewerteten das Abkommen noch deutlich häufiger positiv. Insgesamt überwiegt aber Skepsis: Unter allen Befragten lehnt fast die Hälfte das Abkommen ab, nur 21 Prozent befürworten es.

Das Pew Research Center (PRC) ist in einer groß angelegten Studie der Polarisierung in der amerikanischen Bevölkerung auf den Grund gegangen. Die Meinungen zwischen Konservativen und Liberalen gingen in allen abgefragten Themen auseinander, sagte PRC-Politologin Jocelyn Kiley zur DW. Also nicht bloß in der Außenpolitik, wie jetzt beim Iran-Abkommen, sondern auch in Bereichen wie der Einwanderungs- und Umweltpolitik - zwei Politikfelder, in denen der Kongress in der jüngeren Vergangenheit parteipolitisch blockiert war.

"Zwar vertritt noch immer ein erheblicher Anteil der amerikanischen Bevölkerung gemäßigte Ansichten. Aber ihr Anteil sinkt. Gleichzeitig äußern deutlich mehr Demokraten ausschließlich liberale Ansichten als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten, und mehr Republikaner vertreten rein konservative Positionen", sagt Kiley. Sie und ihre Kollegen nennen dies ideologische Konsistenz. Außerdem bildeten solche extremen Parteianhänger die politisch aktivste Schicht - und entscheiden damit nicht selten Wahlen.

Gedenkfeiern für die Anschläge des elften September 2001, 11.09.2015 (Foto: Evan Vucci, AP)
Seltener Einmut: Gedenkfeiern für die Anschläge des elften September 2001Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Vucci

Politische Kluft reicht bis ins Privatleben

Kiley und ihre Kollegen vom Meinungsforschungsinstitut finden eine weitere Beobachtung bestätigt: Die Kluft zwischen den Lagern reicht bis ins Privatleben. Der Journalist Bill Bishop beschreibt in seinem viel beachteten Buch "The Big Sort" eine Art politische Segregation: "Unser Land ist so stark polarisiert und ideologisiert, dass wir nicht einmal diejenigen kennen und verstehen, die wenige Kilometer entfernt wohnen", so Bishop. Ein Land, in dem in einem Stadtteil nur Plakate mit republikanischen Botschaften im Vorgarten stehen, und im nächsten ausschließlich Autos mit Obama-Aufklebern in den Hauseinfahrten parken.

Der nächste US-Präsident wird im Jahr 2016 gewählt. Schon jetzt befindet sich das Land im Wahlkampfmodus. Zum Jahresbeginn stehen die hart umkämpften Vorwahlen an. Sie werden traditionell von einer besonders schrillen Rhetorik begleitet. Donald Trump ist dafür das beste Beispiel. Statt abschreckend zu wirken, bestärkt viele die drastische Wortwahl in ihrem Ärger auf die politische Klasse - und genau deshalb ist nicht zu erwarten, dass die politische Auseinandersetzung in den USA an Schärfe verlieren wird.