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Gereizte Stimmung im Gerichtssaal

Marcel Fürstenau, z. Zt. München7. Oktober 2015

Die Affäre um eine Phantom-Zeugin im NSU-Prozess sorgt weiter für Unruhe. Richter Götzl muss sich kritische Fragen gefallen lassen. Aber auch die Pflichtverteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe geraten aneinander.

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Der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl Foto: Tobias Hase/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Für den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl (Artikelbild) ist es einer der unangenehmsten Momente im Strafverfahren gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), das inzwischen knapp zweieinhalb Jahre dauert. Am 234. Verhandlungstag vor dem Münchener Oberlandesgericht gibt es am Mittwoch erwartungsgemäß viele Fragen zu der nicht existierenden Zeugin, über die "Spiegel Online" vergangene Woche berichtete. Wolfgang Heer, einer von vier Pflichtverteidigern der wegen mehrfachen Mordes angeklagten Beate Zschäpe, verliest zu Beginn einen Antrag. Vor allem will er von Götzl wissen, warum die beim mutmaßlichen NSU-Bombenanschlag in der Kölner Keuptstraße angeblich verletzte Meral Keskin als Nebenklägerin zugelassen wurde? Dass die Frau gar nicht existiert, ist inzwischen klar.

Für Götzl ist die Affäre auch deshalb unangenehm, weil die Bundesanwaltschaft schon vor Beginn des NSU-Prozesses im Mai 2013 Fragen zu dem angeblichen Opfer hatte, deren vermeintliche Existenz mit einem gefälschten ärztlichen Attest belegt worden war. Auf den Antrag des Zschäpe-Anwalts Heer, sich zu dem Fall "dienstlich" zu erklären, reagiert der Vorsitzende Richter gelassen: "Wann ist Ihnen denn die Diskrepanz aufgefallen?", konterte Götzl die Attacke. Es sei nicht seine Aufgabe, Diskrepanzen aufzuklären, antwortet Heer und schiebt hinterher: "Regen Sie sich jetzt nicht auf."

Zschäpe-Anwalt Heer: "Keine optimalen Bedingungen"

Schließlich beantragt der erst vor wenigen Monaten als vierter Pflichtverteidiger für Zschäpe bestellte Matthias Grasel eine Beratungspause. Er müsse mit seiner Mandantin sprechen, "weil sie bislang keine Kenntnis von dem Antrag hatte". Mit anderen Worten: Rechtsanwalt Heer hatte weder seinen Kollegen Grasel noch die Hauptangeklagte über sein Vorpreschen informiert. Eingeweiht waren lediglich Wolfgang Stahl und Anja Sturm, die Zschäpe ebenfalls seit Prozess-Beginn verteidigen. Allerdings hat die mutmaßliche NSU-Terroristin schon lange kein Vertrauen mehr in die drei. Versuche, sie loszuwerden, scheiterten mehrmals.

Matthias Grasel (r.) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Matthias Grasel (r.) ist Beate Zschäpes LieblingsverteidigerBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Inzwischen ist unübersehbar, dass auch der Graben zwischen Zschäpes angestammtem Pflichtverteidiger-Trio und dem später hinzugestoßenen Grasel unüberbrückbar zu sein scheint. Anwalt Heer rechtfertigt seinen nicht abgesprochenen Antrag lapidar: "Es gibt Bedingungen, unter denen eine solche Rücksprache nicht mehr möglich ist." Er habe schon mehrmals darauf hingewiesen, dass es keine "optimalen Bedingungen zur Verteidigung von Frau Zschäpe" mehr gebe. Es folgt ein Wortgefecht zwischen zwei Anwälten, die sich gegenseitig vorwerfen, schuld an der schlechten Abstimmung zu sein. Zwischen ihnen sitzt ihre gemeinsame Mandantin. Zschäpe spricht schon seit langem nur noch mit Grasel, ihre anderen drei Pflichtverteidiger straft sie mit Missachtung.

Bundesanwalt Diemer hält Antrag für unbegründet

Dass sich der in die Schusslinie geratene Vorsitzende Richter Götzl tatsächlich zu der Phantom-Zeugin erklären muss, halten die meisten Prozessbeteiligten für unwahrscheinlich. Bundesanwalt Herbert Diemer hält den Antrag ebenso für unbegründet wie zahlreiche Nebenkläger. Über die Phantom-Zeugin wundern sich alle. Der Berliner Anwalt Sebastian Scharmer ärgert sich aber auch über die aus seiner Sicht zum Teil überzogene mediale Kritik an den Nebenkläger-Vertretern: "Es gibt überall schwarze Schafe - bei Anwälten und Journalisten", sagte er der Deutschen Welle.