Nächtliche Schüsse
18. Dezember 2008Seit dem 1. Oktober sind 225 Beobachter der Europäischen Union in Georgien im Einsatz. Aber in Südossetien und Abchasien können sie sich nicht bewegen. Die Grenzen zu den beiden Provinzen, die sich für unabhängig erklärt haben, sind für die Beobachter dicht, obwohl sie zu Georgien gehören. "Nein, wir dürfen nicht rüber, weil uns die Osseten beziehungsweise die Russen daran hindern", sagt der deutsche Diplomat Hansjörg Haber, der die EU-Mission von Tiflis aus leitet. Eigentlich ist ganz Georgien das Einsatzgebiet der unbewaffneten EU-Beobachter. Doch die russischen Truppen halten die Grenzen zu den beiden von ihnen kontrollierten Provinzen für die EU-Mitarbeiter geschlossen.
Politik des An-die-Tür-Klopfens
"Wir fahren immer wieder an die Checkpoints ran und sagen: ‚Wir haben das Recht’ - und lassen uns abweisen. Wir nennen das die ‚Politik-des-an-die-Tür-Klopfens‘. So machen wir deutlich, dass unser Mandat für ganz Georgien gilt, auch wenn wir es im Augenblick nicht umsetzen können", erläutert Haber im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die größten Spannungen gibt es dem Leiter der EU-Mission zufolge in der Nähe der Grenzen: "Insbesondere die letzten hundert Meter sind problematisch. Es fallen nachts Schüsse, durch die zwar nie jemand getötet oder verletzt wird, die aber doch die Zivilbevölkerung einschüchtern. Es kommen Leute über die Grenze, die schreien oder johlen."
Staatliche Hilfen für Flüchtlinge fehlen
Die Bilder von den im Krieg zerstörten Häusern gingen um die Welt. Zwar sind die meisten Flüchtlinge zurückgekehrt, aber der Wiederaufbau kommt nach Habers Einschätzung in der Nähe der Grenzen nicht richtig voran – es fehlen staatliche Hilfen: "Die Georgier konzentrieren sich zurzeit mehr auf die Flüchtlinge aus Ossetien und Abchasien, die nicht mehr zurück können. Für sie bauen sie Siedlungen. Aber die Bevölkerung in unmittelbarer Grenznähe hat auch Probleme. Sie wird eingeschüchtert durch diese Schießereien. Es gibt Menschen, die deshalb in die Städte, nach Tiflis oder nach Gori, gehen."
Misstrauen auf beiden Seiten sitzt tief
In ihren täglich etwa 20 Patrouillen machen sich die EU-Beobachter ein Bild von der Lage. Dabei stellen sie immer wieder fest, dass das Misstrauen zwischen den Konfliktparteien tief sitzt. "Wenn es zu irgendeinem Zwischenfall auf einer der beiden Seiten der Grenze kommt, dann gibt es sofort Beschuldigungen an die andere Seite, quasi als Reflex. Wir wollen, dass alle Seiten an einem Tisch sitzen und dadurch gezwungen werden, objektive Tatsachen auf den Tisch zu legen, die auch für uns glaubwürdig erscheinen", so Haber. Es sei schwierig, aber dringend notwendig, die Polizei-Behörden beider Seiten zur Zusammenarbeit zu bewegen, sagt der Leiter der Mission.
EU hofft auf Stabilisierung der Lage
Und wie reagiert die Zivilbevölkerung auf die Beobachter? "Abwartend freundlich", sagt Haber und fügt hinzu: "Die Zivilbevölkerung hat jahrelang nur bewaffnete irreguläre Kämpfer gesehen. Ich glaube, es ist für sie schon ein erfreulicher Anblick, unbewaffnete zivile Beobachter zu Gesicht zu bekommen. Aber natürlich will die Zivilbevölkerung Ergebnisse sehen. Das Ergebnis ist in erster Linie eine konsolidierte Sicherheitslage in den Gegenden, die direkt an den administrativen Grenzen liegen." Bis zum nächsten September läuft das Mandat der EU-Beobachter. Bis dahin, so hofft Hansjörg Haber, könnte sich die Lage so weit stabilisiert haben, dass eine Verlängerung nicht notwendig wäre.
Nina Werkhäuser