Genozid-Klage gegen Deutschland
16. März 2017Anwälte der Kläger und Richter treffen sich nun in New York, um über die Sammelklage traditioneller namibischer Führer gegen Deutschland zu sprechen. Die sogenannte "Pre-Trial Conference" dient dazu, Details eines möglichen Gerichtsverfahrens zu besprechen. Damit ist aber noch keine Entscheidung verbunden, ob es zu einem Verfahren kommt.
Mithilfe des New Yorker Gerichts wollen die Herero- und Nama-Führer Vekuii Rukoro und David Frederick die Bundesregierung zwingen, in laufende Verhandlungen mit Namibias Regierung einbezogen zu werden. Seit über einem Jahr verhandeln Namibia und Deutschland über die Aufarbeitung des Genozids in der ehemaligen deutschen Kolonie. Deutsche Soldaten sollen Anfang des 20. Jahrhunderts mehr als 80.000 Herero und Nama brutal ermordet haben. Die Verbrechen gelten als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts.
Direkte Verhandlungen mit den Herero und Nama lehnen aber beide Regierungen ab. "Die traditionellen Führer sollten mit am Verhandlungstisch sitzen, denn sie sind die rechtmäßigen Vertreter der Opfer", fordert Klägeranwalt Kenneth McCallion vor Journalisten in New York. Zudem fordern sie Entschädigungen. "Neben dem schrecklichen Mord an zahlreichen Menschen wurden Land, Vieh und der Besitz der Menschen enteignet", berichtet McCallion. "Eine Enteignung in dieser Größenordnung ohne Entschädigung stellt eine Verletzung internationalen Rechts da", so der Anwalt weiter.
Wacklige juristische Grundlage
Doch Sammeklagen wegen Menschenrechtsverletzungen sind in den USA nicht einfach. So scheiterte 2001 bereits eine Klage von Herero-Vertretern gegen die Bundesregierung und die Deutsche Bank. Es sei möglich, aber "ziemlich unwahrscheinlich", dass das Gericht diese Klage annehme, sagt Mia Swart, Professorin für Internationales Recht an der Universität Johannesburg im DW-Interview.
Grundlage für die Klage ist der sogenannte "Alien Tort Act" von 1789. Lange Zeit interpretierten US-Gerichte und Anwälte das Gesetz als Möglichkeit, Klagen gegen Menschenrechtsverletzungen im Ausland vor amerikanische Gerichte zu bringen. Doch das ist vorbei. Noch 2006 verklagen nigerianische Staatsbürger in den USA den britisch-niederländischen Ölgiganten Shell. Sie warfen der Firma und ihren nigerianischen Töchtern Menschenrechtsverletzungen in der Ogoni-Region vor. Shell habe friedlichen Widerstand gegen die Ölförderung im Ongoni-Delta mithilfe der nigerianischen Regierung brutal niedergeschlagen. 2013 endete der Prozess schließlich vor dem Obersten Gerichtshof. "Der entschied, dass die Kläger keinen Erfolg haben würden, weil der Fall nicht die USA betraf", erzählt Swart.
Seitdem kann der "Alien Tort Act" nur noch in Fällen angewandt werden, in denen die USA direkt betroffen sind. Herrero-Anwalt McCallion glaubt trotzdem an den Erfolg seiner Klage. Der "Alien Tort Act" ließe eine Tür offen, um Genozidfälle zu verhandeln, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters im Januar. Eine Interviewanfrage der Deutschen Welle für diesen Beitrag ließ McCallion unbeantwortet. Andere Experten sind vorsichtiger. "Es gibt im Moment keine sehr große Bereitschaft mehr in den USA, das Gesetz anzuwenden", meint hingegen die Juristin Mia Swart.
Deutschland bleibt offiziell gelassen
Möglicherweise fahren die Herero- und Nama-Vertreter mit der Klage eine Doppelstrategie. Sie sichert ihnen ein großes Medieninteresse. Als ihr Anwalt die Klage einreichte, war das auch in britischen und amerikanische Medien ein Thema. Damit wächst indirekt der Druck auf die Bundesregierung. Denn die hat sich offiziell noch nicht für den Genozid entschuldigt.
Zudem hoffen manche Herero- und Nama-Vertreter darauf, dass die Bundesregierung aufgrund des drohenden Verfahrens einlenkt. "Deutschland könnte sich entscheiden, die Angelegenheit außergerichtlich beilegen zu wollen. Das könnte dazu führen, dass die Volksgruppen einbezogen werden, die sich ausgeschlossen fühlen", so Herero-Vertreterin Esther Muinjangue vergangenen Monat in Berlin.
Doch danach sieht es erstmal nicht aus. Als die Klage in New York eingereicht wurde, blieb die Bundesregierung gelassen. Der Schritt habe ihn "nicht überrascht", sagte der deutsche Vermittler für den Dialog mit Namibia, Ruprecht Polenz, im Januar der DW.