Gelbe Karte für vier WM-Stadien
11. Januar 2006Die Stiftung Warentest hat vier von zwölf deutschen WM-Stadien wegen gravierender Sicherheitsmängel die gelbe Karte gezeigt. Wie eine am Dienstag (10.1.2006) unter großem Medieninteresse veröffentlichte Untersuchung ergab, würden vor allem die Stadien in Berlin (Olympiastadion), Gelsenkirchen (Veltins-Arena) und Leipzig (Zentralstadion) bei einer Massenpanik zur tödlichen Falle. Erhebliche Brandschutzmängel weise das Stadion in Kaiserslautern (Fritz-Walter-Stadion) auf. Diesen Austragungstätten wurden "erhebliche Mängel" attestiert.
"Deutliche Mängel" fanden die Tester bei den Stadien in Hamburg, Frankfurt/Main, Dortmund und Stuttgart. Dort wurden mangelnde Fluchtmöglichkeiten, Stolpergefahren, unregelmäßige Treppenstufen und ein unzureichender Brandschutz festgestellt. Ausreichende Fluchtmöglichkeiten bieten den Testern zufolge Hannover, Nürnberg und Köln. Auch die Arena in München kam gut weg.
Fluchttore fehlen
Testleiter Holger Brackemann betonte bei der Pressekonferenz vor 150 Journalisten mehrfach, dass die Wahrscheinlichkeit einer Panik in Fußballstadien gering sei. Gleichwohl könnten erfahrungsgemäß geringfügige Anlässe wie ein Gerücht Massenpanik auslösen, betonte er. Auch ein Blitz, ein Lichtausfall, Tiefflieger oder herabgeworfene Gegenstände könnten in emotional angespannten Situationen Fluchtreaktionen hervorrufen, warnte Bereichsleiter Hubertus Primus. Daher müssten Stadien den Besuchern ausreichend Fluchtraum nach vorne, also in Richtung Spielfeld, bieten, um zu vermeiden, dass Menschen an einem Hindernis erdrückt werden.
Der Staudruck könne über Fluchttore gemindert werden. "In den drei Stadien in Berlin, Leipzig und Gelsenkirchen fehlten diese Tore vollständig", sagte Brackemann. Besonders erstaunt zeigte er sich darüber, dass diese Tore in Berlin fehlten, da doch der Innenraum des Olympiastadions weitgehend neu gestaltet worden sei.
Mangelnder Brandschutz
In Gelsenkirchen bewerteten die Experten eine Lücke zwischen der herausfahrbahren Rasenschublade und der unteren Rangabgrenzung als gefährlich. Es sei außerdem unverständlich, dass vorhandene Öffnungen in der Brüstung während der WM verschlossen werden sollten, kritisierte Brackemann. Auch im neuen Leipziger Zentralstadion könnten sich die Zuschauer notfalls kaum auf das Spielfeld retten.
Die Warentester bemängelten zudem Stolperfallen wie zu schmale, steile oder unregelmäßige Treppenstufen, wechselnde Bodenbeläge, hervorstehende Sitzschalen oder Geländer. Diese Hindernisse seien auch bei einer geordneten Räumung oder Evakuierung problematisch. Kritisiert wurden auch mangelnder Brandschutz und das Vorhandensein von Gegenständen, die als Waffen oder Wurfgeschosse dienen könnten.
Positiv hoben die Warentester die Arenen in München und Hannover sowie die Stadien in Nürnberg und Köln hervor, die nur geringe Mängel aufwiesen. Immerhin noch deutliche Mängel fanden die Tester in Hamburg, Frankfurt/Main, Stuttgart und Dortmund. Primus zeigte sich überzeugt, dass die meisten Mängel bis zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft in fünf Monaten noch zu beheben seien.
"Unsere Stadien sind sicher"
Kurz nach der Veröffentlichung der Studie erklärte das Organisationskomitee der Weltmeisterschaft die Stadien für sicher. "Wir bleiben dabei: Unsere Stadien sind sicher", sagte der OK-Vizepräsident Horst R. Schmidt. Die Studie beziehe sich auf Brandschutz und Panikfälle. Nicht aber auf die gesamten Sicherheitsaspekte, erklärte Schmidt. "Die Sicherheit der Zuschauer ist im normalen Bundesliga- Spielbetrieb in keiner Weise gefährdet und demzufolge auch nicht bei der bevorstehenden WM", hieß es weiter vom OK.
Die Vertreter von Stiftung Warentest, die bei der Aufzählung ihrer Panik-Szenarien kaum ein Negativ-Erlebnis der Fußball-Geschichte ausließen, verteidigten ihre Untersuchungen gegen Vorwürfe der fehlenden Gründlichkeit. Wenig Verständnis zeigten die Tester für die Reaktion von Franz Beckenbauer, der der Stiftung vorwarf, sie wolle doch nur Werbung für sich machen. "Ich hoffe, Herr Beckenbauer ist Profi genug und wird die Erhebung als hilfreich erkennen", so Primus. (stu)