China setzt auf Geheimverträge bei Krediten
31. März 2021China verleiht seit den 2000er Jahren vermehrt große Summen vor allem an Entwicklungs- und Schwellenländer weltweit. Im Mittelpunkt der Kreditvergabe sind vor allem Länder, die Chinas Neue Seidenstraße - oder auf Englisch Belt and Road Initiative - unterstützen, ein großangelegtes Infrastrukturprojekt, das China über mehrere Wirtschaftskorridore mit mehr als 60-Ländern in Asien, Europa und Afrika verbindet. Die Volksrepublik finanziert dabei zu Teilen ein Netz aus neuen Häfen, Eisenbahnlinien, Straßen und Industrieparks.
"Durch die Belt and Road Initiative ist China zum größten öffentlichen Gläubiger für Entwicklungsländer aufgestiegen", sagt Christoph Trebesch vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Er hat gemeinsam mit anderen Forschern Kreditbedingungen von chinesischen Entwicklungsbanken mit Drittländern untersucht. "Die finanzierenden Staatsbanken treten als sehr versierte Kreditgeber auf, die ihre Verhandlungsmacht gekonnt zu ihrem Vorteil ausnutzen", so Trebesch in einer IfW-Pressemitteilung.
Kreditverträge mit anderen Ländern bleiben in der Regel unter Verschluss. Dem IfW in Kiel gelang es gemeinsam mit mehreren US-Forschungseinrichtungen an 100 eigentlich geheime Kreditverträge Chinas mit 24 Entwicklungsländern in einem Volumen von 36,6 Milliarden Dollar zu kommen.
"Ungewöhnlich weitreichende Vertraulichkeitsklauseln"
Die Forschenden verglichen die chinesischen Kreditverträge mit 142 öffentlich zugänglichen Verträgen anderer großer Gläubigerländer und fanden dabei mehrere ungewöhnliche Merkmale. So enthalten Chinas Verträge den Untersuchungsergebnissen zufolge "ungewöhnlich weitreichende Vertraulichkeitsklauseln", manchmal sei sogar die Existenz der Kredite an sich geheim. Auffällig sei auch, dass Verträge im Laufe der Zeit immer strengeren Geheimhaltungsklauseln enthielten. Seit 2014 sei in jedem der untersuchten Verträge eine Vertraulichkeitsklausel zu finden. Die Forscher kritisieren, dass damit die Verträge aber für Steuerzahler, die am Ende für die Rückzahlung aufkommen müssen, "intransparent" seien.
Die Verträge geben den Experten zufolge außerdem chinesischen Staatsbanken Vorrang vor anderen Gläubigern. In den meisten Fällen ist demnach den Schuldnern eine Umstrukturierung ihrer Schulden mit anderen Gläubigern untersagt. Nicht zuletzt gäben viele Verträge China "großen Spielraum, Kredite zu kündigen oder die Rückzahlung zu beschleunigen, wenn es mit der Politik eines Kreditnehmers nicht einverstanden ist" - etwa wenn es zu einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen kommt.
So enthielten viele der ausgewerteten Verträge auch sogenannte "No Paris-Club-Klauseln". Der Pariser Club ist ein Gremien, das versucht, Ländern in Zahlungsschwierigkeiten ihre Schulden zu erlassen. Nach der "No Paris-Club- Klausel" verpflichtet China jedoch die Kreditnehmer, die chinesischen Schulden dabei nicht zu beachten.
Diskussion um die chinesische Schuldenfalle
Das Forscherteam erhielt den Zugang zu den Verträge über Regierungs-Websites der Schuldnerländer. Laut den Studienergebnissen erschwerten es die Kreditbedingungen den Ländern, die sich nun wegen der Corona-Pandemie in einer finanziellen Notlage befinden, "ihre Schuldensituation in den Griff zu bekommen", so die Autoren.
Schon länger argumentieren Ökonomen und Asienforscher, dass China vermehrt versuche, Entwicklungs- und Schwellenländer in eine Art Schuldenfalle zu treiben - sprich sie über die Kredite stark abhängig von sich zu machen und sich so leichter Zugang zu Großprojekten wie Häfen und Straßen zu sichern.
Diese These wird allerdings nicht von allen Forschern geteilt. Eine der führenden Expertinnen für China-Afrika-Beziehungen, Deborah Brautigäm von der Johns Hopkins Universität, nennt die Schuldenfalle einen ″Mythos". Ihre Forschungsergebnisse hätten ergeben, dass chinesische Banken bereit seien, die Bedingungen bestehender Kredite umzustrukturieren. Auch habe Peking - wie häufig behauptet - noch nie einen Vermögenswert eines Landes beschlagnahmt, so die Forscherin in einem Beitrag für The Atlantic.
nm/hb (afp, Kieler Institut für Weltwirtschaft)