Gegenwind für deutsche Exporte?
6. November 2013Immer wieder das gleiche Spiel: Sobald der Kurs des Euro über 1,30 Dollar klettert, sehen Pessimisten den gesamten deutschen Export in Gefahr. Ihre einfache Formel: Ein steigender Eurokurs macht deutsche Exportprodukte auf dem Weltmarkt teurer und damit weniger gut verkäuflich. In den vergangenen Wochen war es dann wieder einmal so weit: Das bizarre Gerangel zwischen Republikanern und Demokraten um "government shutdown" und Verschuldungsgrenze hatten die US-Währung so weit nach unten geprügelt, dass man zeitweilig 1,38 Dollar für einen Euro bekam.
Aber gefährdet das wirklich die deutschen Exporte? "Die Wechselkurse spielen insbesondere für den Mittelstand eine sehr große Rolle", sagt Jens Nagel, Bereichsleiter Außenwirtschaft beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA). "Es gibt nun mal Regionen auf der Welt, insbesondere Asien, aber auch Nahost, Südamerika, Afrika, wo das Geschäft überwiegend in Dollar abgewickelt wird. Oder in Währungen, die an den Dollar gekoppelt sind. Und hier ist entscheidend, erstens wie hoch der Wechselkurs ist und zweitens wie sehr der Wechselkurs schwankt."
Nicht für alle und alles
Für Ralph Wiechers, Chef-Volkswirt beim Verband des Deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA), wäre ein Kurs von 1,25 Dollar für einen Euro eine faire Sache: "Diese 1,25 entsprechen ungefähr der Kaufkraftparität. Ich denke mir, das ist ein fairer Wechselkurs. Aktuell sind wir drüber. Insofern haben wir an dieser Stelle Gegenwind ."
Doch der Gegenwind für die Exporte trifft nicht alle und gilt nicht für alles. Über die Hälfte aller deutschen Exporte geht nach Europa. Im Maschinenbau waren es zuletzt exakt 53,9 Prozent, die von einem schwachen Dollar überhaupt nicht betroffen waren. Und selbst derjenige, der in den Dollar-Raum exportiert, muss nicht unbedingt Angst vor einem starken Euro haben, wenn er die richtigen Produkte anbietet: "Dieser Gegenwind trifft insbesondere einfache Massenprodukte", sagt Wiechers. Technisch anspruchsvolle Produkte könnten Preiserhöhungen eher abfangen, weil der Kunde eher bereit sei, zu zahlen. Auf Dauer würde aber auch ein High-End-Produkt unter einem ungünstigen Währungskurs leiden.
Zudem hat jeder Exporteur die Gelegenheit, sich gegen Kursschwankungen abzusichern. Hedging nennt man das. Am einfachsten haben es da die großen Konzerne, etwa in der Automobilindustrie oder in der chemischen Industrie. Sie bauen einfach in Asien oder Amerika, überall dort, wo in Dollar abgerechnet wird, eine eigene Produktionsstätte auf - natural hedging wird das genannt.
1,30 Dollar keine Schmerzgrenze
Allerdings ginge kein Maschinenbauer nach Feuerland, nur weil die Wechselkurse günstig seien oder die Arbeitskosten, gibt Maschinenbau-Chefvolkswirt Ralph Wiechers zu bedenken. "Es muss ein ausreichender Markt da sein. Das gilt sicherlich für die großen Märkte China und USA." Doch selbst da täten sich die überwiegend mittelständisch geprägten Maschinenbauer schwer: "Die kleinen und mittleren Unternehmen haben im Zweifelsfall nicht die personellen Ressourcen, um überall auf der Welt Produktion aufzubauen. Abgesehen von der Komplexität und den Kosten, die damit verbunden sind."
Bislang sind die deutschen Exporteure mit einem billigen Dollar noch ganz gut klargekommen. Schließlich gab es auch schon einmal Zeiten, in denen man 1,60 Dollar für einen Euro bekam. Wo letztendlich die Schmerzgrenze für die deutschen Exporteure liegt, ist eine müßige Frage. 1,30 Dollar sind es jedenfalls nicht, sagt BGA- Außenhandelsexperte Jens Nagel im Gespräch mit der DW: "Das sind virtuelle Größen. Man kann das einfach nicht so über einen Kamm scheren. Es gibt Branchen, bei denen ist die Schmerzgrenze 1,30 Dollar. Dann gibt es andere Branchen, da ist die Schmerzgrenze bei 1,40 oder 1,50 Dollar."
Kritik aus den USA
Und selbst das würde dem deutschen Export nicht den Garaus machen. Was viele Neider auf den Plan ruft. Zuletzt hatte das US-Finanzministerium die deutsche Exportstärke bemängelt und sich zu der Behauptung verstiegen, sie sei eine Wachstumsbremse für Europa. Eine merkwürdige Argumentation, findet Nagel:"Einfach weil es nun mal in Wirtschaftsräumen traditionell Regionen gibt, die industrieller und exportorientierter geprägt sind, die dann aber auch Zugpferd und Lokomotive für die ganzen Nachbarn sind."
Von der Exportstärke Kaliforniens profitierten ja auch die Zulieferer aus Oregon oder aus Arizona, sagt Nagel, und darüber beschwere sich keiner. Ebenso würden von der Exportstärke Deutschlands auch die Zulieferer aus Mitteleuropa oder aus Frankreich profitieren. "Ich möchte nicht wissen, wo Frankreich und Italien heute wären, wenn Deutschland nicht so viele Vorlieferungen aus diesen Ländern in seine Exportprodukte einbauen würde", so Nagel.