Gefährliches Uran in Tansania
7. Oktober 2013Bahi liegt nicht weit von Tansanias Hauptstadt Dodoma. Die Gegend ist noch bis heute ländlich geprägt. Der kleine Ort im Herzen des ostafrikanischen Landes birgt einen Schatz, der bereits nationales und internationales Interesse geweckt hat: Im Boden wurde Uranerz gefunden. Seit einigen Jahren schon führt Tansania Probebohrungen durch, um bald in das Geschäft mit dem Uran einzusteigen. Die Menschen vor Ort allerdings stehen dem Unternehmen mit Skepsis gegenüber.
Die Bevölkerung habe in der Sache nichts mitzureden, klagt Anthony Lyamunda. Er leitet die Nichtregierungsorganisation CESOPE, die sich in Bahi für eine bessere Information der Bürger einsetzt. "Wir verstehen nicht, wohin das ganze Geld fließen soll." Aktivist Lyamunda hat wenig Hoffnung, dass viel von den Erlösen bei den Einwohnern der Region ankommen wird. Er erinnert an die Erfahrungen seines Landes mit dem Goldabbau: "Viele Jahre ist es her, dass wir in Tansania mit der Goldförderung angefangen haben. Hat sich das Land dadurch irgendwie entwickelt?" Die Bevölkerung lebe weiter in Armut, sagt Lyamunda und fragt herausfordernd: "Welche Wunder müssen nun geschehen, damit wir mit dem Uranabbau reich werden?"
Unabsehbare Risiken
Das radioaktive Uran ist weltweit begehrt. Gebraucht wird es in der Nuklear-Medizin, unerlässlich ist es für die Erzeugung von Atomstrom - und für Atomwaffen. Während Tansanias Regierung fest entschlossen scheint, in das lukrative Geschäft einzusteigen, ist die deutsche Bundestagsabgeordnete Ute Koczy für eine weltweite Ächtung des Uranabbaus. Koczy ist Mitglied der Partei Die Grünen, die in Deutschland seit drei Jahrzehnten für den Ausstieg aus der Atomkraft kämpft. Sie hatte schon 2010 Probebohrungen in Bahi besichtigt. Seitdem verfolgt sie die Entwicklung. "Meine Auffassung ist, dass man Uran nicht fördern, sondern dass man diesen Stoff tunlichst im Boden lassen sollte", sagt die Abgeordnete mit Verweis auf die unkalkulierbaren Risiken, die die Atomkraft mit sich bringe.
Dabei denkt sie nicht nur an die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima. Auch die Sicherheitsrisiken etwa in Tansania beim Abbau der radioaktiven Erze seien groß. Der Nutzen für das Land sei dagegen gering, fürchtet Koczy. Sie beanstandet, dass die Förderlizenzen weitgehend in den Händen ausländischer Firmen lägen und die Öffentlichkeit keine Einsicht in die Umsätze dieser Unternehmen habe.
Tansanias Minister für Energie und Bodenschätze, Sospeter Muhongo, blickt positiver in die Zukunft. Ein Sicherheitsproblem etwa für die Arbeiter sieht er nicht: "Durch die Fortschritte der Nukleartechnik können wir auf uns selbst aufpassen und sicherstellen, dass auch die Menschen in der Nähe der Minen nicht von der Strahlung der Uranerze betroffen sind", sagt er der Deutschen Welle. Außerdem habe Tansania bereits eine Atomaufsichtsbehörde, die darauf achten werde, dass internationale Standards eingehalten würden.
Kompromisse oder kompletter Verzicht?
Auch im Süden Tansanias gibt es Uranvorkommen. Das Hauptabbaugebiet liegt hier in einer Gegend, die zwar nicht von Menschen bevölkert ist, dafür aber im Wildpark Selous liegt, einem der größten zusammenhängenden Tierschutzgebiete Afrikas. Das Gebiet ist Teil des UNESCO-Weltnaturerbes der Vereinten Nationen. Doch hier wurde bereits ein Kompromiss geschlossen: Um einem illegalen Abbau und der damit zu befürchtenden Entwertung des UN-Welterbes vorzubeugen, hat die UNESCO Tansania erlaubt, das Schutzgebiet zu verkleinern.
Christof Schenck hält das für das kleinere Übel. Der Leiter der zoologischen Gesellschaft Frankfurt betreut ein Projekt zum Schutz des Parks und kennt die Gegend gut. Für Schenck hat das arme Tansania ein legitimes Interesse, diese neue Einnahmequelle zu erschließen. Ohnehin sei nur ein kleiner Teil des Wildparks betroffen. Größere Sorgen hat er, ob Tansania die nötigen Sicherheitsvorkehrungen einhalten werde. Es müssten zunächst grundlegende Studien durchgeführt werden: "Wie sind Gewässer schon jetzt belastet? Und wie kann man frühzeitig erkennen, wenn gefährliche Stoffe in die Umwelt gelangen?" Um dann größere Schäden zu vermeiden, fordert Schenck ein Alarmsystem, das internationalen Standards entspricht.
In Südtansania liegt das Uran zudem dicht an der Oberfläche. Das birgt eine weitere Gefahr: Jeder Windstoß könnte dazu beitragen, dass sich Uranstaub aus den geplanten offenen Tagebauten in der Landschaft verteilt.
Für Aktivist Anthony Lyamunda und seine Organisation in Bahi ist die Sache klar: Am besten wäre es, wenn Tansania ganz auf den Abbau des Uranerzes verzichten würde. Damit stehen sie nicht alleine da: Bei einer Konferenz, die Anfang Oktober in Tansania stattfand, unterstützten unter anderem die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und auch die deutsche Rosa-Luxemburg-Stiftung seine Forderung. Nur so lasse sich auch ein anderes Risiko ausschließen: dass das Uran in falsche Hände gerate und zum Bau von Atomwaffen verwendet werde.