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Tansanias Spagat in der Gesundheitsversorgung

Mirjam Gehrke15. August 2013

Tansania ist eines der ärmsten Länder der Welt. Dennoch gibt es ein relativ gut funktionierendes Gesundheitswesen. Verantwortlich dafür ist eine Strategie zwischen Qualität und Grundversorgung. Ein Balance-Akt.

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Blick in den Behandlungsraum einer ländlichen Gesundheitsstation in Tansania.(Foto: DW/ M. Gehrke)
Bild: Mirjam Gehrke

Am Rande einer Landstraße durch den dünn besiedelten Süden Tansanias steht auf einer Anhöhe ein traditionelles Rundhaus aus Lehm. Dahinter erheben sich zwei aus solidem Beton gebaute Häuser: die Krankenstation von Imekuwa und das Wohnhaus für den Leiter der Station. Nestor Masanganyi ist Ende zwanzig. Zusammen mit zwei Krankenschwestern sorgt er für die medizinische Grundversorgung für die Bevölkerung aus den umliegenden Dörfern.

"Bis zu dreißig Patienten kommen täglich hierher", erzählt er. Durchfall- oder Atemwegserkrankungen behandelt Msanganyi ebenso wie Schwangere, die zur Vorsorge kommen. "Die Patienten, die ich hier nicht behandeln kann, überweise ich an das nächste Krankenhaus. Es liegt ungefähr eine Stunde von hier."

Abwanderung von Fachkräften verhindern

Nestor Masanganyi ist kein ausgebildeter Arzt mit Hochschulabschluss. Er hat eine medizinische Fachschule absolviert. Nach zweijähriger Ausbildung sammelte er zunächst entsprechende Praxiserfahrung, bevor er den Posten eines sogenannten Clinical Officers übernehmen konnte. "Obwohl Tansania eines der ärmsten Länder der Welt ist, hat es durchaus ein funktionierendes Gesundheitssystem", sagt Christoph Benn vom Global Fund zur Bekämfpung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Der Global Fund sammelt Gelder von Regierungen und privaten Spendern, um die Bekämpfung der drei größten Infektionskrankheiten in Entwicklungsländern finanziell zu unterstützen.

Zwar werden immer noch nicht genug Mediziner ausgebildet. Gerade mal zwei Ärzte kommen auf 100.000 Einwohner - in Deutschland sind es 337 Ärzte. Aber immerhin habe Tansania ein wirksames Konzept entwickelt, um das Personal im Land zu behalten, erläutert der Direktor des Global Fund die Strategie.

Die Gesundheitsstation Imekuwa im Süden Tansanias - das nächste Krankenhaus ist eine Stunde entfernt.(Foto: DW/ M. Gehrke)
Die Gesundheitsstation Imekuwa - das nächste Krankenhaus ist eine Stunde entferntBild: Mirjam Gehrke

"Die fachliche Ausbildung ist gut. Aber sie reicht nicht an einen internationalen Standard heran, der es ihnen erlauben würde, das Land zu verlassen und woanders tätig zu sein", sagt Christoph Benn. Die Clinical Officers wie Nestor Masanganyi "tragen das Gesundheitssystem. Besonders in den ländlichen Gebieten, die für Fachärzte nicht attraktiv sind", so Benn.

Ohne den Privatsektor geht es nicht

In den siebziger Jahren wurde das Gesundheitssystem in Tansania komplett verstaatlicht und private und kirchliche Träger in diesem Bereich verboten. Die Ausbreitung der Grundversorgung in ländliche Gegenden führte zunächst zu messbaren Erfolgen: Die Kindersterblichkeit ging zurück, die Lebenserwartung stieg.

Doch wirtschaftliche Schwierigkeiten in den achtziger Jahren machten die kostenlose Gesundheitsversorgung immer schwieriger. Es mangelte an Medikamenten und Personal. Der Staat allein ist inzwischen nicht mehr in der Lage, die kostenlose Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. In den staatlichen Krankenhäuser müssen Patienten einen Teil der Kosten selbst übernehmen und auch die Medikamente selbst zahlen.

"Erst in den neunziger Jahren begann die Regierung, kirchliche und private Einrichtungen im Gesundheitsbereich wieder zu fördern", sagt Inge Baumgarten, die bei der GIZ für das Deutsch-Tansanische Programm zur Unterstützung des Gesundheitssektors zuständig ist. "Hier in Tansania werden 40 Prozent der Gesundheitsversorgung von privaten kirchlichen Trägern angeboten, die auch in sehr abgelegenen Regionen im Land die arme Bevölkerung versorgen."

Teil des von der GIZ unterstützten Programms ist der landesweite Aufbau von gemeindebasierten Gesundheitsversicherungsfonds. Damit sollen die wesentlichen Gesundheitsdienstleistungen sowie die Versorgung mit Medikamenten mit abgedeckt werden. Bislang ist nur die Behandlung von Aids, Tuberkulose und Malaria kostenlos. "Jedes Mitglied zahlt einen jährlichen Beitrag", erläutert Inge Baumgarten das Konzept, "und erhält eine Versicherungskarte, die man beim Besuch in der Gesundheitseinrichtung vorlegen kann. Auf der Karte sind Name, Alter und der Zeitpunkt, seitdem man versichert ist, verzeichnet." Der Jahresbeitrag liegt zwischen 5.000 und 15.000 tansanischen Schilling, umgerechnet 2,50 bis 7,50 Euro. "Pro Mitglied können bis zu sechs Familienangehörige so eine Karte erhalten und haben dann Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, ohne dass sie zusätzlich dafür bezahlen müssen.“

Clinical Officer Nestor Masanganyi zeigt die mit Solatstrom betriebene Kühltruhe für Impfstoffe.(Foto: DW/ M. Gehrke)
Nestor Masanganyi zeigt die mit Solarstrom betriebene Kühltruhe für ImpfstoffeBild: Mirjam Gehrke

Qualität und Tradition

Ebenso wichtig wie der Zugang zu Gesundheit sei aber auch die Qualität der angebotenen Dienstleistungen, betont GIZ-Expertin Baumgarten. "Wenn die Qualität in den Gesundheitseinrichtungen nicht gut ist, dann sind die Mütter auch nicht motiviert, sie in Anspruch zu nehmen. In Tansania nimmt nur etwa die Hälfte aller Schwangeren geburtshilfliche Versorgung in Gesundheitseinrichtungen wahr." Das habe zum Teil mit traditionellen oder kulturellen Gründen zu tun, aber eben auch mit der unzureichenden Qualität der Angebote.

Um zumindest schon mal eine ausreichende Grundversorgung sicherzustellen, werden in der Gesundheitsfachschule von Mtwara im Süden Tansanias derzeit rund zweihundert Clinical Officers ausgebildet. Einer von ihnen ist der 22-jährige Ramadan Rashidi. "Wenn ich jemanden sehe, der krank ist, dann fühle ich mich schlecht und denke, dass ich diesen Menschen helfen sollte“, fasst er seine Motivation zusammen. Nach seiner Ausbildung möchte er zunächst zurück in sein Heimatdorf gehen.

"Ich kenne die Menschen dort. Ich weiß, welche Probleme es im Dorf gibt, also werde ich in der Lage sein, die Probleme zu lösen." Die mangelnde Aufklärung und Prävention von HIV und AIDS auf dem Land sei eines dieser Probleme, sagt Ramadan Rashidi. Doch lange wird es ihn wahrscheinlich nicht auf dem Land halten: "Mein Ziel ist es, ein guter Arzt zu werden. Diese Ausbildung wird mir den Weg zu meinem großen Ziel ebnen." Für das angestrebte Medizinstudium wird Ramadan Rashidi dann doch in die Hauptstadt nach Daressalaam gehen müssen. Als Facharzt wird er dann dazu beitragen, auch die Qualität der Gesundheitsversorgung in Tansania zu verbessern.